Von Susanne Rzymbowski

„So, und nun tippen Sie mal hier“ sagte Dr. Beutel und führte den Finger von Frau Ledig sachte auf die Tastatur.

„Uihh, das geht ja wie von selbst“ erwiderte diese und staunte nicht schlecht über den raschen Aufbau ihres gewünschten Zöglings, der sich nun in Windeseile auf dem Bildschirm ausbreitete.

„Wie ich Ihnen schon sagte, arbeiten wir mit den neuesten Techniken, die mittlerweile keine Wünsche mehr offen lassen“ kommentierte Dr. Beutel stolz das Geschehen.

Frau Ledig schaute gebannt in das erscheinende Gesicht, das sich Ihr nun zeigte. Es war noch ein wenig ausdruckslos und blass, die Augen geschlossen.

„Es lächelt ja gar nicht! Ich wollte aber ein lächelndes Gesicht“ sagte Frau Ledig mit einem Unterton von Enttäuschung. 

„Sie müssen schon etwas Geduld haben – bedenken Sie, dass es früher 9 Monate gedauert hat!“ erwiderte Dr. Beutel. „Sie müssen auch für Impulse sorgen, Frau Ledig. So ganz allein geht’s natürlich noch nicht.“

„Impulse? Was meinen Sie denn jetzt damit? Ich habe doch all meine Wünsche geäußert.“

„Frau Ledig, diese haben wir auch nach bestem Gewissen eingearbeitet – wie Sie ja sehen, ganz nach Ihrem Ebenbild. Aber die Impulse braucht es schon noch von Ihnen selbst. Dafür stehen Ihnen ja die Tastaturen zur Verfügung. Die sind ja nun wirklich nicht nur dafür da, um Ihre DNA zu übertragen, es geht auch um einen Austausch dazwischen. Haben Sie sich denn etwa die Life-Fingers-Datei nicht durchgelesen, die ich Ihnen geschickt habe?“

„Also Herr Dr. Beutel, dafür hab ich doch keine Zeit. Und diese war auch kaum bebildert, und mit Buchstaben hab ich es nicht so.“

„Nun, dann müssen wir den Vorgang jetzt erst einmal abbrechen, denn ohne Impulse kann es einfach nicht funktionieren. Wir legen es auf REMIND und nächste Woche kommen Sie wieder zur ersten Vervollständigung. Und bedenken Sie, ein reger Austausch ist das Ah und Oh. Es geht hier nicht um Einmaligkeiten.“

„Sie meinen, ich soll jetzt mit leeren Händen gehen? Und was passiert denn in der Zwischenzeit? Nicht dass sich Fehler einschleichen!“

„Nein, da können Sie ganz beruhigt sein, Ihre DNA ist vollständig gesichert. Ich möchte Sie aber auch nochmals darauf aufmerksam machen, dass ständige Impulse notwendig sind, um Ihren Sprössling wachsen zu lassen.

Aber wie gesagt, es sind nur Impulse, das Endergebnis ist nicht vorher zu bestimmen. Sie haben die Möglichkeit, anhand von regelmäßigen Reizen in eine bestimmte Richtung zu lenken.“

„Wie jetzt?! Ich hatte Ihnen doch schon den gesamten Lebensweg vorgeschrieben. War die Mühe etwa ganz umsonst? Sie haben ja keine Ahnung, was mich das an Zeit gekostet hat!“

„Nun Frau Ledig – wir sind zwar schon sehr weit gekommen, aber hier tappen wir immer noch ein wenig im Dunkeln, vielmehr untersagen es unsere ethischen Prinzipien hier weitere Eingriffe eigentätig vornehmen zu wollen.“

„Na, wie find ich das denn jetzt?! Das hatte sich für mich aber ganz anders angehört. Ich will mich schließlich auf etwas verlassen können und nicht Rätsel raten. Ich habe doch schon die gesamten nächsten 50 Jahre exakt durchgeplant. Meine Dead-Time ist am 29.05.3001, so die Prognose meiner HealthApp. Daran muss ICH mich schließlich orientieren! Wofür denn das ganze Spektakel, wenn man nicht weiß, was dabei herumkommt? Und jetzt kommen Sie mir mit Ästhetik.“

„Ethik, Frau Ledig. Ich habe von Ethik gesprochen.“

„E-tic? Was ist das überhaupt?“

„Frau Ledig, ich möchte jetzt nicht eine Grundsatzdebatte mit Ihnen führen. Nur so viel will ich sagen, dass die Ethik sozusagen den Mensch als Menschen auszeichnet – und Sie möchten doch einem neuen Menschen auf die Welt verhelfen, oder etwa nicht?“

„Ja sicher, schließlich ist das ja nun in meinem Lebensvertrag fest hinterlegt und ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich daran reiben. Da gibt es ganz andere!

Auch wenn es mir momentan nicht so recht gelegen kommt. Aber mit 60 wollte ich nun ein Zeichen setzen, sozusagen als Jubiläumspunkt, zumal die Frist ja auf 65 beschränkt ist und ich ansonsten nicht mit einer Abfindung der Earth-Quick-Gesellschaft rechnen kann.

Und Herr Dr. Beutel, eins können Sie mir glauben, ich habe noch viel vor, und da ist mir ihr sogenanntes Menschlein mitunter etwas sperrig.“

„Ja, das glaube ich Ihnen gerne, dennoch möchte ich nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sie sich die Zeit nehmen müssen, Impulse für Ihren Zögling zu setzen, denn sonst ist die Menschwerdung gefährdet.“

„Ich versteh jetzt gar nicht, was Sie mir damit sagen wollen. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass ich Ihnen die Daten gebe – und schließlich auch mein Geld – da kann ich doch von Ihnen erwarten, dass Sie diese Impulse selbst einpflegen.

Und unter uns gesprochen, ich dachte auch, dass Sie da vielleicht noch ein bisschen nachhelfen könnten. Man kann ja nie wissen, was man noch alles so braucht…“

„Frau Ledig, nein so geht das einfach nicht. Auch Sie müssen Verantwortung übernehmen.“

„Also jetzt kommen Sie mir nicht so! Mein ganzes Leben ist die reinste Verantwortung. Ich bin ja schließlich verantwortlich für mich, so steht es zumindest in den Bestimmungen von Earth-Quick, und die wissen schon, wovon die reden. Und ich habe an allen Programmen teilgenommen, alle Schulungen gemeistert – sogar mit Auszeichnung! Und so soll es auch in Zukunft werden – die Anmeldung für Earth-Quick habe ich schon abgeschickt. Eintrittstermin ist der kommende Monat – und dann geht es wie von selbst für mein Ebenbild. Ich habe alles genau getaktet, also bitte keine Verzögerungen jetzt von Ihnen. Wie sie ja sicherlich wissen, sind Verpflichtungen einzuhalten. Und Sie sind verpflichtet, ein gutes Menschlein herzustellen – und wenn wir schon dabei sind – es soll lächeln!“