Von Marcel Porta
Hast du eigentlich eine Ahnung, wie einsam ich war, bevor du hier aufgetaucht bist? Seit Monaten kein Kontakt zur Außenwelt. Es gab keinen Gesprächspartner außer meinem eigenen Schatten. „Guten Morgen, Herr Schatten, wie geht es Ihnen heute? Warum so ein langes Gesicht?“ Objektiv gesehen war ich wohl kurz vor dem Verrücktwerden. Selbst Goldwäscher sind soziale Wesen, auch wenn sie sich naturgemäß äußerst selten zusammentun. Du weißt, die Angst vor dem Diebstahl des großen Fundes … den dann ja doch niemand macht. Oder fast niemand.
Du kennst die Arbeit, weißt, wie man sich die Gesundheit ruiniert, wie einen die Gier antreibt. Jeden Morgen, lange vor Sonnenaufgang, war ich am Schürfen, und erst im schwindenden Tageslicht lange nach Untergang legte ich das Sieb aus der Hand. Die Erfolge waren mäßig, hier ein Körnchen, da ein kleines Nugget, kaum der Rede wert. Kein Schatz, nur Krimskrams, wie bei allen Loosern. Und zu denen hab ich ganz sicher gehört, das musst du von Anfang an gewusst haben. Noch bevor ich dir von meinem finanziellen Ruin und dem abgebrochenen Medizinstudium erzählt habe. Obwohl ja gerade letzteres zu unserem großen Glück erheblich beigetragen hat.
Und dann der große Moment in meinem Leben. Auf den ich in keiner Weise vorbereitet war. Du standst plötzlich vor mir, wie aus dem Orkus entstiegen. Zuerst bin ich zu Tode erschrocken. Dachte an einen Grizzly oder ein anderes gefährliches Viehzeug, zu dem ich die menschlichen Exemplare unbedingt hinzuzähle. Doch dann geschah das Unvorhersehbare. Ich war verzückt, verrückt, verzaubert. Deinetwegen! Weißt du eigentlich, wie verliebt ich von einem auf den anderen Augenblick war? Deine athletische Figur, die langen blonden Haare, der knackige Hintern. Und erst dein Gesicht, die männlichen Züge, der akkurat geschnittene Bart. Du warst wie eine Offenbarung.
„Howdy, ich heiße Bert, und du?“, waren deine ersten Worte. Ich weiß noch jede Silbe davon, kann mich noch genau an den Klang deiner Stimme erinnern. Und an die belustigten Augen, als ich dich anstaunte wie ein Ungläubiger das leibhaftige Mondkalb.
Vor lauter Aufregung habe ich kein Wort herausgebracht. Erst als du mich spöttisch angegrinst hast und ich die Lachgrübchen in deinen Wangen sah, erinnerte ich mich zumindest an meinen Namen:
„Man nennt mich Joe.“ Vollkommen blöd! Wer stellt sich schon so vor? Aber in diesem Moment war ich wirklich unzurechnungsfähig. Am meisten verwirrte mich die Tatsache, dass ich noch nie in meinem Leben an einen Mann gedacht hatte. Wenn es um Liebesdinge ging, meine ich.
Zwar haben mich die wenigen Frauen in meinem Leben nicht gerade vom Hocker gehauen, doch dass ein Mann mich derart in seinen Bann ziehen könnte … undenkbar. Und du hast das in wenigen Sekunden geschafft, mein lieber Zauberer.
Wie schön doch die Liebe zwischen Männern sein kann! Ohne dich hätte ich das vielleicht niemals kennengelernt, dafür werde ich dir ewig dankbar sein. So durfte ich durch dich erfahren, wie herrlich es ist, einen dominanten Partner zu haben, einen Mann, der sagt, wo es langgeht, der mich mit seinem enormen Gerät aufspießt und durch die Befriedigung seiner eigenen Lust auch mir schöne Momente bereitet. Wie sehr habe ich dich in den nächsten Wochen lieben gelernt. Und auch du hast mich geliebt, obwohl ich doch um einiges älter bin als du. Da bin ich so sicher, wie ein poliertes Goldnugget glänzt.
Leider waren unsere Erfolge als Goldgräber im Gegensatz zu unserer Liebesbeziehung eher von mäßigem Erfolg. Du hast ja deine Finger kaum gerührt, was in Ordnung ging, das war ganz und allein meine Aufgabe. Und bei mir kam diese Unkonzentriertheit auf. Ständig weilten meine Gedanken bei dir, sicher habe ich manches Goldkorn übersehen, weil ich deinen prächtigen Schwanz vor Augen hatte statt des gefüllten Siebs. Du weißt ja, wie sehr man aufpassen muss, damit man die Nuggets vom Ausschuss unterscheiden kann. Doch niemals hast du mich angetrieben oder dich beklagt, das rechne ich dir hoch an, mein Liebling.
Und dann ist das Unwahrscheinliche geschehen. Dem Glücklichen läuft das Glück hinterher, anders kann ich es mir nicht erklären. Eine Stelle im seichten Fluss, die meiner bisherigen Erfahrung nach nicht vielversprechend war, und die ich bei klarem Verstand sicher gar nicht erst angetestet hätte, enthielt einen wahren Goldschatz. Als das erste Nugget auftauchte, das alles bisher Gefundene in den Schatten stellte, schlug mir das Herz bis zum Hals. Die Wahrscheinlichkeit, auf weitere Fundstücke dieser Größe zu stoßen, war nicht groß, aber immerhin vorhanden. Und dann … purzelten die Goldstücke nur so durcheinander. Schon im zweiten Sieb fand ich sieben Stück und so ging es weiter. Irgendwann konnte ich dann wieder halbwegs klar denken und eine Eingebung übertrumpfte alle anderen: „Das muss Bert sofort erfahren! Wir sind jetzt reich, unglaublich reich, und haben für alle Zeiten ausgesorgt!“
Sofort schnappte ich mir die Ausbeute, die inzwischen reichlich schwer war, und rannte damit zu unserem einsamen Blockhaus, wo du mit Schießübungen beschäftigt warst. Du als der erklärte Verteidiger unserer Goldwäschergemeinschaft musstest dich fit halten, das verstand sich von selbst.
Weißt du noch, wie ich auf dich zu gerannt kam: „Bert, Bert, wir haben es geschafft!“ Und wie ich dir die Riesennuggets zeigte.
Den nächsten Satz, den ich schon auf der Zunge hatte, konnte ich leider nicht mehr anbringen, sonst wäre vielleicht alles anders gekommen. „Komm mit, ich zeig dir, wo es ist“, wollte ich sagen. Doch der tödliche Schreck, als du den Revolver auf mich gerichtet hast, ließ mir die Worte im Hals stecken bleiben.
„Her mit dem Gold! Und raus mit der Sprache, wo hast du das gefunden!“
Wenn du einfach geschossen hättest, die Verletzungen hätten nicht schlimmer sein können. Meine Welt geriet aus den Fugen. Unsere Liebe … in einer einzigen Sekunde war sie zu Asche verbrannt. Die Zukunft … stank schlimmer als eine Kloake. Der Dreizack des Teufels stach in meiner Brust und der Schmerz war unerträglich.
Ich war nicht fähig, auch nur ein Wort von mir zu geben. Mit gesenktem Kopf schlich ich vor dir her, führte dich zu der Stelle, die mein Glück hätte sein sollen und nun alles, was mir wichtig war, zerstörte.
Ich schwöre dir, ich hatte keine Ahnung von der glitschigen Stelle. Wie hätte ich wissen sollen, dass du dort ausrutschen würdest? Und erst recht hätte ich nicht vorhersehen können, dass sich im Sturz ein Schuss lösen würde. Es war ein gnädiges Schicksal, dass du dir selber in den Kopf geschossen und dennoch überlebt hast. Ich habe mit viel Mühe mein halb vergessenes Wissen hervorgekramt, und so bist du mir erhalten geblieben. Auch wenn ich jetzt der Dominante und Starke sein muss, das Leben hat wieder Perspektive. Du bist bei mir und ich liebe dich mehr als je zuvor.
Es stört mich nicht, dass du nicht sprechen und laufen kannst. Es bereitet mir unendliche Freude, dich zu füttern und deine wild blitzenden Augen zu sehen, wenn ich deine Notdurft entsorge. Und dir unsere Geschichte wieder und wieder zu erzählen, ist mir eine innige Beglückung. Mir gefällt es, wie du dich dabei aufzubäumen versuchst. Es erinnert mich an deine Männlichkeit! Ist es nicht ein Gottesgeschenk, wie zuverlässig dein Körper immer noch funktioniert, wenn wir zusammenliegen?
Nie wieder werde ich einsam sein. Auch wenn du so wenig antworten kannst, wie mein Schatten, zuhören kannst du eindeutig besser. Das Glück ist mir in den Schoß gefallen und ich werde es nie wieder hergeben. Das verstehst du doch, mein Liebling, oder?
© Marcel Porta, 2018
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