Von Vanessa Bläuer

Ich sass auf der Treppe. Der grauen Treppe. Die Treppe, die mich auch nur beim blossen Anblick zur Weissglut trieb. Wieso? Na, weil die Treppe zu meinem Haus gehörte. Oder besser gesagt in die Flure meiner Wohngemeinschaft. Da stellt sich doch die Frage, warum ich dieses Gebäude so sehr hasste. Das ist ja auch ziemlich leicht zu erklären, um ehrlich zu sein. Der Typ, der jeden Monat vor der roten Haustür meiner Wohnung steht und die Miete erwartete, ist zufällig auch mein Lehrer. Stattlicher Mann mittleren Alters würd’ ich sagen. Schwarze, kurze Haare und graue Augen. Dazu noch ein ziemlich makelloses Gesicht. Nicht schlecht, denkt ihr? Oh nein dieser Typ ist mehr als schlecht. Die Meisten, die in diesem Gebäude wohnten, gehen entweder zur Uni oder arbeiten irgendwo in der Nähe. Nur ich, verdammt noch mal, durfte dreimal die 11. Klasse wiederholen. Ich bin nicht wirklich so dumm. Das liegt nur an  meinem Lehrer. Diese verdammte Regierung stellt auch immer die falschen ein. Wenn es nach mir ginge, dann wäre der Typ nicht mal Bauarbeiter geworden. Dieses verlogene Schwein hat drei Mal dafür gesorgt, dass ich sitzen bleiben musste. Der Grund ist mir nicht mal bekannt, aber ich nehme an, er ist einfach ein Soziopath.

 

Nun sass ich auf eben genannter Treppe und hielt gedankenverloren eine Bierdose in der Hand. Der einzige Vorteil daran, dass ich alleine lebte, war, dass ich kommen und gehen konnte wann immer ich es auch für nötig hielt. Meine Eltern haben mich beide praktisch aus dem Haus geworfen und mir befohlen es endlich mit der Schule aufzugeben und zu arbeiten. Aber diesem Mistkerl von Lehrer würde ich es nicht so leicht machen, mich loszuwerden. Niemals. Nicht in tausend Jahren. Ich würde die 11. Klasse endlich absolvieren. Dieses Jahr waren meine Noten nahezu makellos und es konnte sich auch nichts daran ändern. Ausser Herr Artis würde mir aus unbekannten Gründen wieder ‘ne fünf im Zeugnis geben.

 

„Irgendwie……. Hasse ich diesen Staat.“, murmelte ich dann und setzte mich kerzengerade auf. Es wurde Zeit irgendetwas zu ändern. Kurz gesagt hatte ich drei Möglichkeiten. Herr Artis’ Dasein ein Ende zu bescheren, eine Terrororganisation zu gründen und Deutschland niederzubrennen, oder ich musste Präsident werden. Ich raufte mir durch die Haare und seufzte, während ich meine Beine ausstreckte. Als ob ich jemals den Mut aufbringen würde irgendwas in so einer Art zu tun…!

 

«Na, wie geht’s?», ertönte die Stimme hinter mir, bei der ich mich gerne übergeben und mich gleichzeitig erhängen würde. Der hatte noch gefehlt. Ich seufzte genügend laut, dass es die Person hinter mir ganz klar hören würde und knirschte meine Zähne zeimlich energisch.

 

«Also Nikolai…. Wenn du hier nur so herumsitzt, werden deine Noten auch nicht besser….», säuselte der Mann arrogant und wagte es sogar noch sich neben mich zu setzen. Hm….vielleicht war der Mordgedanke doch nicht so schlecht. Ich trank noch einen Schluck von meinem Bier, stellte es auf die Stufe neben dem Lehrer und stand dann auf, nur um die verdammten, grauen Treppen hinaufzugehen und somit dieser hässlichen Gestalt entkommen zu können.

 

«Ja aber wo gehst du denn hin?», fragte mich Artis gespielt empört und ich konnte förmlich seinen amüsierten Blick fühlen. Es war alleine ‘ne Erniedrigung die selbe Luft wie er einzuatmen.

 

«Weg von Ihnen, Sie Soziopath.», keifte ich hervor und führte meinen Weg zu meinem Apartment fort. Soll der doch seinen ekelhaften Tee mit Milch und Scones selbst essen. Wenn der so weitermacht, dann……. Ach das überleg ich mir noch. Jetzt wäre ein Kaffee ziemlich angenehm. Träge liess ich meinen Blick die scheinbar endlosen Treppen hinaufwandern, während ich sie hinaufstieg. Ich gähnte und öffnete die verdammte rote Tür, als ich vor der Fussmatte meines Heims stand. Drinnen schmiss ich meine Jacke in eine Ecke und machte mich sofort auf in die Küche, ohne mir auch die Mühe zu machen die Tür korrekt zu schliessen. Wieso sollte jemand auch bei Studenten einbrechen wollen, die nichts besitzen, geschweige bei einem 11. Klässler. In der ziemlich düsteren und farblosen Küche schaffte ich es dann tatsächlich einen Kaffee zu machen. Ach ja für ‘ne Kaffeemaschine bin ich zu pleite, deshalb trink’ ich eigentlich nur Instant-Kaffee. Schmeckt widerlich. Aber es ist genau das Richtige um die Wut auf andere Menschen runterzuspülen. Der Nachteil keine Familie um sich zu haben, ist aber ganz klar, dass man selbst einkaufen muss. Dies konnte ich an diesem Tag auch wieder feststellen, als ich mit einem Teelöffel die letzten Pulverreste aus der kleinen Dose kratzte. Ich fluchte, als ich meine Geduld verlor und schmiss das Gefäss sogleich an die Wand, wo es gegen das Bild knallte, das mich und meine Familie darstellen sollte, nur um sofort in abertausende von kleinen Scherben zu zersplittern. Das war ein guter Tag. Ungelogen. Dieser Tag war purer Luxus, verglichen mit den wirklich miesen Tagen. Mindestens war der Rahmen des Bildes noch heile, als ich ihn aufhob und auf die Küchentheke legte. Der Staub, der sich darauf gebildet hatte und nun aufwirbelte, verteilte sich in kleinen Wölkchen, als ich das tat und liess meine Küche kurzzeitig im Sonnenlicht glitzern.

 

«Es ist sonnig….?», fragte ich mich überaus perplex, da es Mitte Dezember war und die Sonne schon vor ca. 2 Stunden untergegangen war. Ich bewegte mich zum Fenster und schob die Vorhänge noch ein bisschen zur Seite, nur um geblendet zu werden und fluchend meine Augen zusammenzukneifen. Im selben Moment, in dem ich mich zum Fenster begeben hatte, verschwand das Licht auch schon wieder und ich wagte es meine Augen zu öffnen.

 

«Was zur Hölle war das denn…?», flüsterte ich zu mir selbst und wartetet darauf bis sich meine Augen an die Umgebung gewöhnt hatten. Da unten, so ungefähr fünfzehn Meter unter mir sprang gerade ein Mann von der Rettungsleiter, des Gebäudes gegenüber von mir und schaltete hastig seine Taschenlampe aus. Er drehte sich mehrmals um und schien nach Leuten zu suchen, die ihn gesehen haben könnten. Ganz langsam und behutsam stiess ich mein Fenster auf.

 

«Yo!», rief ich und lehnte mich dabei aus dem Fenster, sodass ich Blickkontakt mit dem seltsamen Mann aufbauen konnte. Er wiederrum blickte mir panisch entgegen, worauf ich nur grinste und nach der leeren Bierdose griff, die auf der Fensterbank stand und sie mit voller Wucht nach Draussen schleuderte. Sie drehte sich wie verrückt in der Luft und ich war beinahe selbst erstaunt von der Geschwindigkeit. Das Stück Blech traf auf die Stirn, direkt zwischen die Augen, des Unruhestifters, sodass er rückwärts schwankte und schliesslich zu Boden fiel, nur um mit dem Kopf auf dem Boden aufzukommen. „Das hat jetzt weh getan…..“, kommentierte ich und kniff angeekelt ein Auge zu beim Anblick des wahrscheinlich ohnmächtigen Mannes, bevor ich das Fenster wieder fest zu schloss um mich bei der Kälte nicht auch noch zu erkälten. Ohne mir weiter darüber Gedanken zu machen, lief ich zurück in die Küche und nahm endlich wieder einen Schluck aus meines mittlerweile lauwarmen Kaffees. Schon nervig diese Einbrecher. Leuchten mir einfach so in die Küche. Also das geht doch wirklich nicht.

 

Ich nahm die Tasse ins kleine Wohnzimmer mit und setzte mich auf die ebenso kleine Couch. Nicht gerade gemütlich musste ich zugeben, aber sie erfüllte ihren Zweck, also was soll’s. Geistesabwesend nahm ich die Fernbedienung zur Hand und betätigte den kleinen roten Knopf, damit sich der Bildschirm erhellte. Und siehe da! Nichts war passiert. Der Bildschirm blieb immer noch so schwarz, wie meine Seele.

 

„Verdammt noch mal, du elendes…….“ Ich riss förmlich den schwarzen Plastikdeckel von dem Gerät ab und nahm die Batterien raus. Sie waren alle. Und das bedeutete, dass ich mich jetzt von meinem ungemütlichen Sessel erheben sollte. Was ich allerdings nicht tat, sondern wütend das Stück Plastik in meiner Hand gegen die Wand warf. Kaputt ging sie nicht, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Immerhin hatte sie schon einen Fünfzehnmeter-Sturz aus meinem Küchenfenster heraus, überlebt. Ich seufzte und liess mich in den Sessel sinken. Sonntag und ich sass immer noch, wie am morgen und Mittag….und naja eigentlich immer, auf meinem Sessel. Ne, ich mag den Staat ned.

 

By:

-Vanessa Bläuer, Spast und 14 ;-;