Von Miklos Muhi

So ergeht es einmal uns allen: Ein Sarg, neben einem Loch im Boden und einige Zuschauer. Anteilnahme, Beileid und eine Prise Zeremonie – das Patentrezept für eine Tortur. Meine sekundäre Rolle setzt mich in die Mitte dieser makaberen Manege, im Kreuzfeuer ehrlichen und geheuchelten, aber auf jeden Fall gut gemeinten Trosts.

 

Schweigen ist hier und jetzt die beste Antwort. Es verhindert die Entstehung von Ängsten, Erstaunen oder Schrecken und lässt die Vorstellung am schnellsten ablaufen.

 

Nachdem der Sarg unter der Erde verschwunden ist, schlage ich die freundlichen Einladungen aus. Genug Trost und genug Gesellschaft für heute. Eine Mitfahrgelegenheit brauche ich auch nicht. Der Taxifahrer erweist sich genauso wortkarg wie ich selbst.

 

Zu Hause ist es still. Es riecht diskret nach Putzmittel, Elektronik und Blumenerde. Mit der Gewissheit, dass die Zeit dafür nun reif ist, nehme ich mir zwei große Müllsäcke aus der Küche. Ich will keine Erinnerungen an Einsamkeit, Schmerzen oder sonstige Leiden.

 

Radikal und stumm wandere ich von Zimmer zu Zimmer und lasse keine Ecke, keinen Schrank und keine Ablage aus. Alles, was ihr gehört, oder besser gesagt gehört hat, muss weg. Wenn ich das nicht sofort mache, werde ich nie dazu in der Lage sein. Die zwei Müllsäcke werden voll. Sie wandern in den Garten zusammen mit einem vollen Benzinkanister. Bei fast allen Nachbarn steigt Rauch aus den Gärten auf. Sie verbrennen die abgefallenen, bunten Herbstblätter; ebenfalls Zeugen vergangener Zeiten.

 

Das Streichholz zischt auf der Schachtel und fliegt lautlos durch die Luft in Richtung der benzinnassen Müllsäcke. Kurz bevor es landen kann, entzündet sich das Gemisch aus Luft und Benzindämpfen und reißt die schwarzen Plastiksäcke und deren Inhalt mit in den heißen Strudel. Ich halte einen Feuerlöscher bereit. Am Ende leuchten nur Mond und Sterne und vom Inhalt der Säcke bleibt nur Asche zurück.

 

Die erkaltete Asche kommt in einen neuen Müllsack. Der kommt in den Kofferraum meines Wagens. Ich hole mir noch eine Taschenlampe aus dem Werkzeugkasten und das Buch aus dem Safe und fahre zum Fluss. Ich genieße die neue Stille, die mein Leben nun alleine ausfüllt. Auf verschlungenen Wegen fahre ich direkt zum Ufer. Die Wasseroberfläche glitzert im Licht des Vollmondes.

 

Mithilfe der Taschenlampe suche ich die geeignete Stelle im Buch, um endlich Schluss zu machen, um dieses Elend endgültig zu beenden und die Welt davor für immer zu bewahren.

 

Es ist Zeit, den Durchgang zu verschließen. Während ich die Texte aus dem Buch rezitiere, streue ich die Asche aus dem Müllsack in den Fluss. Das Wasser scheint zu kochen, wo die Asche die Oberfläche berührt. Ich konzentriere mich auf den Text und darauf, dass keine Reste der Asche im Sack zurückbleiben. Bei der letzten Passage spüle ich den Sack im Fluss aus und wasche meine Hände im Wasser.

 

In meinem Kopf wird es sehr laut. Eine Mischung aus Flehen, Befehlen und hysterischem Geschrei, die nur ich hören kann, erfüllt die Nacht. Ich kann das Plantschen des Wassers erst wieder wahrnehmen, nachdem ich mit dem Rezitieren fertig bin und der Spuk sein Ende findet.

 

Auf der Rückfahrt kann ich erstmals seit Jahren wieder lachen. Ich lache mich selbst aus, meine Blödheit und Naivität, meine Hoffnungen und meine etwas exotischere Wahrnehmung der Wirklichkeit.

 

*

 

Sympathie, Romantik, Liebe, Familie und andere leere menschliche Ideale ließen meinen Verstand verstummen. »Willst du?« »Ja.« »Willst du?« »Ja.« Alles ganz festlich.

 

Danach kam der Alltag und brachte ihre Sklavenhaltermentalität und andere unangebrachte Verhaltensweisen mit. Fragen über Vorfahren und Familie wich sie immer wieder aus. Das machte mich stutzig und recherchierte selbst. Ich konnte bei den zuständigen Standesämtern nichts über ihren Großeltern herausfinden. Was ich aber fand, waren eine Menge Unstimmigkeiten, die ihre Eltern betrafen. Manche Papiere rochen förmlich nach gut gelungenen Fälschungen.

 

Die Ergebnisse meiner Nachforschungen schlossen alles bis auf eine einzige Möglichkeit aus. Was blieb, wenn man einem gewissen Sir Arthur Conan Doyle glauben schenken dürfte, war die Wahrheit, auch wenn es noch so unwahrscheinlich oder absurd anmutete.

 

Das Buch, geschrieben in einer alten Sprache, hatte ich, nach gründlichen Nachforschungen, im Internet ersteigert. Sprache und Schrift musste ich lernen, damit ich das Buch vom Anfang bis Ende lesen konnte. Meine Vermutung wurde bestätigt und ich sah ein, in welcher Lage ich mich befand.

 

Dass ich jahrelang mit einem Dämon verheiratet gewesen sein sollte, war unwahrscheinlich und absurd genug. Es war sehr schwer, das zu akzeptieren, aber danach ging der Rest wesentlich einfacher.

 

Aus irgendeinem Grund, den ich nie erfuhr, ging der Dämon manchmal für kurze Zeit nach Hause. Dann wurde der Körper bewusstlos. Bei so einer Gelegenheit habe ich die Verbindung zwischen Dämon und Körper unterbrochen.

 

Totenschein und Beerdigung waren kein Problem. Die nachhaltige Lösung war, den Dämon für immer aus dieser Welt zu sperren, aber dafür gab es ja Rituale und alte Bücher, in denen diese geschrieben standen.

 

*

 

Man muss schon sehr genau aufpassen, wem man sein Ja-Wort gibt. Das gilt selbst für Dämonen.

 

 

Version 2