Von Winfried Dittrich

„Hallo? … Hallo!“

„Hallo? Ja? … Grüß Gott!“ 

„Wer ist da?“

„Entschuldigung, wer ist denn da?“

„Sie haben mich doch angerufen. Was wollen Sie? Wer sind Sie?“ 

„Ich habe angerufen? Nein! Ich bin von einer Stimme wach geworden, die aus meinem Telefon drang.“

„Bitte? Mein Telefon hat fünf Minuten lang geklingelt. Sie haben mich angerufen!“

„Hmm … Oh. Das tut mir leid. Ich muss mit der Stirn auf das Tastenfeld gekommen sein.“

„Wie bitte? Was für ein Tastenfeld?“

„Von der Telefonanlage.“

„Was für eine Telefonanlage?“

„Ja, die Telefonanlage hier an der Hotelrezeption.“

„Was denn für ein Hotel? Wer sind Sie denn? Was wollen Sie von mir?“

„Ich bin die Kati.“

 „Und warum schellen Sie mich mitten in der Nacht aus dem Bett? Was soll das?“

„Ich habe Nachtdienst und muss mal wieder eingeschlafen sein. Das tut mit sehr leid. Das passiert mir in diesen Schichten ab und zu.“

„Wie viel Uhr haben wir überhaupt?“ 

„Moment …Vier-Uhr-Neunundfünfzig.“

„Meine Güte, ich habe nur eine Viertelstunde geschlafen.“

„Da sind Sie aber spät ins Bett gekommen.“

„Ich habe gerade die Feuerwehr verabschiedet.“

„Die Feuerwehr?“

„Ja. Das ist eine andere Geschichte.“

„Hmm…“

„Woher haben Sie überhaupt diese Nummer?“

„Die Anlage speichert die Daten aller ein- und ausgehenden Anrufe. Ich bin wohl auf die Rückruftaste gekommen, und sie hat mit mich mit dem letzten Anrufer verbunden. Moment … Bist du das? Olli? 0049 – das ist doch eine deutsche Nummer …“

„Nein, hier spricht Arthur Schreiber. Und, ja, ich bin in Deutschland … Hat der Idiot vorhin auch noch ins Ausland telefoniert?“

„Ja. Ein kurzes Telefonat war das. Er war auf der Suche nach einem Baumarkt oder Laden für Fahrzeugzubehör, der noch geöffnet hat, und wollte eigentlich bei der Auskunft anrufen. Aber er sagte, er würde nicht mit der Wählscheibe des Telefons klarkommen. Und so ist er zufällig hier bei mir in Österreich gelandet, an der Rezeption. Er klang auch ein bisschen panisch. Fand ich irgendwie süß und sympathisch. Hat er denn gefunden, was er gesucht hat?“

„Nicht ganz.“

„Kann ich ihn nochmal sprechen?“

 „Nein.“

„Warum nicht?“

„Die Polizei hat ihn mitgenommen, um seine Personalien festzustellen.“

„Der Olli wollte Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um seine Besorgung zu machen.“

„Ja, das hat er im Prinzip auch getan.“

„Ach, schön. So einen Freund muss man haben!“

„Er ist nicht mein Freund, sondern mein Cousin. Das kann ich ihm leider nicht aufkündigen. Aber Gott sei Dank hat er mich da nicht mit reingezogen.“

„Was ist denn bei Ihnen geschehen?“

„Olli versucht sich als Sachbuchautor. Er schreibt gerade an einem Selbsthilfebuch für Camper. Und aktuell arbeitet er an einer Anleitung, wie man nur mit einer Plastikwanne, einem Schraubenschlüssel, einem Trichter und einer Taschenlampe einen Ölwechsel am Straßenrand durchführen kann. Letztes Jahr hat er sein eigenes Wohnmobil zu Schrott gefahren. Aber ich besitze auch eins, und wir wollten seine Erstfassung mal durchspielen. Nachts, damit das nicht so auffällig ist. Sie wissen ja, Umweltschutz und so.“

„Und dabei ist dann was schiefgegangen?“

„Ja! Wir haben die ausrangierte Babybadewanne von meinem kleinen Scheißer benutzt und vergessen zu prüfen, ob der Stöpsel drin ist. Und als wir dann das Öl aus dem schön warmgefahrenen Motor abgelassen haben, floss die schwarze Brühe erstmal direkt die Straße runter. Sechseinhalb Liter!“

„Deswegen brauchte er Ölbindemittel… Hätten Sie den Stöpsel nicht einfach wieder reinstecken können?“

„Haben Sie mal in achtzig Grad heißes Öl gefasst? Das machen Sie genau einmal. Na ja, ich bin dann jedenfalls sofort los zur Gartenanlage. Bis dahin ist es ein Stück, aber dort haben wir immer Bindemittel vorrätig, weil der alte Rasentraktor vom Verein ein bisschen leckt. Olli sollte gucken, ob er irgendwo schneller was auftreiben kann. Ich dachte, er fährt zur nächsten Tankstelle und holt da was.“

„Und stattdessen hat er mich dann angerufen.“

„Offensichtlich!“ 

„Das ging aber Hand in Hand bei Ihnen.“

„Pfff … Als ich mit dem Sack Bindemittel aus dem Schrebergarten zurückkam, da war hier schon große Kirmes. Feuerwehr, Polizei, die Nachbarn, alle in weißen Staub gehüllt.“

„Hmm …“

„Ja, das hab‘ ich auch gedacht, als ich die Szenerie sah … Dieser Arsch von Kioskbesitzer … Eigentlich mag ich den. Da bekommt man zu jeder Tag- und Nachtzeit alles, was man für den täglichen Bedarf braucht, sogar Schnuller. Und der Olli kann einfach nicht die Klappe halten … Aber der Mann vom Kiosk muss der Polizei einen Tipp gegeben haben.“

„Einen Tipp? Dass sie da einen Ölwechsel am Straßenrand machten?“

„Ja … Und auch, auf welche Idee Olli gekommen ist, um unsere Ölpest zu bekämpfen. Der hat den Kiosk komplett leergekauft. Achtzig Kilo! Und dann hat er die Säcke hinten aus seinem Kombi raushängen lassen, sie aufgeschlitzt und ist ein paar Male die Straße rauf- und runtergefahren, bis die Polizei um die Ecke kam.“

 „Hmm … Uppsi.“

„Uppsi? Was soll das heißen?“

„Ich wollte nur helfen. Mein Onkel ist bei der Feuerwehr und sagte mir mal, dass man anstatt Ölbindemittel auch Katzenstreu nehmen kann, wenn mal etwas Öl danebentropft. Das hab ich dem Olli erzählt …“

Version 3.0