Von Ursula Riedinger

Mein Leben mag dem Einen oder Anderen vielleicht eintönig erscheinen, aber mein Leben hat einen Sinn. Das ist doch das Wichtigste, oder nicht? Wenn ich sehe, wie kompliziert das Leben der Menschen um mich herum zu sein scheint, bin ich mit meinem doch sehr zufrieden. Gut, ich kenne nur die beiden, in deren Haushalt ich lebe. Aber sie kommen und gehen, sie machen mal dies, mal das, und dabei sehe ich sie nur in der Küche, wenn sie mich aus meinem Fach in der Küchenschublade genommen haben. Jedenfalls scheint mir alles sehr kompliziert zu sein. Die vielen Geräte, die herumstehen, die vielen verschiedenen Löffel, Gabeln und die Messer, mit denen ich die Schublade teile, eine äusserst komplexe Welt.

Wo ich eigentlich herstamme, weiss ich nach der langen Zeit, in der ich schon hier bei meinen beiden Menschen lebe, nicht mehr genau. Jedenfalls von weit weg. Aber was jetzt zählt, ist doch das Hier und Jetzt, da werdet ihr mir sicher recht geben. Und das bedeutet, dass ich jeden Tag darauf warte, dass ich gebraucht werde. Gebraucht werden hält schliesslich jung, sagt man. Wobei das Konzept des Jungbleibens in meinem Fall schlussendlich nicht so wichtig ist, ich bin aus langlebigem Aluminium und altere nur sehr, sehr langsam. Natürlich wird die Schublade jeden Tag geöffnet, wenn meine Menschen da sind, aber nicht immer komme ich zum Zug. Daran habe ich mich unterdessen gewöhnt. Aber man hofft halt doch.

Ich bin eher eine Einzelgängerin, nicht so wie die kleinen schwatzhaften Löffelchen, die ununterbrochen kichern, oder die arroganten Messer, die sich etwas darauf einbilden, wie gefährlich sie sind. Mir könnten sie jedenfalls nichts anhaben. Darum habe ich nicht viele Freundschaften geschlossen in unserer Schublade. Meine einzige Verbündete ist vielleicht das kleine dreizinkige Ding, das zum Kartoffeln aufspiessen dient, wie es mir gesagt hat, denn mit ihm teile ich das Fach.

Eines Tages aber bekam ich einen gehörigen Schrecken, denn dann kam eine zweite meiner Art in die Schublade. Meine Herrschaften hatten mal längere Zeit auswärts gewohnt, als in der Wohnung umgebaut wurde, und brachten meine Konkurrentin mit. Ihr könnt euch vorstellen, wie schrecklich dieser Moment für mich war. Zuerst einen Monat allein gelassen und nie gebraucht werden und dann diese Neue. Schöner und moderner als ich war sie schon, das musste ich zugeben: der Körper aus schwarzem Kunststoff, mit einem herausnehmbaren Teil aus Metall, das sich einfach reinigen lässt. Zum Glück war dann alles nur halb so schlimm. Ich durfte bleiben. Meine Menschen kochen beide gern und sind oft in der Küche, müsst ihr wissen. Und beide lieben es, mit Knoblauch zu kochen. Aber der Mann bevorzugt nach wie vor mich, um Knoblauch zu pressen. Er sagt, dass ich feiner Presse als meine Konkurrentin. Die Frau hingegen greift oft zur anderen Presse, weil sie es praktischer findet, wenn sie das Presssieb zum Abwaschen einfach rausnehmen kann. Darum kommen wir jetzt auch miteinander aus. Wir sind nicht gerade befreundet, aber respektieren einander, wie das zwischen einer jüngeren, moderneren und einer älteren, aber erfahreneren Person sein sollte. Ich bin froh darüber, dass das so ist, und ich meinen Seelenfrieden behalten kann. Nichts ist schlimmer als Zänkereien, wie sie zwischen den Gabeln manchmal vorkommen. Das sind echte Machos. Fast genau so schlimm ist heimliche Eifersucht, die einen innerlich auffrisst.

Dass unsere Menschen gerne mit Knoblauch kochen, heisst aber gar nicht, dass sie immer eine Knoblauchpresse brauchen. Wenn ich draussen bin, habe ich schon beobachtet, dass sie oder er sogar ganze Knoblauchzehen angebraten haben, bis sie weich sind, und diese für einen mallorkinischen Salat verwendet haben. Sehr oft hacken sie den Knoblauch, das hat mir das kleine Rüstmesser erzählt, das eigentlich ganz nett ist und nicht so arrogant wie das Fleischmesser.

Am Ende gibt es aber nichts Schöneres als wenn meine Herrschaften noch lange von einem Essen schwärmen, das sie mit gepresstem Knoblauch gewürzt haben, wie kürzlich, als sie einen wahnsinnig leckeren türkischen Dip zubereitet haben. Wir haben uns alle zusammengetan, um zu rekonstruieren, wie die Zubereitung geht, so dass ich es euch heute verraten kann. Es ist anscheinend auch nicht schwer zu machen, auch wenn es mir kompliziert genug scheint. Einige Karotten werden geschält und in Wasser weich gekocht und danach abgekühlt. Eine Zwiebel wird fein gehackt und dann mit dem Möhrenpüree etwas eingekocht. Das Ganze wird abgekühlt, dann mit Salz und Pfeffer gewürzt und mit einem kleinen Joghurt, in welches etwas Knoblauch gepresst wurde, verfeinert. Eben, ich sage euch, Knoblauch ist oft die Krönung.

Ihr könnt sicher meinen Stolz verstehen, dass ich eines der wichtigsten Dinge in diesem Haushalt bin, auf die sie nicht verzichten könnten. Da mag ich noch so alt und unscheinbar sein, auf die inneren Werte kommt es doch an, oder nicht? Das habe ich schon oft gehört, und für mich passt es genau.

V2