Von Daniela Seitz

Ich will Mama haben.

Ein Vierwortsatz, den mein Zweijähriger sagen könnte. 

Ich schaue mir die vier Worte auf meinem Zettel genau an. Keine Meisterleistung, die Lob nach sich ziehen würde. Keine gezielte Lockung, die schreit „lies weiter“. Nur ein Bedürfnis nach einem Verlust.

Ich stecke den Zettel in den Sorgenfresser und schließe seinen Reißverschluss.

Das fühlt sich gut an. Irgendwie beschützt. 

Ich halte das Kuscheltier fest und arbeite mit ihm zusammen weiter.

So kann ich den Fokus halten.

Und ein Gefühl, das in mir alles leichter macht. Als würde plötzlich die Sonne aufgehen und einen aufwärmen, obwohl man völlig durchgefroren ist.

Dabei ist der Sorgenfresser so klein, dass er in meine Hand passt.

In der Mittagspause lese ich gern. Ein und dasselbe Buch. Immer wieder. Auch heute begleitet mich Hector. Er spricht von Glücksfamilien. Beschwingtem Glück, stillem Glück und Glück durch Austausch mit Menschen.

„Und das andere stille Glück? Genau, das ist nämlich eine bestimmte Sichtweise auf die Dinge. Du erträgst die Welt und bewahrst dir deine innere Gelassenheit, egal was dir passiert, selbst wenn dein eigener Tod kommt.“*

Ich stolpere über diesen Satz aus dem Buch. Ist das etwa das, was der Sorgenfresser für mich leistet? Genau in diesem Augenblick? Denn ich halte trotz dem Buch weiterhin an meinem neuen besten Freund fest.

Das stille Glück der inneren Gelassenheit!

Das Gefühl benennen zu können, löst innere Höhenflüge aus. Ein tiefes Vertrauen kehrt zurück und umarmt den Verlust. Es schenkt mir eine Rüstung, die mich stark macht.

Ich gebe meinem Nothelfer einen Kuss. Dann lasse ich ihn los. 

Danke, Sorgenfresser, für einen Ort, an dem ich kindlich sein kann.

Danke, Francois Lelord, für deine Suche nach dem Glück.

Danke, Mama, dass du das Buch aufbewahrt hast, als ich es aussortierte.

 

V2 1795 Zeichen 

Anmerkung: Ein Sorgenfresser ist ein Kuscheltier mit Reißverschluss, der einen Akt der Übertragung und Transformation in Form von Selbsterkenntnis ermöglichen kann, wenn man es mit persönlichen Aufzeichnungen füttert.

*Zitat aus Francois Lelord Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück

*Zitat aus Francois Lelord Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück