Von Klaus Helfrich

 

Viele Geschichten beschreiben fiktive Begegnungen mit Außerirdischen. Im Gegensatz dazu brauche ich keine Aliens zu erfinden, denn ich bin im realen Leben dem Bewohner einer anderen Welt begegnet und bin mit ihm verwandt. Hier ist mein Bericht:

 Die Nachricht war niederschmetternd. Meine Gedanken drehten immer wieder den gleichen Kreis: Wieso ich, bin doch noch so jung erst vierundzwanzig! Wieso ich, das bisschen Rauchen kann doch nicht schuld sein! Wieso ich, ich bin ein guter Mensch! Gott hilf mir doch! Wieso ich, bin doch … hinausschwimmen, immer weiter hinaus, das Wasser trägt, das Wasser ist meine Liebe, das Wasser wird mich aufnehmen.

Ich fuhr an den Strand von Estoril, zog mir in unserem Toldo – dem Strandzelt – den vorgeschriebenen Badeanzug an  – die Portugiesen waren da sehr pingelig, der Bauchnabel musste auch bei Männern bedeckt sein – und schwamm hinaus auf das offene Meer. Zu lange würde es nicht dauern, der Atlantik längs der portugiesischen Westküste hat auch im Sommer nur eine Wassertemperatur von sechzehn Grad, man kühlt schnell aus und verliert die Kräfte. Vielleicht einen Kilometer vom Strand entfernt wurde ich gerufen: 

„Wolfgang!“

Ich schaute mich nach allen Seiten um, konnte keinen anderen Schwimmer entdecken. Noch einmal rief die künstlich klingende Stimme:

 „Wolfgang mein Junge, du hörst mich doch?“

Ich antwortete ins Nichts hinein: „Ja ich höre dich, aber wo bist du und wer bist du? Ich sehe dich nicht!“

Die Wasseroberfläche kräuselte sich, das Wasser wurde merklich wärmer, ein kleiner Strudel bildete sich und die Stimme antwortete:

„Du kannst mich nur hören, aber nicht erkennen, denn ich bestehe zur Gänze aus Wasser, ich bin Z+++. Ich lebe vor der Westküste Portugals, beobachte dich schon lange, immer wenn Du hier schwimmen gehst, bin ich in deiner Nähe. Ich komme vom Planeten —“ Den Namen des Planeten konnte ich nicht verstehen, es war nur ein gurgelndes Geräusch zu hören.

„Bei manchen Worten streikt mein Übersetzungsautomat, aber lass dir gesagt sein, meine Heimat —  befindet in einer anderen Galaxie, viele tausend Lichtjahre entfernt.“

„Und wie kommst du hierher und was möchtest du von mir?“ Ich war verwirrt und auch ängstlich.

„Hab keine Angst“, die Stimme bekam einen beruhigenden Tonfall. „Hätte ich dir etwas antun wollen, dann hätte ich genug Gelegenheit gehabt.“

Wie zum Beweis verspürte ich ein leichtes Zupfen an meinem Badeanzug und eine Bewegung an meiner rechten Seite, das Wasser wurde noch wärmer.

„Nenn mich einfach Dreiplus, das höre ich am liebsten.“ Die Stimme klang jetzt weiblich.

„Wir, die XYZ beobachten alle Welten auf denen es Wasser gibt, dazu schicken wir einen oder zwei von uns dorthin. Ich wurde ausgewählt, deinen Planeten zu beobachten.  Vor mir waren ein X und ein Y zusammen hier. Fünfzehnhundert Erdenjahre bin ich jetzt hier, doch für mich ist eines eurer Jahre nur ein Tag.“

Meine Neugier war geweckt und ich bat Dreiplus: „Erzähl mir bitte von deiner Heimat, hat sie Ähnlichkeit mit der Erde?“

„Unsere beiden Welten haben Kugelform und sie kreisen um eine Sonne, aber sonst gibt es keine Gemeinsamkeiten. Ich vermisse den Planeten —“

Hier passte der Übersetzer wieder, ich würde den Namen seiner Heimat wohl nie erfahren.    

„— besteht ganz aus Wasser. Wir kennen fünf Dimensionen, euch Menschen sind nur vier bekannt und durch die Zeit eure vierte Dimension könnt ihr euch nur vorwärts bewegen, wir in alle Richtungen. Unsere fünfte Dimension nenne ich, um es für dich verständlich zu machen, die Dimension der Wunder. Hier spielen sich unsere Reisen durchs Universum ab mit tausendfacher Lichtgeschwindigkeit und ohne Raumschiffe, wir dehnen uns durch den Raum. Ihr teilt euch in Männer und Frauen auf, wir kennen und bedürfen drei Geschlechter, die X, die Y und die Z. Ich bin ein Z.“

Ich war verwirrt und überwältigt von den Informationen, aber es kam noch besser oder soll ich sagen viel erstaunlicher. Der Strudel umkreiste mich und Dreiplus erklärte in seiner umständlichen Art weiter:

„Wir sind miteinander verwandt, denn als deine Eltern, Inge und Matthias sich an diesem Strand liebten und dich im Wasser zeugten, war ich dabei und hatte mich beteiligt. Wir vom Planeten — müssen immer drei sein, um Nachkommen zu zeugen. Meine Vorgänger ein X und ein Y haben mit einer Erdenfrau namens Maria einen Mann gezeugt, der als Gründer des Christentums bekannt wurde. Er war in all unseren Dimensionen zu Hause, auch in der Dimension der Wunder. Der Mann wurde ermordet, Menschen sind für uns schwer verständlich.“

Dreiplus seufzte tief und sagte dann:

 „Eure Kriege, Morde und Grausamkeiten könnten daran liegen, dass ihr nur zu achtzig Prozent aus Wasser besteht. Untersuchungen auf vielen Planeten haben ergeben, je geringer der Wasseranteil der Bewohner ist, desto kriegerischer und mordlustiger sind sie. Wir, die XYZ kennen keine Gewalt.  Ich habe Dir die Friedensliebe mitgeben können und deine Vorliebe für alles, was mit Wasser zu tun hat, das kommt auch von mir!“

„Da hast du Recht Dreiplus, ich habe eine Abneigung gegen jegliche Form von Gewalt. Den Kriegsdienst habe ich verweigert. Das Wasser ist meine Heimat. Schwimmen und Tauchen sind mir lieber als jede Fortbewegung an Land. Schon mit sechs Jahren konnte ich wie ein Frosch schwimmen und ein Jahr später überquerte ich den Bodensee vom Schweizer Ufer zur Insel Reichenau. Seit meinem achten Lebensjahr bin ich so oft wie nur möglich mit Booten unterwegs, selbst eine Reise nach Amerika und zurück machte ich mit dem Schiff, statt wie heute üblich mit dem Flugzeug. In den USA fuhr ich den Mississippi aufwärts und querte die Großen Seen in Richtung Kanada. Wenn ich zu Hause bin, liege ich oft tagelang in der Badewanne. Mein Lieblingsgetränk ist klares Wasser. Und in meinem Testament habe ich festgelegt, dass meine Asche auf dem Meer verstreut wird. Zu allem Überfluss bin auch noch im Sternzeichen des Wassermanns geboren“, unwillkürlich hatte ich die Sprechweise von Dreiplus übernommen und der antwortete:

„Ich bin dir auch noch auf telepathische Weise verbunden, ich fühle immer, wie es dir geht.“

„Dann weißt du?“, mir stockte der Atem.

„Ja, Wolfgang mein Kind ich weiß von der Diagnose, aber leg alle Ängste ab, denn ich werde dir helfen.“

Der Strudel wurde größer, umschloss mich ganz und zog mich in die Tiefe. Ich holte tief Atem, meine Lungen füllten sich statt mit Luft mit warmem Wasser, dann  waren Dreiplus und ich eins. Er ließ mich die ganze Schönheit seines Planeten sehen: Die dunklen Wasser der Tiefe, die von der Sonne durchfluteten grünblauen Strömungen der Lebensphase, das Ballett in den türkisen  Bereichen nahe der Oberfläche, den Wellentanz im Sturm, wenn die Drei sich fanden.

Und ich sah mich durch Dreiplus, sah den Tumor, jede, auch die kleinste  Metastase und er nahm alles weg.

Es war schon dunkel, als mich eine Welle an den Strand warf.  Ich war mir nicht sicher, ob ich nicht nur knapp meinem geplanten Selbstmord durch Ertrinken entkommen war und phantasiert hatte oder ob ich wirklich Z+++ begegnet war. Zumindest verspürte ich nicht mehr den Wunsch, mich selbst zu töten. Umfangreiche und wiederholte Untersuchungen in den nächsten Tagen gaben Gewissheit, denn der Onkologe sagte:

„So eine Spontanremission, das habe ich noch nie erlebt. Selbst in den einschlägigen Standardwerken fand ich keinen Fall, bei dem in einem fortgeschrittenen bösartigen Tumorleiden mit Raumforderungen in vielen Bereichen des Körpers der Krebs quasi über Nacht vollkommen verschwindet. Sie sind ein medizinisches Wunder.“

Über zwanzig Jahre sind seit jenen Tagen vergangen, ich lebe inzwischen in Deutschland  – direkt an der Ostsee –  bin verheiratet und habe einen Sohn. Mein lieber Janek ist zwölf Jahre alt. Vor einer Woche haben wir das traurige Ergebnis einer Untersuchung erhalten. Janek ist an Leukämie erkrankt und die Ärzte prognostizieren, dass er nur noch kurze Zeit zu leben hat.

Heute brechen wir nach Portugal auf. Ich werde Janek zu Dreiplus bringen. Ich hoffe, nein ich bin sicher, er wird meinen Sohn heilen, bestimmt weiß er schon von der Krankheit.