Von Ronja Post
Der Tag war heiß und schwül gewesen. Und obwohl das Restaurant, in welchem sie als Kellnerin arbeitete, im Außenbereich nur Plätze im Schatten der Bäume zu bieten hatte, war sie nach zwei Stunden schon völlig erledigt und durchgeschwitzt gewesen.
Nun verließ sie gegen halb elf das Restaurant und trat ihren Weg nach Hause an. Im Licht der Laternen sirrten die Mücken. Sie schob ihre Handtasche ein Stück die Schulter hoch, die immer wieder runter rutschte. Als ihr Blick in das Licht auf den Boden fiel sah sie neben ihren einen weiteren Schatten. Erschrocken drehte sie sich um. Doch da war nichts zu sehen. Wahrscheinlich hatte sie sich das nur eingebildet. Ihr Kreislauf spielte bei diesem Wetter immer nicht so ganz mit. Der hatte ihr wahrscheinlich einen Streich gespielt. Sie schüttelte den Kopf und ging weiter voran. Allerdings mit einem unguten Gefühl in der Magengrube.
Als sie um die nächste Ecke bog, vernahm sie ein Geräusch. Ein Knacken. Als wäre jemand auf einen trockenen Ast getreten. Noch einmal schaute sie über ihre Schulter und lauschte. Es war nichts zu sehen und nichts zu hören. Sollte sie was sagen? Ach quatsch. Was für ein Unsinn. Wenn sie jemand sehen würde, würde man sie für verrückt erklären. Außer ein paar Mücken und Nachtvögeln war jetzt niemand unterwegs. Außerdem durchquerte sie keine dunkle Gasse, sondern eine gut beleuchtete Wohnsiedlung. Es gab also keinen Grund zur Panik. Allerdings musste sie gleich noch einen unbeleuchteten Weg passieren. Kein langes Stück, aber es war so dunkel, dass man die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Ihre Mitbewohnerin hatte ihr schon zehn Mal gesagt, sie solle eine Taschenlampe mitnehmen, aber sie hatte sich bisher vehement geweigert. „Das lohnt sich für das kurze Stück doch gar nicht“, sagte sie immer. Doch jetzt wäre sie froh gewesen, sie hätte auf den Rat gehört.
Als sie den dunklen Weg erreichte, beschleunigte sie ihre Schritte. Sie wollte bloß schnell nach Hause. Plötzlich blieb sie mit ihrem Fuß hängen und stolperte. Sie fiel auf den ausgetrockneten und harten Boden. Unsanft schlug ihr Körper auf. Ihre Tasche ließ sie vor Schreck fallen. Sie kullerte von ihr weg. Ihr Knie brannte. Bestimmt hatte sie es sich aufgeschlagen. Sie tastete in der Dunkelheit danach. Ihre Finger berührten etwas Klebriges: Blut. Aber über was war sie eigentlich gestolpert? Normalerweise war dieser Weg immer gut frei geräumt. Langsam kroch sie in die Richtung zurück. Die linke Hand streckte sie nach vorne aus. Sie zuckte zurück, als sie etwas Haariges berührte. Was war das? Vorsichtig begann sie ihre Tasche zu suchen und das Handy herauszuholen. Sie leuchtete in die Richtung, aus der sie gekommen war. Leise schrie sie auf: Auf dem Boden lag ein toter Fuchs. Das Gesicht zu einer grässlichen Fratze verzerrt und blutverschmiert. Seine Augen starrten tot in die Luft und waren entsetzlich weit aufgerissen. Die Beine waren merkwürdig gekrümmt, als wären sie mehrmals gebrochen.
Schnell rappelte sie sich auf. Das war ihr zu viel. Sie schnappte ihre Handtasche und rannte los. Die Schmerzen in ihrem Knie nahm sie gar nicht mehr wahr. Nach Hause, nur noch nach Hause. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihr ganzer Körper zitterte. Was war das gewesen? Wer tat so etwas? Jemand musste den Fuchs getötet haben. Und dort platziert haben. Aber warum?
Als sie endlich in die Straße einbog, wo sie wohnte, drosselte sie ihr Tempo. Ihr Atem ging schwer und stoßweise. Deutlich entspannter legte sie die letzten Meter zurück, bis… Halt. Da hatte sich was bewegt. Das hatte sie ganz eindeutig gesehen. Direkt in ihrem Vorgarten war etwas oder jemand hinter dem Busch verschwunden. Etwas Dunkles. Hektisch blickte sie sich um. Es waren nur noch wenige Meter bis zur Haustür. Zurück konnte sie jetzt nicht mehr. Falls dort jemand war, hatte er sie längst gesehen. Sollte sie bei einem Nachbarn klingeln? Und fragen, ob sie rein darf? Aber die schliefen bestimmt schon. Und bis jemand aufmachte, konnte schon längst sonst was passiert sein. Es blieb also nur eine Möglichkeit: Sie umklammerte den Schlüssel in ihrer Handtasche und zog ihn raus. Dann sprintete sie Richtung Tür. Das Ziel fest im Blick. Als sie die Tür erreichte, versuchte sie ihn in das Schloss zu stecken. Doch ihre Hände zitterten so stark, dass ihr der Schlüssel herunterfiel. Sie bückte sich. Doch im nächsten Moment merkte sie, wie zwei starke Hände sie packten. „Hab ich dich“, flüsterte eine tiefe Stimme. „Wag es bloß nicht zu schreien, sonst,…“. Er führte seinen Zeigefinger an ihrer Kehle entlang. Eine unmissverständliche Geste. Sie wimmerte leise. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Was hatte sie denn bloß getan? „Aber jetzt gehen wir erstmal rein, Schätzchen. Und dann erkläre ich dir ein paar Regeln, die dein Leben sichern könnten, wenn du dich kooperativ zeigst.“ Seine Finger drückten sich in ihre Arme. „Komm schön mit mir mit.“ Er band ihr ein Tuch um den Mund und hob sie mühelos hoch. Sie wehrte sich mit Armen und Beinen. Doch es schien ihm nichts auszumachen, dass ihre Gliedmaßen ihn trafen. Er ging zielsicher um das Gebäude herum und ging durch die geöffnete Terrassentür. Plötzlich ging das Licht an: „ÜEBERRASCHUNG!“ Zwanzig bekannte Gesichter strahlten ihr entgegen. Der maskierte Mann nahm seine Maske ab und schaute sie an. „Alles Gute zum Geburtstag, Valerie.“
Version 3