Von Stefanie Endemann

Die Einwohner des Ortes auf der Flussinsel starrten täglich in den Himmel, ob ein Wölklein aufzöge. Aber das geschah nie.

Tag für Tag brannte eine gnadenlose Sonne herab, dörrte die Felder, sog gierig in kurzer Zeit alles hoch, was die Einwohner mühsam aus dem versiegenden Fluss schöpften, um die Felder zu bewässern.

Senkrecht stand die Sonne über dem Eiland. Das Dorf hatte enge  staubige Straßen, die der Wind durchzog und vielleicht ein wenig Abkühlung brachte, tunnelähnliche Gebilde, die verschattet waren durch Bastmatten. Ein raffiniert ausgeklügeltes System, das einen Luftzug stets spüren ließ. Noch konnten sich die Bauern dort aufhalten. Draußen zu arbeiten, führte leicht zum Kollaps und zum Hitzschlag. In der Frühe wandten sie sich zu allen erreichbaren Gefäßen, um das Wasser aus dem seichten Fluss zu schöpfen. In das Flussbett ragte Gestein  und Geröll,. Man stieg hinab, um zwischen  Steinen die Gefäße in die Tümpel zu tauchen. In den Tümpeln wanden sich mit schnappenden Kiemen die letzten Fische. Solch eine Hitzewelle hatten wir seit Menschengedenken nicht erlebt. Es war wie ein Fluch.  Und ein Raunen zwischen den  erschöpften und geplagten Bewohnern wollte wissen, dass ein Frevel begangen worden war, dass der Gott gereizt war und wütend sich zu seiner vollen Macht erhoben hatte, um die Bewohner zu strafen. Er, der üblicherweise Licht und Helligkeit mit sanfter Stärke verbreitete, brannte Tag für Tag in fürchterlichem Kriegsglanz. Ein Ende war nicht zu sehen. Nichts wussten die Dorfbewohner von weltweiten Wetterkonstellationen, zu erkennen und zu spüren war jedoch, dass die tödliche Überfülle des Segens bis zum Austrocknen einer jeglichen Kreatur nicht weichen würde. Ein Fluch.

Die Ohnmächtigen rotteten sich zusammen und berieten insgeheim. Zu viele waren sie, waren wir, denn ich war unter ihnen.

Einer war schuldig, und alle waren zu viele, darauf konzentrierten sich die leisen Worte  der Bewohner. Einer musste sterben. Einige mussten sterben. Die  Ziele lenkten sich auf  die Babys der stillenden Mütter, und die wurden hysterisch, wenn die ratlosen Blicke der Bewohner über sie hinglitten. Einer musste es sein, viele mussten es sein, und es gärte unter den Bewohnern. Misstrauisch maß man sich die letzten Tropfen zu, man bildete Rudel, Vereine von Gleichgesinnten, die sich zusammenrotteten gegen andere. Und die Tag für Tag gleichbleibende Hitze schränkte das Denken ein und förderte  Angst und Wut. Das machte die Leidenden äußerlich  apathisch Die Blicke der Bewohner wanderten über die anderen hin, Jeder wusste, was diese unsteten und ratlosen Blicke bedeuteten.

 

Es bedurfte nur noch eines Funkens, um die Gärung zur Explosion zu bringen, die die geschwächten Körper befallen hatte.

Es blieb nicht bei den Blicken. Eines Tages fiel das Urteil. Irgendwie hatte die Mehrheit unausgesprochen zusammengefunden,  und ich ahnte es.

Fühlte ich mich schuldig? Ja, und ich machte mich bereit für das Kommende. Ja, ja. Und es geschah in der schwülen  Nacht, dass ich den rhythmisch stampfenden Schritt der Menge näher kommen hörte. Tamtam, tam.  Tamtam– Tamtam. Die Trommeln dröhnten und ich saß da und hielt Zwiesprache mit meinem Herzen.

Dann stand ich auf und ging ihnen entgegen.

Ein kühler Hauch zog auf, und die ersten Tropfen fielen, als ich mich in ihre Arme begab.

Das Opfer war angenommen, und der Regen begann zu fließen.

Nach meiner Zerreißung stockten alle. Alle hatten sie sich wie wild auf mich gestürzt – sie wachten auf, sammelten betreten die Reliquien ein, schafften  mich in ein Tabernakel und rüsteten sich, mich zu verehren. Als Helfer, als Mittler. Ich kenne meine Mitbewohner, einst war ich einer von ihnen, jetzt throne ich für Jahrhunderte über sie, mein Schrein wird geschmückt, und ich diene in ihrem Angesicht  direkt dem Gott.

 

 

                                                                        Telander

 

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