Von Anne Zeisig

Er hielt mir rücklings das Messer an die Kehle.
Die in mir aufsteigende Wechseljahreshitze kroch von der klammen Kopfhaut hinunter in meinen Nacken, der Schweiß lief über meinen Rücken bis ins Steißbein.
Durchnässte meinen Slip.
Sein Atem keuchte feucht und bleischwer ins Ohr, als er mich in den Zwanggriff nahm und zu Boden streckte.

Theresia …
Du, meine große Liebe …

Zitternd kauerte ich auf den kalten Fliesen, als mein Leben vorüber rauschte.
Klischeehaft und kleinbürgerlich:
Mann, Kinder, Enkel, Reihenhaus.
Urlaub auf Sylt oder Mallorca.
Nun Witwe.
Die Kinder selbstständig, die Enkel auf gutem Wege.
Ein billiges Romanheft hätte mehr Spannung geboten.

Theresia: Meine ehemalige Schulfreundin.
Wiedergefunden nach all den Jahren.
In denen sie und ich im ‘falschen Kostüm’ gesteckt haben.
Endlich in ein gemeinsames geschlüpft per Heimlichkeit.
***
„Schluss mit demVersteckspielen“, säuselte ich ihr kräuselnd, verführerisch ins Ohr und durchfeuchete, umkreiste zärtlich ihre kleine Ohrmuschel mit meiner Zunge.
„Wir nehmen zwei Einzelzimmer!“, meinte sie, weil man in unserem Alter gerne alleine laut schnarcht und sich am Morgen solo aufhübscht, als sei man dem Jungbrunnen entsprungen.
Ich nickte.
Wog mich selig in zerwühlten Kissen in ihren Armen und wohllüstig zwischen ihren Beinen.
Beschmatzte ihre Achseln und sog den süßen Körperduft in mich auf.
Der Vollmond schien wie auf einer alltäglichen Postkarte auf uns hinab ins Fenster hinein.
Vor dem schwarzen Himmel das helle Rund.
Haut an welke Haut, die längst dem Altern geweiht ist.
Aber junge Schweißperlen hervor brachte in der Hitze der Nacht.
Wie kein Mann es verstehen würde.
Mein Ehemann niemals damals.
Ich, die Witwe und Familienfrau.
Sie, die unbefriedigte Ehefrau, welche erstmals einen Orgasmus erlebte durch mich.
In mir.
***
„Du hast ihr den Kopf verdreht!“, schrie er unvermittelt.
Theresias Mann, der aufgetaucht war aus dem Nichts.
Ich kann ihn verstehen, weil er nichts verstehen kann.
Die Messerklinge blitzte seitlich hervor, wurde auf meine Kehle gerichtet.
Er hinter mir, mich noch fester im Griff.
„Stech doch zu!“, würgte ich hervor aus Liebe zu ihr.
Im Glauben, dass er dazu nicht fähig sei.

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