Von Rada Rank
„Muss ich wissen, wie Josel gestorben ist?“, fragte Andor.
„Sie nannten ihn Charly. Er war dein Vater“, Nevashis Stimme klang kräftiger, als sie sich fühlte. Andor war gerade erst zwölf geworden.
„Hat er mir das vererbt?“
„Wovon redest du?“, sie hatte seit seiner Geburt die richtigen Worte für den Jungen gefunden.
„Vom Tod“, sagte Andor, „vom Sterben. Abnippeln. Das Zeitliche segnen“, eigentlich liebte Nevashi seine Ironie.
„Du weißt, dass wir alle mal sterben müssen“, lachte sie, ohne den Ernst zu verlieren.
„Für einen Zwölfjährigen ist das ein schwacher Trost.“
„Wie meinst du das?“
„Ach, gar nichts“, sagte er lässig und wollte in der Tür kehrt machen.
„Er hat diese Impfung erhalten. Als erwachsener Mann“, sagte sie, wobei das erst einmal nichts aussagte. Das hatten sie alle. „Daraufhin sind seine Arterien zu gegangen.“
„Da hätte man doch bestimmt was machen können“, er glaubt an die Wissenschaft und sie war froh, einen so aufgeklärten jungen Menschen vor sich zu haben.
„Wir haben in der Nacht mit drei Notdiensten telefoniert. Keiner fühlte sich zuständig. Die Nebenwirkung war damals noch nahezu unbekannt“, sie schluckte. Die alte Verzweiflung griff sie an. Härter, als sie es erwartet hätte. „Du kannst Himbeerfruchtpulver nehmen. Zwei Teelöffel täglich in Eis oder Joghurt gerührt. Zusätzlich Cranberry, Vitamin B, Vitamin D2, Calcium, Magnesium, Zink und Selen. Und ein Haferl Zitronensaft am Tag.“
„Ein Haferl, was?“, er verschluckte sich fast, „Gott, mein Vater!“