Von Franck Sezelli

Ist dir nicht gut?

Franck Sezelli

 

»Sag mal, Stefanie, warum eigentlich hat man dich eingelocht?«

Die Angesprochene überlegte, ob sie Gudrun alles erzählen sollte. Sie war ihr in der letzten Zeit eine gute Freundin geworden. Alles kam in der Erinnerung wieder bitter hoch. Sie brach in Schluchzen aus und stieß kaum verständlich hervor: »Mein Partner, das Schwein, hat mich verraten …« Sie konnte nicht weitersprechen.

Gudrun nahm sie in den Arm und versuchte, sie zu trösten. »Erzähl, Stefanie, rede dir alles von der Seele, das hilft.«

So erfuhr die Mitgefangene, wie das Gaunerpärchen das Bankschließfach eines reichen Hamburgers leeren konnte und sich mit viel Bargeld, Wertpapieren, Bankunterlagen für Schweizer Nummernkonten, Diamanten und wertvollem Schmuck nach Rio abgesetzt hatte.

Gudruns Augen wurden immer größer. »Wollweber? Den aus Blankenese, Villa Firenze? Ihr habt Wollweber ausgeraubt? Das hätte ich mir nie getraut!«

»Wieso nicht? Der Pfeffersack brauchte doch nicht soviel!«

»Das war so etwas von gefährlich! Es ist doch bekannt, dass er Geschäfte mit der Camorra macht …«

»Oh, das wussten wir nicht. Man hat uns ja auch nicht erwischt, erst als …« Stefanie wurde wieder von heftigem Schluchzen geschüttelt.

»Damit willst du das Schwein doch nicht davonkommen lassen? Ich habe da eine Idee, hast du ein Foto von diesem Verräter?«

»Wie? Was für eine Idee?« Stefanie hatte sich wieder etwas beruhigt. Sollte es eine Möglichkeit der Rache geben? »Ja, ein Foto habe ich, allerdings habe ich es zerrissen. Und dann doch aufgehoben. Über elf Jahre waren wir zusammen. Ich habe ihn so geliebt!« Bei den letzten Worten bebten ihre Schultern wieder.

»Gib mir das Foto! Du weißt, ich werde bald entlassen. Dann gehe ich zu Wollweber. Ich kenne ihn gut.«

»Was? Du kennst Wollweber? Wieso das?«

»Ich war mal die Freundin seines Gärtners. Und da hat sich dann so einiges ergeben … Frag nicht! Ich kann jederzeit zu ihm kommen. Er wird mir keinen Wunsch ausschlagen.«

»Aber niemand weiß doch, wo der Kerl ist, er ist spurlos verschwunden.« Stefanie bezweifelte das Vorhaben ihrer Freundin.

»Die Mafia besteht doch nicht aus Beamten. Sie hat viel effektivere Methoden als die Polizei. Lass mich mal machen. Wie nannte sich dein sogenannter Freund zuletzt?«

»Torsten Tauscher …«

 

Luigi Pirandero und Wollweber schlossen sich zum Abschied in die Arme. Es war ein gelungener Männerabend voller Gaumenfreuden und fruchtbarem Informationsaustausch geworden. »Grüß mir Napoli, Luigi! Und vergiss nicht, die Hälfte der Einnahmen aus den Diamanten, alle Wertpapiere und die Hälfte des verbliebenen Barvermögens sind deine, wenn du diesen verdammten Florian aufspürst und in den Besitz seiner Beute gelangst.«

»Grazie, amico mio. A presto! Arrivederci!«

 

Florian klingelte an der Pforte des schmucken Häuschens N° 25 in der Kreupelhout Lane in Cape Town. Natürlich ist Südafrika mit seinen bekannten Minen auch ein Umschlagplatz für nicht ganz legal gehandelte Diamanten. Sehr lange musste Florian sich umhören, und es hat ihn eine erkleckliche Summe gekostet, ehe man ihm vertraulich diese Adresse genannt hatte.

Ein gut aussehender Mann in den Fünfzigern kam zur Vorgartentür. »Mister Tauscher?«

Als Florian bejahte, reichte er ihm einen Zettel mit einer belgischen Telefonnummer. »Das ist die renommierte Firma Antwerpdiamonds. Verlangen Sie dort Heer Bart Vandervost. Viel Erfolg!«

Es war dann einfacher als zunächst gedacht. Der verlangte Gesprächspartner gab ihm nach den einleitenden Erklärungen eine Handynummer, worüber sie dann das Gespräch fortsetzten. Man vereinbarte für ein paar Tage später ein Treffen in Neapel, zu dem er einige seiner Steine zur Ansicht mitbringen sollte. Der Diamantenhändler hätte dort gerade geschäftlich zu tun, sodass es ihm gut passen würde. Herr Vandervost erklärte ihm: »Sie brauchen nicht alle zu verkaufenden Diamanten vorzulegen, ich sehe mir Ihre Auswahl an und dann sprechen wir über alles Weitere. Das Risiko für den Transport tragen natürlich Sie, Heer Tauscher. Aber sicherlich ist es weniger riskant, die Steine nach Italien zu schmuggeln als ausgerechnet in den Diamanten-Umschlagplatz Antwerpen.«

 

Den Abend vor dem Flug nach Neapel verbrachte Florian im GrandWest Casino, wo er, seitdem er in Kapstadt wohnte, Stammgast war. Ein Nachbar am Roulette-Tisch machte ihn darauf aufmerksam, dass heute eine besondere Attraktion im Hause war, nämlich Esther Leraba, eine echte Abakhulu Gogo, wie sich nur über lange Jahre ausgebildete und geweihte einheimische Wahrsager nennen dürfen. Das interessierte Florian und er ließ sich bei ihr anmelden.

Esther empfing ihn in einem leicht abgedunkelten Raum in der zweiten Etage des Casinos. Sie bat Florian, auf einem weichen, würfelförmigen Hocker aus Leder Platz zu nehmen und setzte sich ihm gegenüber auf einen gleichen, mit Ornamenten verzierten  Lederwürfel. »Hi, ich bin Esther, du darfst zu mir aber auch Stefanie sagen, wenn dir das angenehmer ist.«

Florian fuhr der Schrecken in die Glieder, er hatte das Gefühl, sein Bauch krampfte sich zusammen. Schweiß brach ihm aus allen Poren.

»Ist dir nicht gut?«, fragte die schwarze, sehr attraktive junge Frau im bunten Gewand mit wohlmeinender Stimme ihren Besucher. Sie reichte ihm einen goldenen Becher mit einer grünlichen Flüssigkeit. »Trink davon, Bruder, das wird dir guttun.« Florian wagte nicht zu widersprechen und setzte den Becher vorsichtig an die Lippen. Das Getränk erwies sich als äußerst wohlschmeckend. Schon nach zwei Schlucken war die ganze Unruhe, die ihn erfasst hatte, verschwunden und ihm wurde wundersam leicht.

Danach hantierte Esther mit kleinen Würfeln und Knöchelchen auf dem Teppich zwischen ihnen und prophezeite Florian aus deren Stellung zueinander eine lebendige und blühende Zukunft. Zum Abschluss der Session allerdings warnte sie: »Nimm dich vor einer blonden Frau mit schwarzen Haaren in Acht!« Mehr war aus ihr nicht herauszubekommen.

 

Völlig benommen taumelte Florian aus dem Casino die Treppen hinab und wandte sich in Richtung des Hotels, das er für die Nacht gebucht hatte, um schneller zum Flughafen zu kommen. Als er am Ende des riesigen Gebäudes ankam, sah er aus dem Dunkel der dort stehenden Büsche und Bäume eine Frau auf sich zukommen. Er riss verwundert die Augen auf. Die Frau schien nackt zu sein und offenbar trug sie eine schwarze Perücke. Seine Beine versagten ihm, er brach auf dem Weg zusammen. Das Gesicht, das sich über ihn beugte, war das von Stefanie. Im Mondschein sah Florian noch ein Messer aufblitzen … Dann wurde es Nacht um ihn.

 

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