Von Ingo Pietsch

Ich lag auf dem Bett und starrte durch das offene Fenster in den wolkenlosen Sonnenuntergang.

Morgen würde wieder so ein heißer Tag werden, an dem ich mir wünschte am Nordpol zu sein.

Nur mit dem Nötigsten bekleidet hatte ich den Rasen gemäht und ein wenig Unkraut gezogen, bis die Hitze unerträglich geworden war. Man schwitzte nicht nur, der Schweiß war in Rinnsalen über mein Gesicht gelaufen und hatte in meinen Augen gebrannt.

Eine kalte Limo hatte meine Transpiration nur noch verstärkt.

Ich tastete nach der leeren Bettseite neben mir. Meine Frau war mit den Kindern übers Wochenende zu ihren Eltern gefahren.

Mein Vorsatz, den Garten auf Vordermann zu bringen, war bei dem Wetter kaum möglich zu erfüllen.

Es war jetzt so gegen neun Uhr abends. Es würde noch ca. zwei Stunden hell bleiben.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, noch eine Folge einer meiner Serien zu schauen oder in einem Buch zu lesen. Die Ruhe einfach nutzen.

Aber ich war so von meinen Beschäftigungen erledigt, dass meine Augen fast von alleine zufielen.

Es tat so gut, zu sehen, wie die Sonne am Horizont langsam verschwand.

Die Tage waren immer so hektisch, da gab es kaum Zeit so etwas zu genießen.

Die Schlafzimmertür stand ebenfalls offen, in der Hoffnung, dass ein wenig Zug durchziehen würde, da die Luft im Raum stand.

Aber es war windstill und so versuchte ich mich einfach nicht zu bewegen.

Ein Ventilator hätte mir nur eine Erkältung eingebracht, wenn ich ihn falsch aufgestellt hätte und das wollte ich nicht riskieren.

Ich blickte aufs Handy. Meine Frau war gut auf der Autobahn durchgekommen. Ich sagte ihr noch, dass ich sie liebte und ich jetzt ins Bett gehen wollte.

Sie erwiderte meine Nachricht mit umarmenden Herz-Emojis.

Ich beschloss noch einmal aufs Klo zu gehen. Dann überlegte ich, ob ich meine Unterhose auch noch weglassen sollte und entschied mich dafür.

Durchs Fenster konnte eh keiner reingucken und ich war ja auch alleine zu hause.

Es lag nur ein leerer Bettbezug auf meiner Matratze, den ich nur benutzen wollte, wenn es wirklich zu kalt wurde.

Nachdem ich noch eine Weile so dalag und doch nicht einschlafen konnte, zog ich in den Rollladen herunter und schaltete den Fernseher ein.

Kaum fing die Folge an, schwirrte eine Fliege ins Schlafzimmer und setzte sich aufs Bild.

Das war keine einfache Fliege, sondern ein dicker Brummer. Ich hatte keine Ahnung, dass die Viecher so groß werden konnten.

Ich stand auf, nahm eine Zeitschrift im Dämmerlicht und wedelte den Brummer damit zur Tür hinaus. Ich schloss diese und schaute weiter.

Doch nicht lange und die Fliege saß wieder auf dem Fernseher.

Wie war die reingekommen? Wahrscheinlich irgendwie unter den Lamellen des Rollladens. Oder waren es mehrere? Ein ganzer Schwarm?

Ich ließ die Jalousie ganz herunter und schloss das Fenster. Das würde ich wieder aufmachen, wenn ich zu Ende geschaut hatte.

Tür auf, Licht im Flur an, Fliege wieder raus, Licht aus, Tür zu, Folge weiterschauen.

Als die nächste anfing schaltete ich aus. Es war stockfinster im Zimmer.

Doch was war das?

Ein Summen ertönte mal in der einen Ecke und bewegte sich dann im Raum herum, kam näher und plötzlich spürte ich etwas an meinen Bein, dass kitzelte.

Ich sprang auf, riss die Nachttischlampe vom Schränkchen und stürmte Richtung Tür, zum Lichtschalter. Zumindest hatte mir das mein Orientierungssinn vorgegaukelt.

Trotzdem wir schon Jahrzehnte hier wohnten, hatte mir die Dunkelheit einen Streich gespielt.

Ich stieß mit dem rechten kleinen Zeh gegen Bettpfosten und konnte wieder sehen! Nur Sterne, aber immerhin. Ich unterdrückte mit aller Macht einen Fluch und versuchte die Schmerzen in meinem Magen wegzuatmen, die mir die unfreiwillig Begegnung mit dem Pfosten eingebracht hatte.

Die Fliege surrte an mir vorbei, ich schlug nach ihr und erwischte die Kante des Kleiderschrankes.

Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, wo genau ich mich im Raum befand.

Für einen Außenstehenden musste es wahrscheinlich sehr lustig aussehen, wie ich mich blind mit ausgestreckten Armen in den eigenen vier Wänden bewegte.

Kleiderschrank, Sideboard, Lichtschalter.

Ich kniff die Augen zusammen, als es hell wurde.

Die Lampe war nur runtergefallen, aber noch heile.

Ich räumte auf und blickte dabei immer wieder verstohlen im Zimmer umher, wo sich der Brummer irgendwo versteckt haben konnte.

Dann betrachtete ich meinen Zeh. Dieser war knallrot, der Nagel angebrochen und blutete ein wenig.

OK, ich öffnete die Tür machte wieder das Schalterspielchen im Flur. Und es klappte tatsächlich.

Ich schloss die hinter mir, ging in die Küche und versorgte meinen Zeh. Ich würde eine paar Tage wahrscheinlich keine festen Schuhe tragen können. Auf dem Rückweg sammelte ich Gewebeband aus der Garage, eine Fliegenklatsche, die ihre besten Tage schon hinter sich hatte und den Ventilator aus dem Wohnzimmer ein.

Dann verbarkadierte ich mich im Schlafzimmer.

Ventilator an – die Erkältung war mir inzwischen egal – und Schlüsselloch und Türspalt mit Klebeband abgedichtet.

Noch ein letzter Blick aufs Handy und dann lag ich völlig entspannt auf dem Bett.

Bis etwas an meinem Ohr summte.

Ein Schauer überkam meinen ganzen Körper, aber nicht wegen der kühlen Brise.

Nachttischlampe an, großes Licht an und da sah ich sie an der Schräge sitzen: Eine Mücke!

Die Fliegenklatsche erschien mir zu klein. Ich nahm meine Zeitschrift und schlug so schnell zu, dass die Bestie ihr Ende nicht kommen sah.

Mit Genugtuung sah ich, dass ich getroffen hatte. Ein widerlicher Blutfleck klebte umrahmt von Flügeln und Beinchen an der weißen Wand. Der Versuch den Schaden mit einem Taschentuch zu beseitigen machte die Sache noch schlimmer. Da würde ich morgen einmal überpinseln müssen.

Relaxt lag ich wieder im Bett. Endlich konnte ich meine Ruhe finden.

Dann kämpfte  wieder ein Surren gegen den Ventilator an.

Vom Geräuschpegel her musste es eine Drohne sein.

Ich hörte genauer hin und spürte etwas auf meinem linken Arm. Ich schlug danach, aber gleich darauf landete die Mücke in meinem Gesicht. Inzwischen konnte ich unterscheiden, ob es sich im eine Fliege oder Mücke handelte.

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, das war die Chance dem Insekt den gar auszumachen.

Mit ganzer Kraft und der flachen Hand schlug ich mir ins Gesicht.

Im Nachhinein war dies ein Fehler gewesen. Ein wirklich schlimmer Fehler.

Ich wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, bis ich wieder klar denken konnte.

Aber das Summen war nicht verschwunden.

Mit pochendem Schädel und der Fliegenklatsche bewaffnete suchte ich die Mücke im hell erleuchteten Schlafzimmer. Ich wedelte herum, um sie aufzuscheuchen, was mir auch gelang.

Dann konnte ich mich nicht mehr halten. Jedes Mal, wenn ich glaubte, dass sich etwas im Augenwinkel bewegte, schlug ich zu.

Am meisten ärgerte mich, dass ich das Regal mit den Flakons meiner Frau zertrümmert hatte.

Völlig verschwitzt und total außer Atem sah ich mich um.

Wahrscheinlich würde den halben Tag brauchen, um alles in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Ich musste sie erwischt haben!

Dann sah ich einen leichten Schatten an der Decke.

Wie in Zeitlupe und mit einem Donnerknall, eliminierte ich die Mücke mit hasserfülltem Gesicht.

Der Spiegelschrank zeigte das Gleiche. Und das Veilchen im Gesicht.

Noch ein Fleck an der Decke.

Ob hier noch so ein Ding sein Unwesen trieb, war mir egal geworden.

Ich kramte einen Pullover aus dem Schrank und knotete mir die Ärmel um die Ohren, damit ich endlich meine Ruhe hatte.

Kaum lag ich wieder im Bett, da war ich schon eingeschlafen.

Ich träumte von einem riesigen Strahler, der die Mücken mit seinem Licht einfach verdampfen ließ.

Plötzlich wachte ich auf.

Erst konnte ich mich nicht erinnern, was letzte Nacht geschehen war. Doch dann kam die Erinnerung nach und nach wieder.

In meinem Kopf und kleinem Zeh pochte es fürchterlich. Mein Ellenbogen und Gesicht taten weh.

Ich konnte das Tageslicht leicht durch den Rollladen sehen. Folglich musste es später Vormittag sein.

Jetzt  bekam ich auch den fürchterlichen Gestank mit, der mich umgab. Mein Bett war völlig durchnässt. Im Schlafzimmer war es wärmer als in einer Sauna.

Ich tippte die Nachttischlampe an:

Der Raum war ein einziges Chaos. Der Ventilator war die Nacht heruntergefallen und hatte sich dabei selbst ausgeschaltet.

Aber das Schlimmste bemerkte ich erst zum Schluss: Ich hatte ohne Unterhose geschlafen. Und es war noch eine Mücke im Raum gewesen. Oder zwei. Oder drei.

Jedenfalls hatte ich tierische Panik davor, wenn irgendwann der Juckreiz einsetzte …

 

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