Von Daniela Seitz

Meine Probleme sind Rückenschmerzen, Hüftschmerzen, ein dicker Bauch und eine sehr komische Vorwölbung an diesem Bauch, die immer dann auftritt, wenn ich vom Sofa aufstehe. Ärztliche Untersuchungen haben keine Auffälligkeiten ergeben.

„Ach, ich liebe deinen Babybauch“, versichert mir meine bessere Hälfte immer wieder.

„Mach doch einfach Sit-Ups mit uns“, bieten meine Kinder eine Lösung an, die meine Schmerzen aber nur verschlimmern.

„Wozu einen Kopf deswegen machen. Wir haben doch alle einen Babybauch“, verharmlosen Freunde und Kollegen meine Sorgen.

Doch ich stecke in einem Gedankenkarussell fest. Wie werde ich schmerzfrei? Also stelle ich meine Ernährung um, bewege mich mehr und gehe auf volle Alkoholabstinenz. Der Erfolg stellt sich in Bezug auf eine ordentliche Gewichtsreduzierung ein.

Aber meine Symptome sind nicht nur immer noch alle miteinander da. Nein, sie haben sich sogar verschlimmert. Und zwar immer dann, wenn ich mich mit meinen Kindern durch die Sit-Ups quälte.

Ich komme mir vor, als hätte ich meinen eigenen Gedankenabfall weggeschafft, nur um anderer Leute Schmutz vor die Füße gekippt zu bekommen. Und gerade der geistige Unrat darunter macht mir zu schaffen:

„Du hast eben noch nicht genug abgenommen!“

„Du musst dir eben einfach noch mehr Mühe geben!“

„Du trinkst doch bestimmt heimlich!“

Ich habe 18 kg abgenommen. So weitermachen würde eine Essstörung nach sich ziehen. Und wie soll ich mir noch mehr Mühe geben, als die Schmerzen, die die Sit-Ups verursachen zu ignorieren? Aber die Höhe ist, mir zu unterstellen, dass ich nach Alkohol süchtig sein soll und dafür meinen Trainingserfolg riskiere. 

Ich bin gedemütigt und demotiviert. Geht es nur mir so oder können wir das am besten: andere runterziehen, um uns selbst besser zu fühlen?

Ich lasse meinen Frust bei einem guten Essen mit viel Alkohol bei einem befreundeten Ehepaar ab. Draußen scheint gerade des Himmels Fruchtblase geplatzt zu sein, so nass wie ich auf den Weg zu ihnen werde. 

„Ich habe alles getan, was man tun kann. Selbst irgendwelche Tumore oder was einem sonst so im Rücken sitzen kann, haben die Ärzte ausgeschlossen. Ich bin das absolute Vorbild in Abstinenz und Bewegung. Wieso habe ich immer noch Rückenschmerzen?“, rege ich mich auf.

Die Ehefrau lacht lauthals los, während sie mir meinen dritten Nachschlag ihres berüchtigten Currys auf den Teller packt.

„Was ist, Rieke?“, frage ich.

„Dein Teller und mein leerer Wok sprechen Bände über das Vorbild, dass du hier abgibst!“

„Das ist einmaliges Frustessen, nachdem ich bereits ordentlich abgenommen habe“, protestiere ich.

„Vielleicht bewegst du dich ja falsch? Du hast Schmerzen bei den Sit-Ups sagst du?“

„Ja genau.“

„Bei der Schwangerschaftsrückbildung hat die Hebamme immer gesagt, dass erst der Beckenboden stabilisiert werden muss, bevor man die Bauchmuskeln trainiert. Trainiert man zu früh die Bauchmuskeln schließt sich die Rektusdiastase nicht.“

„Die Rektum…was?“

„Rektusdiastase. Das ist eine Bauchmuskelspaltung. Die passiert so gut wie immer bei Schwangerschaften, aber manchmal auch bei übermäßigem Übergewicht.“

„Und ab wann hat man übermäßiges Übergewicht?“

„Das weiß ich nicht, aber deine Hüft- und Rückenschmerzen könnten passen“

„Nur mein Geschlecht nicht. Männer haben so was nicht. Nur weil meine Frau mich immer mit meinem Babybauch als Running Gag aufzieht und ihr das alle übernommen habt, habe ich noch lange nicht diese Frauenkrankheit“, wehre ich ab.

„Na eigentlich wollte ich ja auch nur sagen, dass man sich auch falsch bewegen kann!“

„Aber so verkehrt ist der Gedanke an die Bauchmuskeln vielleicht gar nicht!“, mischt sich nun Heinz, der Ehemann, ein.

„Was meinst du?“

„Weißt du noch als ich meinen Bandscheibenvorfall am Halswirbel hatte und ich mich so geärgert habe, dass der Physiotherapeut sich um meine rechte Schulter gekümmert hat, obwohl mir die linke Schulter höllisch weh tat?

„Oh ja, wir haben Pläne geschmiedet, wie man ihn am besten als Alien enttarnt, dass uns studieren statt heilen will“, erinnere ich mich schmunzelnd.

„Er hat immer davon geschwafelt, dass der Körper die Symptome spiegelverkehrt zeigt. Wenn also dein Rücken Symptome zeigt, dann wäre die Ursache in deinem Bauch zu suchen…“

„Immer vorausgesetzt, dass der Typ nicht doch ein Alien war“, lache ich mich schlapp.

****

Der Abend mit Heinz und Rieke war superentspannend. Und ich komme trockenen Fußes nach Hause. Als ich mich noch mal umdrehe, bleibe ich voll Bewunderung stehen und schieße ein Foto. Sarah, meine Frau, liebt Regenbögen. Dieser Regenbogen strahlt selbst auf dem Foto in den kräftigsten Farben.

Als ich nach Hause komme ernte ich für das Foto die gleiche Begeisterung mit der ich die alte „Heinz sein Physiotherapeut ist ein Alien Story“ erzählen möchte. Leider bleibt Sarah bei den Bauchmuskeln stecken.

„Männer können auch eine Bauchmuskelspaltung haben?“, fragt sie.

„Das hat doch keiner gesagt“, will ich von dem Thema weg.

„Aber alles andere hast du bereits ausgeschlossen. Und Heinz hält es für möglich!“

„Ja, aber…“

„Kein aber! Wir googeln jetzt!“

Also setze ich mich vor den Computer und informiere mich über die Frauenkrankheit Rektusdiastase.

Mein Rücken und auch meine Hüfte bringen mich immer noch um. Und die Lösung sollen meine Bauchmuskeln sein?

Sind wir eine Rückenschmerzgesellschaft, weil wir uns falsch um unsere Bauchmuskeln kümmern? Glaubt man alles, was man im Internet so findet, dann haben die Sit-Ups mein Problem sogar verschlimmert, weil der falsche Sport Ursache für meine Hüft- und Rückenschmerzen sein soll. Das klingt so an den Haaren herbeigezogen.

Aber ich habe keine Wahl. Meine Frau sitzt mir mit ihren Videos zur Rektusdiastaserückbildung im Nacken, die sie nach ihren Schwangerschaften durchgezogen hat. Dass stresst mich echt.

Also genehmige ich mir erst mal einen Jägermeister. Ab und an kann das nicht so schlimm sein.

Dann folge ich meiner Frau und mache Schwangerschaftsrückbildung.

Happy Wife! Happy Life!

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