Von Hope Winter

Nun geht auch noch das letzte Haus in Flammen auf. Ich lache leise, als ich die Leute panisch herumrennen sehe, in dem Versuch, ihre wenigen Habseligkeiten zu retten. Ich empfinde nicht einmal Genugtuung, als ich sie brennen sehe, obwohl die Rache meine letzte Hoffnung war, wieder zu fühlen. Die Hitze der Flammen treibt mir Schweißperlen auf die Stirn und mein Lachen wird zu einem Husten angesichts des Qualms. Vielleicht hätte ich mich nicht direkt gegenüber auf die Mauerreste setzen sollen. 

Ich höre das verzweifelte Jaulen eines Hundes, eingesperrt im Feuer und die brechende Stimme einer Frau, als sie versucht, ein kleines Mädchen -ihre Tochter?- unter glühenden Trümmern hervorzuziehen. Ein feines Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Doch in mir drin ist nichts als Leere. Selbst als ich ihre dumpfen Schritte von links auf mich zukommen höre, als sie mich packen und mir die kalte Mündung einer Pistole an die Schläfe halten, fühle ich nichts, alles bleibt stumm. Ich sehe ihre rußverschmierten Gesichter, verzerrt von dem Schmerz, einen geliebten Menschen verloren zu haben, verzerrt von dem Schmerz, den ich nur zu gut kenne. Auge um Auge, Zahn um Zahn. 

Sie schreien mich an, beleidigen mich, wollen ein Warum. Ein Warum, um verstehen zu können, um irgendwann abschließen zu können. Doch ihre Worte verschwinden in dem schwarzen Loch in mir, werden aufgesogen, bevor ich ihnen einen Sinn entlocken kann. Es macht keinen Unterschied. Sie wollen alle das Gleiche. Sie sind alle das Gleiche. Monster. Das, was Linus nie war, was ich nie hätte werden sollen. Aber ich denke, man kann seiner Natur nicht entkommen. Nicht das verleugnen, was man im Kern schon immer war. Und so habe ich keine Angst, als ich höre, wie sie die Pistole entsichern. Sie haben mir alles genommen, was ich hatte und so habe ich es mit ihnen gemacht. Gleiches mit Gleichem. 

Ich sehe den Funken Wahnsinn in ihren Augen, ein Teil von ihnen, der schon verstanden hat, dass es nur einen Ausweg von dem Schmerz gibt. Mein Lächeln wird breiter und für einen Augenblick verstehe ich die mir verzweifelt entgegen geschrienen Worte. „Du bist kein Mensch mehr, du bist ein Monster! Fühlst du denn gar nichts?“ Mein Lächeln intensiviert sich noch. „Ein Monster in der Hölle. Und ihr fragt euch, warum es brennt“, sage ich und sehe ihrem Anführer fest in die Augen. 

Der Mann mit der Pistole. Er wird ihr Held sein, gefeiert und von allen geliebt. Man wird ihm eine Statue errichten und Straßen nach ihm benennen. Und das nennen sie dann Gerechtigkeit. Er gibt ein wütendes Knurren von sich, der Wahnsinn in seinen Augen lodert auf, doch wie es ein guter Mann tut, tritt er die Flamme aus. Meine Augen tränen von den giftigen Gasen, die herüberwehen. „Ich werde dem ein Ende bereiten“, presst er hervor und verschafft sich mit einem Seitenblick zu seinen Kameraden Sicherheit. Beide nicken ihm zu und ich erkenne es in ihren Augen, in denen sich die Flammen spiegeln. Sie wollen Rache, denken, sie könnte das Loch in ihrem Herzen stopfen. 

„Ein Monster für ein Monster. Ihr kämpft einen Krieg, den ihr schon verloren habt.“ Ich lache. „Ihr ringt um einen Sieg, dabei ist er euch in dem Zeitpunkt aus den Händen geglitten, als“, ein Schuss schneidet durch mein Trommelfell und meine Stimme erstirbt. Ich sehe den Triumph in seinen Augen, als ich schwanke, mir an die blutige Schläfe fasse, ich zu Boden gehe. „Eine gnädige Strafe für eine Massenmörderin wie dich, Kleine!“ Die Welt verschwimmt vor meinen Augen und der Schmerz in meinem Kopf pocht lauter als jede Bombe, die ich gezündet und jeden Todesschrei, den ich verursacht habe. Ich zwinge mich zu einem letzten Lächeln. Dem Lächeln für den Helden, den Retter der Welt, der gerade einen Teil von sich selbst erschossen hat. 

Schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen, tun sich in Rudeln zusammen, nur, um sich dann wieder aufzuspalten. Ich denke an ihn, Linus, einen Engel zwischen Monstern, einen Engel ohne Zukunft. Ich habe keine Angst, ich fühle nichts. Mein Körper wird dorthin folgen, wo mein Geist schon lange ist. Die Schwärze der Dunkelheit scheint mich zu rufen, ich kann den Mann vor mir schon nicht mehr erkennen. Sie haben mich endlich gefasst, Zeit für ein Freudenfest. Denn wer würde schon weinen, wenn der Bösewicht stirbt?

Version 2; 25.06.2023