Von Franck Sezelli

 

»Weißt du, Stefanie, dass wir nun schon über ein Jahr in Rio leben?« Florian löste seinen Blick vom Treiben am Strand der Copacabana und drehte sich zu seiner Freundin im Hotelzimmer um. Zwölf Monate immer zusammen …

»Ja, Flori, ich erinnere mich sehr gut an das Hilton-Hotel in Wien, wo wir unser Zehnjähriges gefeiert haben.«

»Dort hast du mich überredet, bei Wollweber einzusteigen, um danach sein Schließfach bei der Bank zu leeren.« Vorher hatten wir nie gemeinsam ein Ding gedreht, immer nur einzeln oder mit anderen.

»Dieses Liebesfest in Wien war der einzigartige Beginn unseres neuen Lebens, in dem Geld für uns keine Rolle mehr spielt.« Stefanie strahlte ihren Lebensgefährten an, ging zu ihm, umarmte und küsste ihn liebevoll.

Wahrlich ein neues Leben, bestätigte Florian in Gedanken. Wir werden weltweit gesucht, Geld haben wir zum Glück genug, den Schmuck bekommen wir aber nicht los. Mit unserem Reichtum können wir nicht allzu offen umgehen. Vorher waren wir zehn Jahre zusammen, aber nicht verheiratet. Es gab auch noch Monika, Babsi und die schnuckelige Jessi 

Stefanie löste sich aus der Umarmung und schaute Florian aufmerksam an. »Ist irgendetwas? Du siehst so nachdenklich aus. Bist du nicht glücklich?«

»Aber ja doch! Ich war noch nie so glücklich! Ich liebe dich so sehr!«

Diese Worte verscheuchten die aufgekommenen beunruhigenden Gedanken der Frau, worauf sie ihren Liebsten heftig an sich drückte.

»Ich denke«, begann Florian, ihr seine Nachdenklichkeit zu erklären, »wir sollten einiges ändern.« Er ging in das zweite Zimmer ihrer Suite und kam mit der Sporttasche wieder, die er zum Fitnesstraining benutzte. Aus der Tiefe der Tasche holte er zwei Flugtickets und zeigte sie ihr.

Sie waren auf ihrer beider falsche Namen, die sie seit der Flucht aus Deutschland benutzten, ausgestellt für einen Flug nach Buenos Aires. »Die sind zwei Monate gültig und können zu einem beliebigen Datum eingesetzt werden. Ich meine, wir sind lange genug hier in Rio. Mein Gefühl sagt mir, dass es für uns kritisch werden kann. Und ihr Frauen sagt doch immer, dass man auf sein Gefühl hören soll. Vielleicht sind wir auch schon im Visier der Polizei. Wir sollten hier bald verschwinden.«

»Nach Argentinien? Da spricht man doch spanisch. Wieso hast du da jetzt angefangen, richtig Portugiesisch zu lernen?«

»Was meinst du damit, Portugiesisch zu lernen …«

»Ich habe dich doch am Schreibtisch gesehen mit dem Deutsch-Portugiesisch-Wörterbuch, wo du etwas auf einen Zettel geschrieben hast.«

»Ach so! Ein bisschen Üben schadet doch nichts.«

 

Nach einem schönen Tag mit Badevergnügen und Strandbarbesuch ging das Paar zurück ins Hotel. Stefanie war rundum glücklich, ein solches Leben war immer ihr Traum gewesen. Einzig und allein die Tatsache, dass Florian sich in ihren Augen viel zu oft nach den brasilianischen Bikini-Schönheiten umsah, trübte die Freude ein wenig. Männer sind halt so, dachte sie.

In Florian hingegen wurde der Gedanke immer drängender, dass er allein mit dem ganzen Reichtum viel freier wäre. Die glutäugigen und atemberaubenden Brasilanerinnen in ihren äußerst knappen Bikinis warfen ihm oft heiße, vielversprechende Blicke zu. Kein Wunder, hier in der Umgebung der teuersten Hotels vermuteten sie in ihm einen superreichen Yankee oder Europäer. Florian stärkte dies in dem Bewusstsein, nur noch ein Anhängsel seiner Partnerin zu sein und sich befreien zu müssen. Sein Plan stand fest.

 

»Bist du für mich noch einmal die verführerische Schwarzhaarige, die ich in Wien gar nicht gleich erkannt habe, als sie aus dem Bad kam?«

»Aber gern doch, Liebster! Für dich mache ich doch alles! Wo habe ich denn die Perücke hingetan? Ach da, in diesem Schubfach liegt sie.« Stefanie verschwand im Bad.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam eine bezaubernde Nackte wieder ins Schlafzimmer. Florian, der sich inzwischen erwartungsvoll auf das King-Size-Bett gelegt hatte, kam es wie ein Déjà-vu vor, obwohl er darauf vorbereitet war. Verführerisch ist sie ja, keine Frage, ging es ihm durch den Kopf, als sie sich zu ihm legte und sich an ihn kuschelte. Das soll für uns eine unvergessliche Nacht werden, an die wir uns gern erinnern. Ich möchte sie auf außerordentliche Art verwöhnen.

»Nicht so stürmisch, meine Liebste«, wehrte er ihre zärtliche Hand ab, die sogleich Besitz von ihm ergreifen wollte. »Ich möchte dir heute eine ganz besondere Freude machen.«

»Was hast du vor, mein Schatz?«

»Warte ab, ich muss noch etwas holen …« So nackt, wie er war, schlüpfte er aus dem Bett und ging zur Sporttasche, die von vorhin noch am Boden zwischen den Fenstern stand. Er wühlte darin herum. Stefanie konnte nicht erkennen, was er verborgen in den Händen hielt.

»Setz dich bitte auf und schließe die Augen!« Florian legte ihr vorsichtig eine Halskette um. »Du bist wunderschön!« Er war von der Wirkung des Brillanten zwischen ihren Brüsten überwältigt. Der Kristall glitzerte im Licht des Vollmondes, das durch die Vorhänge fiel, in einer Weise, wie er das noch nie gesehen hatte.

Die Frau lief zum Spiegel gegenüber den Betten und staunte: »Das ist wirklich wunderschön!« Aber dann veränderte sich ihr Geschichtsausdruck und sie rief erschrocken: »Das ist doch die Goldkette, die auf dem Fahndungsplakat abgebildet ist, das wir auf dem Postamt gesehen haben. Den Schmuck wollten wir doch gut versteckt halten, das ist zu gefährlich!«

»Keine Sorge! Den sehen hier doch nur wir. Morgen schaffe ich ihn wieder weg. Nimm schon mal den Gepäckschließfachschlüssel!« Er legte den Schlüssel mit der Nummer 6B314 auf den Nachttisch. »Ich habe noch etwas mitgebracht. Du sollst doch auch einmal deine Freude an dem schönen Schmuck haben.«

Florian zauberte einen Rubin hervor, den er sogleich in ihren Nabel platzierte. »Warte, halt still, Liebste! Ich habe hier einen Spezialhautkleber, mit dem ich ihn befestigen kann.«

»Wo hast du denn den her?«

»Aus einem Laden für Karnevalsbedarf, offenbar für die Sambatänzerinnen. Brauchst keine Angst zu haben, in dieser kleinen Flasche ist der passende Klebstofflöser.«

Stefanie drehte sich vor dem Spiegel. Es gefiel ihr, was sie sah. Heftig umarmte sie ihren Liebsten und küsste ihn. »Das ist wirklich eine tolle Überraschung!«

»Warte, komm ins Bett, das ist noch nicht alles. Leg‘ dich hin und entspanne dich, ich möchte deine Schönheit bewundern und feiern.«

Florian beugte sich über sie, gab ihr einen Kuss, in dem sich ihre Zungen leidenschaftlich begrüßten. Dann umfuhr er mit seinen Lippen die schönen weiblichen Hügel, neckte deren Spitzen zart mit den Zähnen, nahm die Brillantkette beiseite, um das Tal zwischen den Brüsten zu küssen und glitt dann weiter hinab. Den leuchtend roten Stein im Nabel umrundete er und erfreute sich dann an dem goldenen Vlies darunter. Seine Finger spielten mit den Löckchen, während er flüsterte: »Hierfür habe ich auch noch etwas Passendes gefunden. Diese Schmetterlingsbrosche mit den Diamantsplittern werde ich hier einflechten. Die Nadel habe ich in Hartgummi eingebettet und unschädlich gemacht, es kann nichts passieren.« Die Finger kitzelten den Venushügel, während er geschickt die Brosche befestigte.

»Nun zeig‘ dich mir ganz, Liebste!« Sacht drückte er die Schenkel auseinander und senkte seinen Mund küssend auf die Lippen, die sich unter zärtlichen Liebkosungen bald öffneten. »Was machst du nur, Liebster? Oh, oh, hör nicht auf!«

»Ach, welch göttlicher Anblick! Nun habe ich hier zwei Paare von Schmetterlingsflügeln übereinander. Schade, dass du das nicht sehen kannst.« Mit Lippen und Zunge erwies der Liebhaber der weiblichen Pracht seine Bewunderung, sodass er bald nur noch lustvolles Stöhnen hörte …

Dabei blieb es nicht, das Paar genoss die körperlichen Freuden, die Mann und Frau gegeben sind, voller Wonne und konnte nicht voneinander lassen, bis beide fest eingeschlafen waren.

 

Stefanie schreckte von heftigem Pochen auf. Florian lag nicht neben ihr. Da flog auch schon die Tür mit großem Krach auf und rings um ihr Bett standen drei bedrohlich wirkende Männer in Uniform.

Die erschrockene Frau saß aufrecht im Bett, die Zudecke bis zum Kinn hochgezogen. Da drängte sich eine Uniformierte resolut zwischen zwei der Polizisten durch und riss Stefanie mit einem Ruck die Bettdecke zur großen Freude ihrer Kollegen vom Körper. Voller Schadenfreude zeigte sie auf die drei Preziosen, die den nackten Körper der Verdächtigen schmückten. Sie rief ein paar Befehle, die Stefanie zwar nicht wörtlich verstand, aber gut zu deuten wusste.

 

Der Comandante der Polizeistation war sehr zufrieden mit sich, es war die richtige Entscheidung gewesen, sogleich einen Trupp loszuschicken, nachdem er die Nachricht erhalten hatte. Ein kleiner Junge hatte einen Zettel für den Revierchef an der Pforte abgegeben auf dem er las:

In connection with a bank robbery in Hamburg, Germany

Naked woman with jewellery from the wanted poster

at the Copacabana Palace Hotel, room 333

 

Por causa de um assalto a um banco em Hamburgo, Alemanha

Mulher nua com jóias do cartaz de procurado

no Hotel Copacabana Palace, quarto 333

 

Weiterer Schmuck und Geld fanden sich im Hotelzimmer nicht, nur ein Schlüssel zu einem Gepäckschließfach. Das aber war leer, nur ein Flugticket nach Buenos Aires, ausgestellt auf die Verdächtige, war darin. Offenbar sollte sie dem Komplizen nachfolgen, der aber nirgends zu finden war – auch nicht in den Flugzeugen nach Argentinien.

 

Zum Zeitpunkt, als die brasilianischen Polizisten das Schließfach 6B314 öffneten, lehnte sich Florian zufrieden in seinem Sessel in der Business Class zurück und blickte auf die blauen Wellen des Südatlantik. In wenigen Stunden würde er in Johannesburg sein.

 

 

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