Von Martina Zimmermann

„Mir geht es gut, was will ich mehr“? Uli lächelt und legt seine Füße auf den kleinen schäbigen Wohnzimmertisch. Seine dreckigen Boots und die abgewetzten Jeans hatten schon bessere Tage gesehen, genauso wie sein Karohemd. „Warum soll ich arbeiten gehen? Du hast vielleicht Ideen.

Sehe ich so aus, als wenn ich mir einen Wecker stellen würde, nur um morgens pünktlich auf der Arbeit zu stehen und mir den Tag zu versauen? Ich habe alles, und das,was ich nicht habe, das besorge ich mir. Ich dachte, du weißt das?“

Was für ein Waschlappen. Hannes dachte wirklich, er könnte mir einen Gefallen tun und mich bei sich in der Firma unterbringen. Das ich nicht lache, ich und arbeiten ? Das glaubt er doch wohl selber nicht. Wie fassungslos er mich angesehen hat. Ich glaube, er kennt mich nicht wirklich. Jetzt habe ich ihn vergrault. Soll er gehen, ich brauche ihn nicht. Überhaupt brauche ich niemanden. Bislang kam ich immer gut alleine zurecht. Sollen die anderen arbeiten gehen und ihr Einkommen verdienen, ich bediene mich dann bei ihnen.

 

Uli lächelte gefällig. In Gedanken war er schon bei seinem nächsten Projekt. 

So ein großes TV Gerät, könnte mir noch gefallen und ich weiß auch schon woher ich eins bekomme. Diese fleißigen Leute, arbeiten den ganzen Tag um sich Dinge erlauben zu können, doch was haben sie davon? Im Grunde genommen sind sie ja nie Zuhause und abends sind sie zu müde vom ganzen schuften. Dann haben sie nicht einmal Spaß daran. Was für ein Hohn. Sie wollen es doch nicht anders und ich glaube im Grunde genommen merken sie nicht einmal, wenn etwas fehlt. Dazu sind sie doch viel zu beschäftigt. In Gedanken malt er sich seinen Pan aus.

So bekloppt könnte ich nie sein. Wo ist der Sinn? Ich verstehe ihn nicht?

Es ist wohl eine Lebenseinstellung, vermutet er.

Für heute muss ich mir noch etwas Geld organisieren, ich muss noch einkaufen, überlegt er sich. Dann nimmt er seine Jacke um seine Wohnung zu verlassen. 

Wie schön, die Stadt ist voll, dass Wetter gut. Dann haben die Menschen Lust auf Shoppen. Ich werde mich wie immer mitten ins Getümmel wagen und routiniert die Geldbörsen schnappen, die leicht zu bekommen sind. Die Menschen sind so blöd und einfältig. 

Heute habe ich einen neuen Rekord aufgestellt, lobt Uli sich selber.  Keine fünf Minuten und ich habe gleich zwei Geldbörsen in der Tasche. Aufgeregt schaut er in einer kleinen Seitenstraße nach. Super, gleich mehrere Hundert Euro, das hat sich gelohnt!

 

Uli beseitigt die Portemonnaies im nächsten Mülleimer. Karten und andere Utensilien interessieren ihn dabei nicht. Er möchte sich nicht mit diesen Dingen belasten. Außerdem kennt er sich nicht so sehr damit aus. 

Hinterher bekommen die mich noch zu fassen, weil ich an so einem Geldautomaten stehe, das  Risiko gehe ich nicht ein. Warum soll ich das tun? Das Geld liegt auf der Straße und so ist das Risiko minimal. Jedenfalls für mich, ich weiß, wie ich es anstelle.

 

Gut gelaunt geht er in den nächsten Supermarkt. Er kauft ein, was sein Herz begehrt, auf Preise muss er nicht achten, sein Budget ist groß. Dann läuft er mit vollen Taschen nach Hause. Heute Abend werde ich etwas Leckeres kochen und morgen, kommt dann der große Fernseher dran.

Er genießt den Abend. 

Nachdem Uli gut gespeist hatte, und auch vom leckeren Wein, mehr als ihm gut tat, getrunken hatte, war er in seinen wohl verdienten Schlaf gefallen. 

 

Uli reckt und streckt sich. Der Morgen ist da, beziehungsweise ist schon fast Mittag, aber wen interessiert das schon? Erstmal Frühstück, nichts geht doch über einen guten Kaffee und ein reichhaltiges Frühstück, stellt Uli fest. Genussvoll beißt er in sein Brot, schlürft seinen Kaffee und lässt sich durch nichts stressen. Dann beschließt er sich frisch zu machen und so langsam in seinen Tag zu starten. Wenn ich zu spät dran bin, dann sind wo möglich die ersten Leute wieder von der Arbeit zu Hause?, überlegt er sich und dann beeilt er sich doch. Ich möchte für heute den Fernseher unbedingt haben. Das Länderspiel heute Abend, wäre doch zu schade, wenn ich es nicht auf dem großen Flatscreen schauen könnte. Dazu einen schönen Wein. In Gedanken sitzt er schon vor dem großen Gerät und genießt den Abend. Ich muss mich sputen, außerdem muss ich mir noch den Bulli von Max von nebenan ausleihen. Wie soll ich das Gerät sonst transportierten?

Schnell läuft er aus dem Haus um bei seinem Nachbarn zu klingeln. Hoffentlich ist er schon auf? Als er mehrmals die Klingel betätigt hat, vernimmt er Geräusche und kurz darauf steht Max verschlafen vor ihm. „Kann ich deinen Bulli ausleihen?“, du bekommst ihn in einer Stunde zurück?“ Max nickt, dreht sich um und überreicht den Schlüssel, nachdem er diesen vom Schlüsselbrett genommen hat, an Uli. „Danke dir, bis gleich“, ruft er noch bevor sich die Tür schließt. 

Das hat ja schnell geklappt, gut wenn man gute Nachbarn hat, denkt sich Uli und schwingt sich auf den Fahrersitz. Er startet in Motor und fährt in die Wohngegend, die seiner in nichts gleicht. Hier sind die Häuser wunderschön gepflegt. Alles ist so sauber und auch die Vorgärten sind tip top in Ordnung. „Ich sag ja immer, was haben die davon? Die arbeiten doch den ganzen Tag, ist doch nur für die anderen. Aber ich habe auch etwas davon. Danke, ihr lieben, fleißigen Leute. Ich werde noch an euch denken, wenn ich abends vor meinem großen Fernseher sitze.“

Uli lacht vor sich hin. „Das wird mein Tag, ich habe es im Gefühl“, sagt er zu sich selber, als er den Bulli in der kleinen Seitenstraße parkt. „Gleich hier, das Haus daneben, es bietet sich an. Dann brauche ich den TV nicht so weit zu tragen und falle nicht auf.“ 

Er verlässt das Auto und steigt über den angrenzenden Zaun auf das Grundstück. Während er sich zum Hintereingang bewegt, fällt ihm auch hier, der wunderbar gepflegte Garten auf. Schön bescheuert, denkt er sich erneut, während er gekonnt die Hintertür aufbricht. Es knackt nur kurz, dann springt die Tür auf. Uli ist geübt und so eine Terrassentür stellt für ihn kein Hindernis dar.

Nach einigen Minuten hat er sich einen Überblick verschafft. Routiniert durchsucht er schnell einige Schubladen und steckt alles, was wertvoll ist, in eine Umhängetasche, die er mitgebracht hat.

Dann geht er zum Fernseher. Er strahlt, aber macht sich zeitgleich etwas Sorgen, ihn auch alleine in den Bulli zu bekommen. „Da bist du ja, du Prachtstück.“ Uli zieht das Kabel und greift sich das Gerät. „Man, ist das unhandlich,“ stöhnt Uli, aber es gelingt ihm das Gerät aus dem Haus in den Bulli zu schaffen. Dort angekommen bedeckt er es mit einer Decke und fixiert das Gerät. 

Ich glaube, ich gehe noch einmal in das Haus. Es gab noch einige Handys und der Laptop auf der Anrichte, den kann ich eigentlich nicht liegen lassen. Gesagt, getan. Uli schleicht sich erneut in das Haus um sich die Dinge noch zu nehmen, die ihn interessieren. Gerade als er alles eingepackt hat und sich umdreht, sieht er zwei Männer vor sich. 

„Was ist hier los? Was tun Sie da?“, fragt einer der Männer. „Ich, ich, passe das Haus auf“, erklärt Uli stotternd. „Das glaubst du wohl selber nicht“, stellt der andere Mann fest. 

Uli rinnen Schweißperlen von der Stirn. Was kommt jetzt? Was kann ich tun? Fieberhaft sucht er  nach einem Ausweg, aber die beiden stehen direkt vor ihm und es gibt kein  Entkommen.

„ Was machen wir mit dir?, fragt der eine. „Wieso? Was meinen Sie?“, fragt Uli. „Lassen Sie mich gehen, ich habe wirklich nichts getan“, beteuert er und in diesem Moment sieht er sich schon gedanklich im Gefängnis. Warum musste ich noch einmal ins Haus? Ich konnte den Hals nicht voll genug bekommen, ist ja typisch, straft er sich selber in Gedanken, als er schweißgebadet hoch schaut und beide Männer lachend vor sich sieht.

Zuerst begreift er nicht was das soll, dann sagt der eine Mann. „Beruhige dich, wir sind genau wie du hier eingestiegen. So etwas haben wir auch noch nie erlebt. Wir brechen ein und treffen auf einen Einbrecher.“ Wieder schütteln sich beide Männer vor Lachen. Uli brauchte noch einen Moment, bis er begreift, dann lacht er lauthals mit. 

„Wisst ihr was, ich habe den großen Fernseher im Auto, wie wäre es, wenn wir uns zusammen bei mir einen schönen Abend machen? Ich besorge noch was nettes zu Essen und zu trinken und damit entschädige ich euch. Was haltet ihr davon?“

Die beiden schauten sich an und dann schlagen sie ein. Uli fährt mit seiner Beute davon und bereitet alles vor. Er kann es nicht glauben, so etwas ist ihm auch noch nicht passiert, aber warum sollte man sich nicht mit Gleichgesinnten zusammen tun?“

An diesem Abend schauen die drei Männer zusammen Fußball bei ihm. Sie verstehen sich bestens und alle sind sich einig. „Ich bin so froh, dass es noch Menschen wie euch gibt“, stellt Uli zufrieden fest und erhebt darauf sein Glas. „Prost.“