Von Paul Pietsch

Zufrieden lehnt sich Hendrik Jäger zurück und schaut auf die Bildschirme vor ihm. Aus irgendeinem ihm unbegreiflichen Grund, findet die Konferenz in einem Hotel statt, dass sich in einem alten Bunker befindet. Ihm soll es recht sein. Dadurch wird alles etwas leichter.

Auf einem Bildschirm beobachtet er wie sich Dr. Chen Ji gerade mit einer Escortdame vergnügt. Der Milliardär Dennis Yung liegt auf dem Bett eines anderen Hotelzimmers, hat eine Flasche billigen Whiskey in der Hand und schaut sich Reality TV an. Die Präsidentin von Brasilien Eduarda de Salva sitzt geschäftig telefonierend auf ihrem Bett. Während Hendrik sie beobachtet, steht die Präsidentin auf und tigert in ihrem Zimmer umher. Auf dem nächsten Bildschirm kann er Svenja Paeblo, die Beschützerin der brasilianischen Präsidentin, die ihren Beruf scheinbar nicht allzu ernst nimmt, und Hannah Bergmann, eine Holzmagnatin, beobachten. Die beiden versuchen es zu verheimlichen, aber Hendrik weiß, dass sie ein Paar sind. Noch hat er die Mikrophone ausgeschaltet und kann das Gespräch deswegen nicht belauschen. Aber anhand der Mimik und Gestik schließt Hendrik, dass sich die beiden streiten. Alle anderen Bildschirme sind schwarz, weil die anderen Teilnehmer der jährlichen Holzindustrie – Konferenz bereits schlafen.

Er atmet noch einmal tief durch, bevor er auf den ersten Knopf drückt. Angespannt beobachtet er, wie sich alle Zimmertüren des ehemaligen Bunkers verriegeln. Keiner der Konferenzteilnehmer hat mitbekommen, was passiert ist und ahnt, in welcher Gefahr sie schweben. Das wird sich jetzt ändern. Entschlossen drückt Hendrik auf den nächsten Knopf und beobachtet ohne jegliche Genugtuung, wie der Brandsatz im Zimmer der noch immer telefonieren brasilianischen Präsidentin explodiert. Hendrik wartet ab, bis die Schreie der Präsidentin verstummen, bis er die Mikrophone einschaltet. Dennis Yung, der das Zimmer direkt neben Eduarda de Salva hat, hat die Detonation offensichtlich gehört. Kurz schaltet er den Fernseher etwas leiser und lauscht. Als er nichts weiter hört, zuckt er mit den Schultern und schaltet die Sendung wieder lauter. Während Hendrik die Sprinkleranlage für das Zimmer der Präsidentin aktiviert, beobachtet er, wie Svenja Paeblo einen Anruf bekommt.. Mit einem freundlichen „Ja?“ nimmt sie das Gespräch entgegen.

„Was?!“

„Sind Sie sich sicher?“

„Was ist passiert?“, fragt Bergmann flüsternd. Noch immer telefonierend stürzt Paeblo zur Tür. Sie öffnet sich nicht.

„Gib mir mal die Zimmerkarte“, befiehlt Paeblo, während sie das Mikro des Handys abdeckt. Bergmann reagiert sofort. Aber auch mit der Karte lässt sich die Tür nicht öffnen.

„Was ist hier los?“, fragt die Beschützerin der Präsidentin verzweifelt. Mit einem „Ich melde mich später“ beendet sie das Telefonat und rüttelt weiter verzweifelt an der Tür. Aber vergebens.

„Was ist passiert?“, hakt Bergmann nach.

„Svenja? Schatz?“ Bergmann tritt auf sie zu und nimmt sie sanft in den Arm.

„Beruhig dich. Erzähl mir erst einmal, was passiert ist.“

„Die Präsidentin ist tot. Ich habe versagt. Ich hätte sie beschützen sollen. Ich bin eine furchtbare Beschützerin.“

Hendrik entscheidet, dass das der richtige Moment ist, um sich selbst ins Spiel zu bringen.

„Guten Abend, meine Damen und Herrin“, spricht er in das Mikrophon auf seinem Tisch, „Ich hoffe Sie haben sich bis jetzt vergnügt, denn der restliche Abend wird Ihnen nicht gefallen.“ Vergnügt beobachtet er die verwirrten Gesichter der Konferenzteilnehmer.

„Wer ist das?“

„Um die Frage der netten Escortdame, die gerade das Bett mit Herrn Ji teilt, zu beantworten, mein Name ist Hendrik Jäger. Aber das ist völlig egal, weil mich niemand von Ihnen kennt.“

„Er kann uns hören.“

„Ja, Frau Paeblo. Ich höre und sehe Sie alle.“ Amüsiert beobachtet er, wie die Escortdame ihre Blöße mit den Händen bedeckt.

„Was wollen Sie?“

„Eine gute Frage, Herr Yung. Ich möchte Ihnen zeigen, was die Beschlüsse dieser Konferenz für Auswirkungen haben.“

„Was für Auswirkungen?“, fragt Bergmann Paeblo besorgt.

„Vielleicht haben Sie schon gehört, dass die Frau de Salva vor wenigen Minuten gestorben ist.“ Entsetzen breitet sich bei allen aus, was nach wenigen Augenblicken in Angst umschlägt.

„Sie ist verbrannt. So wie all die wunderbaren Tiere, die wegen Ihrem Verlangen nach Reichtum bei Brandrodungen ihr Leben verlieren. Heute Abend werde ich Ihnen die Ängste der Tiere nahebringen. Sie können Ihren natürlichen Lebensraum, also Ihr Hotelzimmer, nicht verlassen. In jedem Ihrer Zimmer ist ein Brandsatz versteckt, der jederzeit von mir gezündet werden kann. Sie brauchen den Sprengsatz nicht zu suchen, Frau Paeblo. Sobald Sie in ihm nahekommen, werde ich ihn auslösen.“

„Sind Sie verrückt?“, brüllt Yung aufgebracht und schwingt sich aus seinem Bett. „Lassen sie mich sofort hier raus!“

„Nein, Herr Yung. Niemand von Ihnen wird heute Abend sein Hotelzimmer verlassen. Ich möchte Ihnen einfach zeigen, wie sich die Tiere fühlen, wenn Sie mal wieder beschließen, dass mehrere Quadratkilometer Urwald gerodet werden müssen.“

„Herr Jäger. Ihr Spielchen hat nur einen Haken. Die Tiere wissen normalerweise nicht, dass sie in naher Zukunft sterben werden“, versucht Yung ihn zu verunsichern.

„Das macht es noch schlimmer. Stellen Sie sich vor, ich hätte Ihnen nichts gesagt und Sie wären einfach irgendwann in ihrem fleckigen Unterhemd und der löchrigen Unterhose mit billigem Whiskey in der Hand verbrannt. Hätte Ihnen das besser gefallen?“

Der Milliardär läuft vor Wut rot an. Er stapft durch das Zimmer, schnappt sich den Nachttisch und versucht, ihn gegen die Tür zu werfen und sie damit aufzubrechen. Aber so weit lässt es Hendrik nicht kommen. Ohne zu zögern zündet er den Brandsatz. Alle anderen Konferenzteilnehmer hören die Explosion und halten kurz inne.

„Sie Monster“, brüllt die Escortdame. hysterisch, „Lassen Sie mich hier sofort raus. Ich habe mit Ihrem ganzen Tier-Scheiß nichts zu tun..“ Mittlerweile hat sie sich wieder etwas angezogen, was ihre Reize aber nur bedingt bedeckt. Ji sitzt währenddessen wie erstarrt auf dem Bett. Hendrik ignoriert die beiden und beobachtet stattdessen Bergmann und Paeblo, die schon seit geraumer Zeit miteinander tuscheln. Amüsiert beobachtet er, wie sie verzweifelt nach einem Fluchtweg suchen. Hendrik weiß, dass es keinen gibt. Er hat alle Eventualitäten bedacht. Es kann nicht schiefgehen. Trotzdem ist er gespannt, was die beiden aushecken.

„Herr Jäger, Ihr Plan hat eine Schwachstelle“, spricht Paeblo ihn schließlich direkt an. Währenddessen zieht sich Bergmann in das kleine Badezimmer zurück. „Wenn Sie uns alle töten, kann niemand Ihre Botschaft an die Außenwelt tragen. Die Konferenz wird wieder stattfinden. Unsere Nachfolger werden genauso habgierig sein wie wir und die gleichen Beschlüsse tätigen. Es wird sich nichts ändern und Sie sind völlig grundlos zum Massenmörder geworden.“ Jäger grinst.

„Ach, Frau Paeblo. Natürlich habe ich auch das bedacht. Alle Bilder, die ich hier vor mir sehe, werden gerade live im Internet übertragen. Sie sind gerade das Abendprogramm von Tausenden Menschen, die meiner Botschaft alle beiwohnen.“

Die Escortdame hört auf hysterisch schreiend herumzulaufen. Stattdessen stellt sie sich jetzt mitten in den Raum und brüllt: „ Freddie, es tut mir leid. Ich weiß, dass ich versprochen habe damit aufzuhören. Dass es nur noch uns beide gibt. Es tut mir wirklich leid. Ich liebe dich doch. Wenn das alles vorbei ist, werde ich wirklich damit aufhören. Bitte komm und rette mich. Bitte Freddie. Bitte, rette mich.“ Unter Tränen bettelt sie weiter um Rettung. Genervt verdreht Hendrik die Augen und zündet den Brandsatz. Nach wenigen Minuten verstummt die Escortdame endlich, die nur kurzzeitig von den Todesschreien von Li übertönt wurde.

Bergmann kommt wieder aus dem Badezimmer und nickt Paeblo zu.

„Haben Sie die Polizei erreicht, Frau Bergmann?“, fragt Hendrik. Ertappt blicken sich die beiden an. Man kann ihnen förmlich ansehen, wie die Panik wieder von ihnen Besitz ergreift, die kurzzeitig durch die Hoffnung der Rettung durch die Polizei niedergerungen wurde.

„Haben Sie wirklich gedacht, dass ich mit so etwas Offensichtlichem nicht rechne?. Die Polizei kommt nicht ins Haus, weil alle Zugänge verriegelt sind. Sie brauchen sich also keine Hoffnung zu machen.“

Kraftlos lässt sich Paeblo auf das Bett fallen. Bergmann setzt sich neben sie und nimmt sie in den Arm. Paeblo drückt den Arm weg.

„Lass das. Mein Mann kann uns sehen.“

„Ist doch egal. Wir werden das Ganze sowieso nicht überleben. Da können wir unsere Liebe auch zeigen.“ Nach kurzem Zögern lässt Paeblo ihren Kopf auf Bergmanns Schultern sinken. Beide schauen schweigend die Wand an. Gerade als es Hendrik zu langweilig wird, fragt Bergmann noch einmal: „Ich weiß, wir haben da nie drüber gesprochen. Aber ich muss es wissen. Auch wenn es mich verletzen wird. Liebst du mich? Bin ich für dich nur ein netter Zeitvertreib oder hätte das mit uns eine Zukunft gehabt?“

„Echt? Das fragst du mich jetzt? In so einem Moment. Wir sterben gleich und du fragst mich, ob ich dich liebe?“ Bergmann nickt nur. Paeblo setzt sich auf, nimmt Bergmanns Kopf zwischen die Hände und gibt ihr einen liebevollen Kuss.

„Ich mag dich. Es hat echt Spaß mit dir gemacht. Aber ich habe eine Familie, zu der ich immer wieder zurückkehren werde. Tut mir leid, wenn du dir mehr erhofft hast.“ Bergmann nickt stumm mit Tränen in den Augen und lässt es zu, dass Paeblo sie tröstend in den Arm nimmt.

„Ah. Das ist ja traurig. Was halten Sie davon, wenn ich Sie von Ihrem Elend erlöse, Frau Bergmann?“ Erschrocken lösen sich die beiden voneinander.

„Nein, warten Sie“, schafft Bergmann noch zu sagen, bevor der Brandsatz explodiert. Hendrik wartet nicht, bis die beiden ihren Todeskampf beendet haben, bevor er alle restlichen Brandsätze zündet. Er ist sich bewusst, dass er mit dieser Aktion nicht die Welt retten wird. Wahrscheinlich wird man ihn nur als Ökoterrorist abstempeln. Ihm war nur wichtig, dass er die Leute zum Nachdenken anregt.