Von Susanne Rzymbowski

Eugenie arbeitete in einer Versicherung im mittleren Angestelltenverhältnis. Sie verfügte über ein ausgeprägtes Zahlenverständnis und konnte in kürzester Zeit selbst die kniffeligsten Pivot-Tabellen mit Leben füllen. Dank ihres Aufgabenbereichs hat sie mit den Jahren einen außerordentlichen Blick für Zahlen entwickelt. Und entsprechend ging sie das Thema Einkaufen an. Ja, sie zeigte dem Kommerz die Zähne!

Gerne studierte sie täglich die Sonderaktionen der Kaufhäuser und Supermärkte und verglich die Rabatte mit der dazu benötigten Akribie. Kein Schnäppchen, was sie nicht entdeckte!

Ja, sie kannte sich wirklich aus.

Gezielt waren ihre Einkäufe, und kein Weg war ihr zu weit, denn schließlich lebte sie von den damit verbundenen Einsparungen und erfreute sich mit glänzenden Augen an ihrem Ersparten.

 

Mit Vorliebe suchte sie aber auch Fachgeschäfte auf und genoss es, sich stundenlang bei der einen oder anderen Tasse Kaffee beraten zu lassen, um dann mit einem Augenrollen: „Da muss ich noch eine Nacht drüber schlafen.“, das Feld zu räumen. Denn nun wartete erst die richtige Arbeit auf sie!

Nächtelang googelte sie sich durch die Internet-Sortimente und verglich alle Angebote mit einer Genauigkeit, die sie in kleinen Kladden fixierte. Nein, ihr konnte so schnell niemand mehr etwas vormachen!

Selbst ihren Friseur mied sie seit Neuestem, hatte sie doch eine Kette entdeckt, die für sage und schreibe 5 EUR einen Haarschnitt anbot! Und auch der Bäcker von nebenan konnte ihr gestohlen bleiben, denn schließlich gab es jetzt die Brötchen in Selbstbedienung frisch gebacken in jedem Supermarkt zum halben Preis. Metzgereien mied sie förmlich, und Obst und Gemüse kaufte sie erst kurz vor Wochenmarktschluss, wenn alles zum halben Preis angepriesen wurde.

Das musste man sich mal vorstellen, was die sich so in die Taschen wirtschafteten!

Und in Boutiquen ging Eugenie längst nicht mehr, schließlich konnte man alles per Mausklick ergattern, ersparte sich unnötige Lauferei und hatte obendrein noch die Möglichkeit, die Sachen nach einiger Zeit wieder zurückzusenden. Kostenlos natürlich, man war ja schließlich Kunde!

So bestellte Eugenie sich ab und an etwas, soweit sie etwas zu besonderen Anlässen benötigte und entledigte sich kurz darauf wieder, da diese doch zu selten. Mussten Reparaturen vorgenommen werden, beauftragte sie mit Vorzug Migranten, denn denen musste man ja mal unter die Arme greifen. Zudem waren diese deutlich günstiger in ihren Preisvorstellungen, und Beanstandungen wurden kommentarlos erledigt. Hier konnte man wirklich noch mitreden!

Ein Auto fuhr Eugenie nicht, umweltbewusst wie sie nun einmal war, denn die Bahn hatte zudem den Vorzug, bei Verspätungen auf Ersatz verklagt zu werden.

Darauf war Eugenie mittlerweile spezialisiert. Sie kannte sich aus mit ihren Rechten! Nichts, was sie nicht wieder zum Umtausch brachte.

Auch ihre Urlaube – mühselig in den Portalen gesucht – ließen doch häufig zu wünschen übrig, so dass sie mittlerweile dazu übergegangen war, bereits einen Beschwerdebrief vor Antritt zu formulieren, um sich auch rechtzeitig ihr sauer verdientes Geld rückerstatten zu lassen.

Eugenie war einfach vorbildlich in ihrem Wesen, und so sozial wie sie eingestellt war, versäumte sie trotz der geringen Zeit, die ihr blieb, keine Demonstration, wenn es darum ging für eine Lohnerhöhung des kleinen Bürgers zu kämpfen!

Auch war sie ehrenamtlich engagiert und ging mit Inbrunst auf die Straßen für mehr Menschlichkeit und scheute sich nicht, die rarer gewordenen Geschäftsleute um eine Spende zu bitten.

Man weiß ja schließlich, dass alle in die Steueroasen abgewandert sind!

Wo sollte das schließlich noch alles hinführen?