Von Michelle Schrand
Ich schließe die Augen und was ich oft sehe ist vergessenes. Alte Sachen, die man eigentlich schon längst hätte verdrängen sollen. Menschen, aus einem früheren Leben, die nichts mehr in der Gegenwart zu suchen haben. Doch sie sind noch da. Und das alles nur, weil die Vergangenheit oftmals Spuren hinterlässt. Spuren auf der Seele. Ich weiß noch genau, wie alles damals war. Manchmal, da habe ich noch den Geruch von einem bestimmten Moment in der Nase. Ich schmecke etwas, was mich an früher erinnert. Ja, die Spuren sind überall. Sie sind verteilt im Sand. Verteilt im Meer. Selbst im Wald sind diese Spuren zu finden. Nicht für jeden sichtbar, aber dennoch da. Und sie werden nie verblassen oder mich je verlassen. Wenn ich an den Kindergarten denke, denke ich automatisch an Felix, meinen ersten Schwarm. Direkt geht mein Gedanke weiter an den Moment, wo ich es meiner Mutter erzählte und wo sie ihre Hand auf meinen Bauch legte und meinte: „Ich spüre die Schmetterlinge“. Solche Erinnerungen lassen einen heute schmunzeln. Heute, wo man weiß, wie sich echte Liebe anfühlt. Doch natürlich gibt es nicht nur positive Erinnerungen aus der Vergangenheit. Auch traurige Geschehnisse können Spuren hinterlassen. Oder traumatische Momente. Diese sind die Schlimmsten. Meistens sind solche Momente die, wo ein geliebter Mensch verstirbt und man für immer Abschied nehmen muss – ob man nun will oder nicht. Aber es gibt auch Momente, wo man sich anders von Personen aus seinem Leben verabschieden muss. Einige Verabschiedungen halten bis in alle Ewigkeit, da man sich wünscht, noch immer Kontakt zu der Person zu haben. So geht es mir mit jemand ganz bestimmten. Sein Name ist Angelo und selbst jetzt, wo ich über drei Jahre in einer Beziehung bin frage ich mich, wie es wohl hätte verlaufen können, wenn wir damals nicht so feige gewesen wären und uns unsere Gefühle einfach eingestanden hätten. Er hatte mich geliebt und ich ihn. Diese Spur der Vergangenheit wird mich mein Leben lang begleiten. Und warum? Weil ein Teil von mir ihn noch immer liebt. Und es auch immer tun wird. Ja, Angelo ist meine erste große Liebe gewesen, vielleicht sogar auch meine wahre Liebe. Doch ich hatte es verbockt. So, wie ich oft Sachen verbocke. Auch meine Taten hinterlassen Spuren. Für viele ebenfalls Spuren der Vergangenheit. Doch wie wollen oder können wir es ändern, dass wir so oft an die Vergangenheit denken? Können wir es überhaupt ändern? Oder bleibt es wirklich immer, stets und ständig, ein Teil von uns? Bleibt es in unseren Köpfen und in unseren Herzen erhalten oder bekommen wir je die Gelegenheit, es einfach auszusortieren, so wie unseren Kleiderschrank? Werden wir jemals neu, ganz neu ohne irgendwelche Erinnerungen, anfangen können? Ich bezweifle es leider sehr. Die Vergangenheit ist ein Teil von uns und die Spuren derer werden nie verblassen. Alles hält bis in die Ewigkeit.