Monika Heil

Ja ich weiß, ich war scharf auf sie. Kann man das so sagen? Keine Ahnung. Aber genau dieses Gefühl überkam mich bei Isabells Anblick immer wieder. Ich empfand es schrecklich und schön zugleich, war sie doch die Frau meines Nachbarn. Das heißt, absolut tabu für mich. Mir ist bis heute nicht klar, warum ich tat, was ich tat.

 

Gero von Oppenheim war mein guter Freund und Nachbar. Ich habe seine Hochzeit mit Isabell von Schöningen mitgefeiert. Alles war prima. Bis er in diesen vermaledeiten Kampf um die Burg Trifels zog. Hatte er nicht genug Ländereien? Wollte er eine weitere Burg sein Eigen nennen? Oder ging es wieder nur um das verdammte Schwert? Ich kann diese Leidenschaft nicht nachvollziehen. Hofft er tatsächlich noch immer, das berühmte Excalibur zu finden, das Richard Löwenherz angeblich versteckt hat? Es ist lachhaft, aber dieser Narr fällt auf jede Sage herein, sofern eine Waffe darin eine Rolle spielt. Bei unserem letzten gemeinsamen Mahle vor seiner Abreise versprach ich ihm, während seiner Abwesenheit auch auf seiner Burg ab und zu nach dem Rechten zu sehen. Hätte ich das doch nie versprochen!

 

Wenn ich es mir heute überlege, hatte Matilda an allem Schuld, Isabells Kammerzofe, Köchin, Hausangestellte. Sie war unter anderem zuständig für deren Kleider, Frisuren und Schmuck. Erst fiel es mir gar nicht auf. Isabell, von Natur aus schüchtern und zurückhaltend, blühte plötzlich auf, trug Kleider, deren Ausschnitte mehr als gewagt waren. Klar, schaute ich hin, wenn ihre rosa Knospen aus der gerüschten Umrandung hervorlugten. Ich war ein Ritter im besten Alter, ausgestattet mit den hervorragendsten Attributen des Mannes, klarem Verstand, wacher Beobachtungsgabe, zupackenden Armen und einem mmh, na ja, – bildlich gesprochen – fordernden Dolch.

 

Ihre blasse Haut wirkte weich und zart im Gegensatz zu ihren plötzlich glutrot lockenden Lippen und den schwarzumrandeten dunklen Augen, aus denen sie mir Blicke zuwarf, die ich nicht zu deuten wagte. Eines Tages lud sie mich zum Abendessen. Nur sie und ich. Ihre unentbehrliche Matilda servierte auf eine derart kokette Weise, dass ich nicht wusste, wessen üppige Formen ich zuerst betrachten sollte. Ihr kurzes Röckchen wippte bei jeder Bewegung. Ihr Gang war geradezu aufreizend.

 

Das Essen war vorzüglich. Es gab gut gewürzte Speisen, scharfe Soßen, mir teils unbekannte Gemüse, dazu den sicherlich besten Tropfen des burgeigenen Weinberges.

Das Menü begann mit einem Artischocken-Creme-Süppchen mit schwarzem Trüffel. Ein Hochgenuss, dem gebackene Austern mit einer köstlichen Granatapfel-Mayonnaise folgte. Hummer auf Champagnerrisotto, umlegt von Venusmuscheln – allein der sinnliche Name ließ meine Phantasie sprießen – getränkt in einem Cocos-Chili-Sud waren einfach göttlich. Keine Ahnung, woher Matilda all diese Gerichte und aphrodisierenden Zutaten kannte. Auf jeden Fall war ihre Wirkung auf mich und meinen körperlichen Zustand enorm. Meine Leidenschaft für diese beiden Frauen stieg und stieg. Zu den Erdbeeren in sahnigem Rahm servierte die kleine Hexe edlen Champagner und als Abschluss einen hochprozentigen Weinbrand, den die schöne Isabell jedoch verweigerte, im Gegensatz zu den folgenden Bezeugungen meines Verlangens. Matilda verschwand kichernd und hüftenschwingend aus dem Speisezimmer. Ihre Herrin blieb in meinen Armen zurück.

 

Ja, ich war scharf auf sie. Und das war mein größter Fehler.

                   ***

Wie konnte sie mir das antun!

Warum zog ich in diesen Kampf? Ließ meine schöne Isabell zurück. Matilda hatte versprochen, auf ihre Herrin aufzupassen wie auf ihr eigenes Leben. Ich hatte sie gut bezahlt dafür. Ja, ja mit Naturalien. Sie ist nun mal ein Prachtweib und die Mondnächte in meinem kleinen Jagdhaus werden für uns beide unvergesslich bleiben. Nie hätte ich Derartiges mit meiner Isabell veranstaltet. Nie! Sie ist eine Dame! War es.

 

Ich war so glücklich, als ich von dem Feldzug zurückkehrte. Gold und Geschmeide hatte ich dabei. Erobert für Isabell, meine Liebe, meine Einzige. Und das Schwert mit dieser unglaublich scharfen Klinge! Damaszenerstahl mit einer aufwendigen Musterung. Ein Prachtstück sondergleichen war mir da in die Hände gefallen und vervollständigte so meine edle Waffensammlung! Nein, das Excalibur war es nicht. Ottmar glaubt, mich hätte die Burg Trifels interessiert. Mitnichten. Viel zu weit weg. Ich hatte gehört, Richard Löwenherz habe das sagenhafte Excalibur dort versteckt. Ein Gerücht, wie sich schnell herausstellte. Leider. Doch Gold hatte ich erbeutet. Eine ganze Truhe Gold. Damit hätte ich den Wohlstand unserer Familie auf Jahre sichern können. Wir hätten herrlich und in Freuden leben können, meine Frau, meine Untertanen und ich.

 

Und was erwartete mich bei meiner Rückkehr? Eine unglaublich blasse, schweigsame, weinende Ehefrau. Ich stellte Matilda zur Rede. Sie zuckte nur mürrisch die Schultern. Ich rief die weise, medizinisch bewanderte Frau, den Bader, den Medicus. Und was musste ich erfahren? Vier Monde war ich außer Landes und meine Frau war im dritten Monat schwanger! Ich schwor, diesen Schurken zu finden. Und dann gnade ihm Gott, war mein einziger Gedanke.

                         ***

Was hat mir das alles genützt? Nichts, gar nichts. Ich hatte Graf Gero angefleht, mich mitzunehmen in dieses aufregende Abenteuer. Wollte als Marketenderin dabei sein. Aber nein, ich sollte auf seine fade, liebe, unnütze Ehefrau aufpassen. Ja, ich war sauer. Isabell war jung, töricht und unerfahren. Meine Idee, sie in erotischen Dingen ein wenig auf den Geschmack zu bringen, war meine Rache. Graf Ottmar von der Nachbarburg war ja ein ganz Netter, aber auch ihm musste ich erst auf die Sprünge helfen.

 

Eigentlich war mein Plan ganz einfach. Sollte Isabell in Liebe zu Ottmar entbrennen, könnte ich versuchen, Gero für mich zu gewinnen. Er ist ein Mensch mit scharfem Verstand, gepaart mit gesundem Egoismus, sieht blendend aus und verfügt über alle Attribute männlichen Ansehens. Ich tat mein Bestes. Hulda, die alte Kräuterhexe im Wald neben dem Jagdhaus hat mich alles gelehrt, was mit Aphrodisiakum und dessen Folgen zu tun hat. Sie hat mir die orientalischen Fröhlichkeitspillen geschenkt, hat mir die wichtigsten Zutaten für eine erotisierende Mahlzeit genannt und mir unglaublich interessante Rezepte überlassen.

 

Sechs Monate sind inzwischen ins Land gegangen. Und nun sitze ich Unglückliche hier und grübele Tag und Nacht über unser aller Schicksal.

 

Alles lief nach Plan. Anfangs. Und dann doch nicht. Isabell verstarb im Kindbett, nicht ohne kurz zuvor den Vater des armen Kindchens bekanntzugeben, das nun elternlos aufwachsen muss.

 

Das Duell fand im Morgengrauen des nächsten Tages statt. Ottmar hatte keine Chance. Der scharfe Stahl des unglaublich schönen arabischen Schwertes seines Freundes durchbohrte nach kurzem Gefecht den makellosen Körper des Grafen begleitet von Geros Schrei: „Fahr´zur Hölle, Schurke.“

Nur wenige Wochen später zog Graf Gero in die nächste Schlacht, nicht ohne mir vorher das Kind, seine Burg und seinen Namen zu überlassen.

 

Und ich – Matilda von Oppenheim – sitze nun hier an langweiligen Abenden mit all dem Reichtum, einem entzückenden Kind, ein paar Bediensteten und bin so scharf auf ein neues erotisches Erlebnis. Sagt man das so? Keine Ahnung. Aber genau das ist mein Gefühl und …

„Was ist, Elena?“

„Tut mir leid, zu stören, Herrin. Ein Ritter aus Engelland bittet, seine Aufwartung zu machen.“

„Wie das?“

„Er sagt, seiner Kutsche sei ein Rad gebrochen, just unten am Weg.“

„Wie sieht er aus? Wie alt ist er?“

„Jung und schön. Im besten Mannesalter, sozusagen.“

„Lass ihn eintreten, Elena. Und bitte, bereite einen Tee zu. Nimm die Kräuter, die Hulda, die alte Waldfrau letzte Woche vorbeibrachte. Und sag dem Knecht Bescheid, dass er sich um die Kutsche dieses Fremden kümmere. Er braucht sich damit nicht zu beeilen.“

„Mit dem größten Vergnügen, meine Herrin. Und seinen Diener bitte ich in die Küche, wenn´s Recht ist.“

„Es ist Recht. Nun geh´ endlich Elena. Einen Gast lässt man nicht warten.“

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