Von Maria Monte

 

Alles begann 1993, als ich das erste Mal auf einem asiatischen Elefanten reiten durfte. Diese Stärke, diese Behutsamkeit, diese Geschicklichkeit, die solch ein Tier ausmachen, faszinierten mich und ließen mich nicht mehr los.

Ich fing an, Bücher über die Dickhäuter zu lesen und alles, was mir zu dem Thema unter die Finger kam, zu sammeln. Im Urlaub besuchte ich Zoos und Tierparks und schaute oft stundenlang dem Treiben in den Außenanlagen zu. Ich interessierte mich für die Abstammung und die Geburtsdaten der Tiere, fotografierte und notierte, als wenn ich bald selbst eine Tierpflegerin bei den Elefanten werden würde.

„Du bist verliebt“, lächelten meine Freunde, wenn ich mit funkelnden Augen von meinen Beobachtungen und Erlebnissen erzählte.

Einzig mein Bruder wusste um mein Seelenleben. Nach dem frühen Tod unserer Mutter fehlte es mir an Selbstvertrauen. „Dir würde ein Tier guttun, schaff dir ein Haustier an“, war sein Rat. Aber weder ein Hamster, noch ein Wellensittich oder Fische schafften es, mein Herz zu erobern.

Zu einem runden Geburtstag schenkte mir mein Bruder einen Tierparkbesuch der besonderen Art. Ich durfte zwei Sunden einem Pfleger im Elefantenhaus über die Schulter schauen. „Da, nimm, Luise“, redete ich mit der Leitkuh, während die beste Freundin von ihr, Frosja, mit ihrem Rüssel ebenfalls nach dem knackigen Apfel langte. Die beiden Berliner Elefantendamen waren ein Herz und eine Seele, aber wenn es ums Fressen ging, wollte Luise immer bevorzugt werden. Meine Familie hielt sich fotografierend im Hintergrund. Ich war glücklich inmitten der Herde, klopfte auf raue Elefantenhaut, streichelte und tätschelte die mich neugierig Umringenden, spielte mit dem Nachwuchs, fühlte mich elefantenstark.

 

Meine Bewunderung und Leidenschaft für die Dickhäuter wurde Jahr für Jahr von den Freunden und der ganzen Familie aufgegriffen und mit Geschenken der speziellen Art unterstützt. Die Regale in meinem Arbeitszimmers sind gefüllt mit Büchern, Bildbänden und Ordnern. Mitbringsel und Geschenke aus unterschiedlichen Materialien stehen, sitzen und liegen auf dem Fensterbrett, auf dem Sofa sowie in der Glasvitrine.

Sie lassen mich täglich lächeln, denn auch sie lachen mich an, mit erhobenem Rüssel, mit vorgeschobenem oder aufgerichtetem Kopf, mit Gesten der Zuneigung, mit großen, warmen Augen, ausholenden oder angelegten Ohren.

Sie sind meine Seelentröster, meine engsten Vertrauten. Sie hören mir zu oder erzählen ihre Geschichten. Es sind Geschichten von Reisen oder von Freunden, die sie mitgebracht haben.

Bombi zum Beispiel weiß, dass er zu meinen Lieblingen zählt. Er nimmt einen besonderen Platz in der Glasvitrine ein, denn ich möchte ihn vor Staub und unüberlegten Berührungen schützen. Einen Sturz würde er nicht überleben. Er entstand in einer Glasbläserei in Warschau, die sich auf Glasdesign und Ornamente spezialisiert hat. Daher ist seine blassblaue Farbe nicht verwunderlich und auch sein kugelrundes Aussehen erscheint normal.

Eigentlich soll Bombi einen Weihnachtsbaum schmücken, denn zwischen seinen Ohren, die nur mit einem dünnen schwarzen Strich oberhalb des Gesichtes angedeutet sind, wurde ihm ein Häubchen aufgesetzt, das als Hängehalterung dienen könnte. Darunter trägt er einen grünen Halbumhang, der mit Kristallen besetzt ist und ihm durch einen Saum aus roter Borte mit silbernen Trotteln eine festliche Würde verleiht.

Bombi ist nicht eitel. Er blickt mich aus großen dunkelblauen Augen lächelnd und trotzdem nachdenklich an. Dabei weisen seine dünnen, nur leicht aufgetupften Augenbrauen fast einen menschlichen Zug auf, wie auch der rote Lachmund, der zart unter dem aufrechtzeigenden Rüssel angedeutet ist, nicht voll, sondern mit Begrenzungsfältchen wie Lachgrübchen. Sein Rüssel ragt übermütig aus dem bauchigen Rund, am Hinterteil kringelt sich ein kleines Schwänzchen, dem ich das Können des Glasbläsers ansehe. Und natürlich steht mein Lieblingselefant auf vier festen Beinen, ebenfalls gekonnt aus der Glasmasse gezogen. Meine rechte Hand schmiegt sich um Bombi und dabei stören die kleinen Schmuckelemente keinesfalls unsere Streicheleinheiten.

Bombi erzählt mir, wie mein Bruder auf ihn aufmerksam wurde. Bei einer Führung durch die Glasmanufaktur „Bombkarnia“ in Warschau schauten sich die beiden in die Augen und schon war ihre gegenseitige Liebe geweckt. Bombi wurde in eine wunderschöne Holzkiste eingebettet, in Holzwolle verpackt und wartete dort sehnsüchtig auf das Weihnachtsfest.

„Ich habe etwas ganz Spezielles für dich aus Polen mitgebracht.“ Mit diesen Worten übergibt mir mein Bruder sein Weihnachtsgeschenk. Wieder einmal bezeugt er mit dieser Geste sein Verständnis für mein Hobby, für mich und meine Sammlerleidenschaft.

Mit meinem Ruf des Entzückens weckte ich Bombi aus seinem Schlaf und sofort stand er im Mittelpunkt des Geschehens. Das verbindet uns – und ab und an zwinkern wir uns zu.

Er verströmt diese besondere Stärke, die Elefanten innewohnt. Und er kann sie an mich weitergeben, wie eine Krafttankstelle.

 

 

 

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