Von Björn D. Neumann

Die Kapuze seines Mantels hatte er tief ins Gesicht gezogen. Doch vor dem eiskalten Wind, der ihm unerbittlich die Schneeflocken entgegenwirbelte, bot sie kaum Schutz. Die Wangen waren rot vor Kälte und schmerzten und die Stellen, die sein Bart eigentlich schützen sollte, glitzerten vor Eiskristallen. „Mein guter Jasper, es ist nicht mehr weit.“ Aufmunternd tätschelte Paul d’Oetingen sein Pferd, das im gleichen Maße wie er unter der schneidenden Kälte litt. Vor wenigen Monaten im Outremer hätte er sich Schnee in der unerbittlichen Hitze der Wüste gewünscht und nun im eisigen Winter seiner flämischen Heimat sehnte er sich fast nach den Sonnenstrahlen des gelobten Landes. Doch noch mehr sehnte er sich nach seinem geliebten Weib. Sechs Jahre war er nun von ihr getrennt. Eine lange Zeit voller Entbehrungen, Leid und Schmerz. Aber vor allem Jahre voller Sehnsucht. Andere Ritter nahmen es nicht sehr ernst mit der ehelichen Treue und auch im gelobten Land gab es Hurenhäuser, die einen Mann, der weit weg von Zuhause und der Wärme seines Weibes oder auch seiner bevorzugten Magd war, ständig in Versuchung führten. Doch daran verschwendete Paul keinen Gedanken. Nicht, dass er sich nicht einfach ein anderes Weib genommen hätte, wenn ihm danach gewesen wäre, aber ihn und Marguerite verband mehr. Keine andere Frau wäre auch nur annähernd in der Lage gewesen, seinen Hunger zu stillen. Sie war seine Gemahlin, seine Freundin, seine Gespielin und seine Dienerin. Dies waren die letzten Gedanken, bevor ihn die Müdigkeit übermannte und ihm die Augen zufielen. 

 

Waren es Stunden oder doch nur Minuten? Ein Hornsignal schreckte ihn hoch. Vor ihm lag Burg Oetingen. Sein Zuhause. Eine Wache, die vom Torhaus den Herrn der Burg erkannte, rief: „Öffnet die Tore! Gott sei gelobt, es ist der Herr d’Oetingen!“ Augenblicklich war es mit der nächtlichen Stille vorbei. Aus allen Teilen der Burg kam das Gesinde, um den Heimkehrer zu begrüßen. Stallburschen nahmen die Zügel und halfen Paul aus dem Sattel. Hätten sie ihn nicht gestützt, wäre er wohl der Länge nach hingeschlagen. So knickten ihm kurz die Beine weg, aber er konnte von den Knechten gehalten werden.  

„Marguerite“, wisperte er und schüttelte die Helfer unwillig ab. Auf dem Treppenabsatz zum Eingangstor des Wohnturms war seine Frau erschienen. Ihr offenes, langes blondes Haar fiel auf ein weißes, mit Gold besticktes Nachtgewand. Mit ihrer hellen Haut sah sie im Schein der Fackeln aus wie ein Engel. 

„Paul“, stieß sie aus und rannte die Treppen hinab. Erst kurz vor ihm kam sie zum Stehen und allein ihre Stellung als Burgherrin hielt sie davon ab, ihm direkt an den Hals zu springen. Verlegen senkte sie den Kopf und begrüßte Paul mit niedergeschlagenen Augen. „Willkommen zurück, mein Herr.“ Ihre Stimme war fast ein Flüstern. 

Zärtlich nahm er ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und zwang sie, ihn anzusehen. Seine stahlgrauen Augen fixierten sie und er konnte kaum den Impuls niederringen, sie direkt zu küssen. „Es ist lange her“, sagte er lediglich. Dann glitt sein Blick an ihr hinab bis zu ihren nackten Füßen, mit denen sie ihm Schnee stand. Missbilligend schnalzte Paul mit der Zunge. „Gehört sich das für eine Dame? Ich glaube nicht“, gab er selbst die Antwort. Ohne ein weiteres Wort hob er sie hoch und trug sie in den Wohntrakt der Burg.

 

Nach einem nächtlichen Mahl begaben sich Paul und Marguerite in ihre Schlafkammer. Die Bediensteten hatten bereits einen Zuber mit dampfend heißem Wasser bereitgestellt und im Kamin knisterte ein Feuer. Marguerite sank vor Paul auf die Knie und löste seinen Schwertgurt. Behutsam schmiegte sie das warme Leder an ihre Wange, sog den Geruch auf, der die Verheißung auf die nächsten Stunden sein sollte. Sie stand auf, befreite Paul von Waffenrock, Kettenhemd und den übrigen Kleidungsstücken, bis er nackt vor ihr stand. Er konnte seine Erregung kaum verbergen, zwang sich aber, nicht sofort über sie herzufallen und stieg in den Holztrog. 

„Zieh dich aus“, befahl er Marguerite. Folgsam ließ sie das Nachthemd über ihre Schultern gleiten, bis es an ihrem schlanken Körper den Weg nach unten fand und sie entblößt vor ihm stand. Die Knospen ihrer prallen Brüste reckten sich erregt nach oben. Paul nahm dies mit einem Lächeln zur Kenntnis. Marguerite tauchte ein Tuch in das heiße Wasser und massierte damit hinter ihm stehend seine Brust. Sein Körper war übersät mit Narben aus den Kämpfen. Behutsam fuhr sie jede Einzelne nach. Paul schloss die Augen und genoss jede der zärtlichen Berührungen. 

„Mein Liebster, was haben sie dir angetan?“ Marguerite kämpfte mit den Tränen. 

„Nichts, was die Zeit nicht heilen würde, meine Schöne.“  Langsam stieg er aus dem Bottich. Während Marguerite ihn mit einem neuen Tuch trocken tupfte, räkelte er sich wohlig, bis er mit einem Ruck in ihr Nackenhaar griff und ihren Kopf nach hinten zog, so dass sie ihm direkt in die Augen sehen musste. „Hast du während meiner Abwesenheit alle Pflichten und dir auferlegten Aufgaben erfüllt?“ 

„Sicher nicht alle, mein Herr.“ 

„Mmh, was soll ich dann wohl mit dir machen?“ 

Sie wand sich aus seinen Armen und holte von dem Schemel, auf dem seine Kleidung lag, den schweren, mit Nieten besetzten Schwertgurt. Als sie kniend Paul den Gurt darbot, umspielte ein diabolisches Lächeln seinen Mund. 

„Beug‘ dich über das Bett“, befahl er ihr. 

Das prasselnde Kaminfeuer warf den Schatten des Gurtes an die Steinmauern, als dieser pfeifend durch die Luft schnitt. Ein erstickter Schrei des Schmerzes, der Leidenschaft und ungezügelter Lust hallte von steinernen Mauern wider. Es war der Auftakt eines Spiels von Dominanz und Unterwerfung, das die Lust der beiden auf immer höhere Ebenen katapultierte und kombiniert mit der viel zu langen Trennung in Höhepunkten endete, die beide zu den Sternen trugen.

 

Am nächsten Morgen war es Paul, der Linien von roten Striemen mit seinen Fingern nachzog. Nur waren es jetzt die von Marguerite, die bäuchlings neben ihm auf einem Bärenfell im Bett lag. 

„Ich danke dir, mein Gemahl“, murmelte sie noch halb im Schlaf.

„Ich danke dir, Liebes.“  Er stand auf und kramte in einem Beutel, den er mitgebracht hatte. „Schließe deine Augen und knie dich hin“, befahl er ihr. „Ich habe ein Geschenk für dich.“ 

Aufgeregt sog Marguerite die Luft ein. Als sie mit geschlossenen Augen nackt auf dem kalten Steinboden kniete, schloss sich klickend ein metallener Reif um ihren Hals. 

Leise flüsterte er ihr ins Ohr: „Dies sei das Zeichen, dass uns von nun an nichts mehr trennen kann und du für immer mein bist.“ Dann zog er sie an dem Ring, der an das Halsband genietet war, zu sich hoch und küsste sie leidenschaftlich.

 

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