Von Syelle Beutnagel
Mit seinen noch etwas schlaftrunkenen Geräuschen rührte sich der Montagmorgen und startete in eine neue Woche. Ich liebte diese Montagmorgen. Befreiten sie mich doch aus einem stets ungewissen Wochenende und schenkten mir ein Stück weit Freiheit zurück.
Zwischen neun und halb zehn Uhr morgens verließ er gewöhnlich das Haus. Ich nutzte die Stunden danach, um mich auf mich zu besinnen. Schnell erledigte ich den Haushalt, ging ins Bad, putzte mir die Zähne, duschte genussvoll bei halb geöffnetem Fenster, lauschte den Vögeln, glitt mit dem Seifenhandschuh über meine Haut. Kalt-warm-wechselnd spülte ich ab. Frisch gekämmt und geduscht setzte ich mich an den Schreibtisch, um zu arbeiten.
Am Nachmittag hatte ich Pläne, deshalb eilte ich durch die Straßen, den Kopf voller Gedanken. Da fiel mir ein Plakat auf: Sonntag Tag der offenen Tür stand darauf. Ich merkte es mir.
Beim Sonntagsfrühstück begann ich so: “Mir ist so übel. Ich habe heute Nacht meine Tage bekommen. Mir wäre es lieber, zuhause zu bleiben.”
“Wenn du meinst.”
Das ging leichter als gedacht. Es zeigte mir einerseits, wie wenig Wert auf mich gelegt wurde, andererseits, wie bekannt ihm mein Unwohlsein an DEN Tagen war. Ich verzog mich wieder ins Bett und jammerte ein wenig. Wortkarg verließ er bald darauf das Haus. Bald war auch ich angezogen und fuhr meinem Abenteuer mit dem Fahrrad entgegen.
Dieser Sonntag verging wie im Flug, und am Ende des Tages unterschrieb ich für ein neues Kapitel in meinem Leben. Von nun an wurden Sonntage umkämpft.
Ein halbes Jahr später hatte ich verschlafen.
“Nimmst du heute Sepp?”
“Du weißt doch, heute ist Fortbildung.”
“Aber ich kann ihn heute nicht gebrauchen.”
“Gebrauchen???” Ich sah ihn von der Seite an und zog eine Braue hoch.
“Ich bin spät dran.” Ohne Frühstück ging ich zur Tür. Er versuchte sich in den Weg zu stellen: “Aber… .”
Da war ich schon draußen und gleich schwang ich mich aufs Fahrrad.
“Um einen Beamer zu benutzen, braucht man Strom. Wo bitte… “
‘Na bravo, noch so ein Schlaumeier von Mann!’ Sie hatten schon ohne mich angefangen. Schnell und möglichst leise setzte ich mich, was bei meiner üblen Laune einer kleinen Sportübung gleichkam. Jetzt erst merkte ich, dass man auf der Suche nach einer Steckdose war. Oh, wie peinlich!
Jetzt hatte ich meine Unterlagen sortiert und schaute in Richtung Beamer. Und schaute in ein dunkles Augenpaar. Blieb hängen. Zog meine Augen Richtung Papier auf dem Tisch vor mir.
“Wissen Sie eine Lösung für das Problem?”
‘Nein,’ dachte ich.
“Man könnte eine Leinwand vor die Wand hängen, dann wäre das Bild besser, “ sagte ich.
“Gut.”
Das Augenpaar mit dem dazugehörigen Gesicht und Körper bewegte sich langsam durch den Raum. Wie eine Katze im Versteck beobachtete ich die Bewegungen. Jetzt standen diese Augen vor mir. Besser: über mir. Ich schaute in die Härte vor mir. Er wanderte weiter durch den Raum. Landete wieder vor mir. Ging weiter.
“Lasst uns noch einmal fünf Minuten eine Pause machen, bevor wir für heute zum Schluss kommen.” Schon verließ er den Raum. Auch ich verließ meinen Platz etwas zögerlich.
Doch kaum war ich aufgestanden, da zog mich ein leiser Faden in den Flur und in einen leeren Nachbarraum. Er hantierte an etwas herum. Ich setzte mich auf einen Tisch neben ihm. Er setzte sich dazu, schweigend.
Als er aufstand, strich seine Hand wie zufällig über meine, und schon hatte er den Raum verlassen.
Wieder kam ich zu spät zurück. Die Gruppe packte schon fast zusammen. Ich seufzte unhörbar. Gar nicht mehr richtig aufmerksam, kramte ich verträumt zusammen. Noch unterschrieb ich die Teilnehmerliste, dann verließ ich den Raum. Das Fahrradschloss klemmte. Ja, es klemmte! Ich fühlte seine Hand auf meiner. Und gemeinsam gingen wir die Straße entlang.