Von Ingo Pietsch

 

Larissa stürmte zur Tür, als es klingelte.
Der Postbote hielt ein Paket, das sie ihm sofort aus der Hand riss.
 Der Überbringer zog eine Augenbraue hoch, als er es las. „Reis,de, Mhm?“ Wobei das R mit einem Permanentmarker zusätzlich hinzugefügt worden war.
Larissa quittierte den Empfang mit rotem Kopf und knallte die Tür hinter sich zu.
Sie rannte ins Schlafzimmer, warf sich aufs Bett und öffnete das Paket.
Darin zum Vorschein kamen ein Paar Handschellen, mit Plüsch ummantelt, ein Negligé und ein „Zauberhandschuh“ aus angenehmem Stoff.
Den leeren Karton warf sie ans Fußende des Doppelbettes.
Ihr Mann würde in ungefähr einer Stunde von der Arbeit kommen und bis dahin sollte alles fertig vorbereitet für einen schönen Abend zu zweit sein.
Sie verdunkelte das Schlafzimmer, schaltete romantische Musik ein und flitzte ins Badezimmer, um sich umzuziehen.
Sie streifte das Negligé über und fühlte bei dem hauchdünnen Stoff, der über ihre Haut glitt, wie sich ein warmes Gefühl in ihn ihrem Bauch ausbreitete, das dann ihren ganzen Körper ausfüllte. Dann zog sie sich einen Bademantel an, damit ihr Mann noch etwas zum „Auspacken“ hatte.
Larissa nahm einen Lippenstift in einem dunklen Rotton, den sie sonst nicht benutzte. Als sie über die Lippen fuhr, glaubte sie die Liebkosungen von Lippen zu spüren. Sie legte ein auch wenig Rouge auf und zog den Lidschatten nach.
Sonst schminkte sie sich eher dezent. Unter dem Mantel war ihr wohlig warm.
Im Schlafzimmer zurück, sah sie auf die Weinflasche und die Weingläser, die auf dem Kopfteil standen. Der Wein schon entkorkt.
Larissa drapierte die Kissen so, dass man sich gut anlehnen konnte und ließ sich zurücksinken.
Sie rekelte sich hin und her, wie es am bequemsten sein würde, dann schnappte sie sich die Tüte mit den Handschellen, packte sie aus und legte die Schlüssel neben die Weinflasche.
Sie schloss die eine Schelle um ihr rechtes Handgelenk und die andere um eine Strebe des Bettgitters. Dank des Plüsches fühlten sie sich auch nicht kalt an.
Während sie so dalag, probierte sie den „Wunderhandschuh“ aus.  Sie zog ihn über ihre linke Hand und begann dann, ihre Beine und den Hals zu streicheln. Es fühlte sich sehr angenehm an und ihr Mann würde sich sicher auch darüber freuen.
Mit einem Mal fing alles, was sie mit dem Handschuh berührt hatte, an zu jucken. Es brannte sogar richtig. Ein Blick auf ihre Beine verriet ihr, dass sich dort roter Ausschlag bildete. Nicht stark, aber doch so, dass sie versucht war, sich zu kratzen.
Larissa musste unbedingt etwas dagegen tun. Sie ruckte herum und versuchte den Schlüssel auf dem Kopfteil zu greifen. Dabei schob sie ihn mit den Fingerspitzen soweit an die Kante, dass er hinters Bett fiel.
Larissa turnte auf dem Bett herum und versuchte durch die Stäbe den Schlüssel zu erreichen. Doch für die zierliche Frau war er unerreichbar.
Voller Panik rüttelte sie an den Handschellen und ignorierte dabei den Schmerz, der durch ihr Handgelenk schoss. Selbst der Plüsch milderte dies nicht ab.
Sie drehte sich nach links zu ihrem Nachttisch, auf dem ihr Handy lag. Doch dank ihrer Fesselungskünste war es unerreichbar. Auch mit dem Fuß, war kein Herankommen.
Leider war auf oder im Nachttisch ihres Mannes nichts Nützliches zu finden. Eigentlich hatte er nur Müll in seiner Schublade.
Sie war wütend auf sich selbst. Es hätte so ein schöner Abend werden und jetzt ging alles schief.
Der Juckreiz war noch vorhanden, aber nicht mehr so intensiv.
Irgendetwas stimmte mit dem Handschuh nicht. Es musste doch eine Anleitung geben.
Mit den Füßen angelte sie sich den Karton heran und fand tatsächlich einen Beipackzettel. Darauf stand, dass man alle Produkte aus Stoff unbedingt vor dem ersten Tragen oder Benutzen waschen sollte, da sonst allergische Reaktionen auftreten könnten.
Wieder rüttelte sie vergeblich an den Handschellen.
Wütend warf sie ein Kissen quer durchs Zimmer und erwischte dabei den Lichtschalter.
Jetzt war sie nicht nur gefangen, sondern saß auch noch im Dunkeln.
Larissa überdachte ihre Situation und begann tief ein- und auszuatmen. Nicht mehr lange und ihr Mann würde nach Hause kommen. Dann würden sie beide über die Situation lachen und den Abend noch genießen.
Ein Lichtschein glomm von ihrem Handy auf.
Intuitiv wollte sie danach greifen und wurde von Handschellen zurückgerissen.
Durch die Vibrationen des Klingelns fiel das Handy nach unten auf den Teppich und sie hörte gedämpft: „Hallo Schatz? Hörst du mich? Ich komme heute später von der Arbeit. Warte nicht auf mich. Hab dich lieb!“
Tüt, tüt, tüt. Tüt, tüt, tüt. Und dann Stille und wieder Dunkelheit.
Larissa hämmerte verzweifelt und mit Tränen in den Augen auf die Matratze.
Sie schlug durch die heftigen Bewegungen mit dem Hinterkopf an das Bettteil und sank mit Sternen vor den Augen in die Kissen. Schlimmer konnte es ja wohl nicht kommen.
Weg waren die angenehmen Gefühle, die sie im Badzimmer empfunden hatte. Jetzt ging es ihr einfach nur noch schlecht.
Sie spürte, wie etwas über ihre Stirn und ihr Gesicht lief. Bitte lass es kein Blut sein, dachte sie.
Ihre Haare waren inzwischen ganz nass und sie roch und schmeckte was es war: Die Weinflasche war durch ihr herumgespringe umgekippt und hatte ihren Inhalt auf sie ergossen. Der Geruch und der Alkohol ließen Larissa schummrig werden. Im Hintergrund lief „I believe i can fly“ von Seal und sie nickte ein.

 

Als sie die Augen wieder aufschlug, kamen langsam ihre Erinnerungen wieder: Wir ihr Mann sie befreit hatte, sie zusammen geduscht hatten und dann zusammengerollt in eine Kuscheldecke vor dem Bett eingeschlafen waren.
Auf Handschellen wollte Larissa in Zukunft jedenfalls verzichten. Aber es gab ja noch andere Dinge, die man bei Reis.de bestellen konnte …

 

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