Von Brigitte Weirather

Rot! Knallig! Leuchtend! Echt super!

 

Ich fühle mich wie ein springender, leuchtender Gummiball.

So einer, den man aus dem Kaugummiautomaten drehen kann. Natürlich nur, wenn man echt, echt Glück hat.

 

Und das habe ich heute auch.

 

Die Mama hat mir nämlich einen roten Hosenrock zum Geburtstag geschenkt. Den hat sie selbst genäht, obwohl sie gar nicht so gut beisammen war. Der hat einen Gummizug um die Mitte, was ganz fein ist. Weil da drückt und zieht gar nichts beim Bauch, auch wenn ich ganz viel Wasser getrunken habe oder so. Und dazu habe ich ein knallrotes Hemd von meinem kleinen Bruder an, dem Oskar.Das ist dem aber viel zu groß und zu weit. Weil das hat ihm die Mama vom Martin geschenkt. Die gibt die Sachen die dem Martin zu klein sind unserer Mama, weil sie selbst nichts mehr damit anfangen kann. Die kann nämlich nicht nähen, hat meine Mama gesagt, was echt schade ist, weil sonst könnte sie sich viel Geld sparen, mit dem Umnähen von den alten Sachen, meine ich.

 

Das Hemd passt perfekt zu mir. Ein bisschen heller als der Hosenrock, der mehr wie eine Hose aussieht, als ein Rock. Zum  Glück. Weil ich mag Hosen viel lieber als Röcke. Und sogar rote Kniestrümpfe habe ich dazu. Und rote Schuhe! Eigentlich tun die ein wenig weh, weil die sind zu eng. Aber ich sage das nicht der Mama, damit ich sie trotzdem anziehen darf. Die Mama würde sich sonst Sorgen machen, dass sie mir neue Schuhe kaufen muss. Aber das ist nicht gut für ihr Herz. Ich meine, wenn sie sich Sorgen macht. Wegen dem Geld und so.   

 

Ich mag, wenn alles was ich anhabe die gleiche Farbe hat, und die Farbe so richtig grell ist. Dann kommt es mir vor als wenn ich die Farbe riechen und schmecken kann, und sie rinnt durch mich durch und ich werde ganz stark, und wenn mir die Farbe sehr gut gefällt werde ich echt lustig und leicht und könnte fast fliegen. Natürlich sage ich das nicht. Weil in echt kann man Farben nicht riechen und nicht schmecken und sie machen auch nicht, dass man fliegen kann. Aber ich träume das für mich. Und träumen darf man, sagt der Papa. Aber man soll das den Leuten nicht sagen, wenn man sich andere Sachen vorstellt als sie.

 

Blau ist meine zweitliebste Farbe, rot meine liebste. Obwohl gelb mag ich auch, aber ich habe leider keine gelben Sachen zum Anziehen.

Jedenfalls freue ich mich ganz fest über meinen Hosenrock, und die Mama sagt, dass mir das alles gut steht und ich ganz hübsch aussehe und der Oskar freut sich sowieso mit mir, und der findet fast alles an mir gut.

 

Dann gehen wir miteinander in die Schule, der Oskar und ich. Eigentlich nur ich, weil der Oskar begleitet mich nur bis zum Kindergarten. Zum Glück ist das der gleiche Weg, da kann er immer mit mir gehen und die Mama muss ihn nicht extra bringen.

 

Und ich bin schon gespannt auf die Überraschung heute. Weil heute ist ja mein Geburtstag und zum Geburtstag wird jedes Kind überrascht in unserer Klasse, in der großen Pause.

 

Mit einem Gedicht oder einem Aufsatz oder einer Zeichnung die die Klasse macht. Extra für das Geburtstagskind. Wo man etwas Nettes hineinschreibt oder zeichnet, etwas ganz Besonderes von dem Kind, worüber es sich freut.

 

Ich habe dasGedicht für den Geburtstag von der Lisl geschrieben. Voll gereimt. Dass sie so klug ist und sicher berühmt wird, und dass sie so schön zart ist, dass wäre ich auch gerne, und so dicke, glänzende Haare hat, und nie gemein ist.

Aber da ist gar nichts in der Pause, keine Zeichnung von der Klasse, und kein Aufsatz und auch kein Gedicht über mich. Und die Lisl, die fast meine Freundin ist, redet nicht einmal mit mir, nur flüstern tun die und komisch schauen. Ich glaube, die haben meinen Geburtstag vergessen, die Lehrerin auch.

 

Zuerst bin ich schon enttäuscht, weil das ist nicht nett, dass sie mich vergessen haben. Meinen Geburtstag meine ich. Obwohl der Papa immer sagt, dass Geburtstage gar nicht wichtig sind, weil jeder Tag so etwas wie ein neuer Geburtstag ist. Und dann tröste ich mich, weil ich habe ja den schönen Hosenrock, mit dem Hemd und den Kniestrümpfen. Und die Mama hat extra für mich genäht, obwohl es ihr nicht gut gegangen ist, mit ihrem Herz. Da muss ich gar nicht traurig sein.

 

Und ich hole den Oskar ab und wir wollen nachhause gehen.

 

Aber da stehen die Mädchen von meiner Klasse auf der Gasse, in einer Schlange, und lassen uns nicht vorbei. An den Händen halten sich die.

 

Und ich denke, dass das nun doch eine Überraschung wird, für meinen Geburtstag, und freue mich schon.

 

Aber die schreien: „Hexe, Hexe, rote Hexe! Rosalie ist ein Hexe! Hexe! Hexe! Rosalie ist eine Hexe!“

 

Da werde ich total wütend, und lasse den Oskar los, und stürze mich auf die Lisl, obwohl die fast meine Freundin ist, und werfe sie auf den Boden, dass sie weint, und dann schnappe ich mir die Nächste.

 

Und gerade jetzt, kommt auch noch die Lehrerin vorbei, die von der vierten Klasse, die in der gleichen Strasse wohnt wie wir, uns uns sowieso nicht mag.

Und die schimpft ganz fest mit mir, dass ich ein böses Kind bin, wie verhext, und sie das meiner Mama sagen wird.

 

Da entschuldige ich mich, und sage der nicht, dass mich die anderen ausgelacht haben, gemein waren mit mir. Weil es geht nicht, dass sie mit meiner Mama spricht, die Lehrerin, weil der Mama geht es gar nicht gut.

 

Das kann der Oskar aber nicht ertragen, die Ungerechtigkeit, und obwohl er noch klein ist und sich eigentlich nicht viel getraut, sagt er zur Lehrerin, dass die anderen die Bösen sind und nicht ich. So etwas ist der Lehrerin noch nicht passiert, sagt sie jetzt, die Schwester gewalttätig der Bruder frech. Doch irgendwie hat das wohl doch gewirkt, dass der Oskar so mutig war. Weil jetzt schimpft die Lehrerin mit den anderen Mädchen und lässt uns in Ruhe.

 

Als die Mama mich später fragt, ob mein Hosenrock gefallen hat, sag ich ja zu ihr. Weil es einfacher ist, und ich sie nicht aufregen will, das täte ihr nicht gut, ihrem Herz. Das kapiert auch der Oskar und erzählt der Mama nichts von den Mädchen, die gemein waren, und der Rauferei.

 

Den Hosenrock und das knallrote Hemd behalte ich an, den ganzen Tag und freue mich an der Farbe, die ich schmecke und rieche, und die mich so leicht macht, dass ich fast fliegen kann, wie eine Hexe, ganz ohne Besen.