Von Lilly Schwarzfischer

Tränen laufen über die Wangen der Blondine. Sie sah trotz des Veilchens und den Würgemalen am Hals atemberaubend aus.

„Frau Wolf, erzählen sie uns genau, was passiert ist“, verlangt die Polizistin vor ihr. Ihre dicken, schwarzen Haare beginnen langsam zu ergrauen. Das grelle Licht des Verhörsaals verfängt sich in den helleren Strähnchen und macht sie zu gesponnenem Silber. Dabei sieht ihr gebräuntes Gesicht noch recht jung aus. Bis auf die Krähenfüße um ihre Augen und die sanften Falten um ihren Mund.

Anstatt aber zu antworten, schlägt die Frau die Hände vor die Augen, beginnt zu zittern und heftig zu schluchzen.

„Eliza?“, fragt die Polizistin. Ihr Blick wandert immer wieder über die zerrissene Bluse der Frau. Der Polizist dagegen betrachtet mit seinen dunklen Äuglein seinen Ehering und dreht ihn immer wieder an seinem Wurstfinger.

„Er … er hat versucht“, beginnt Frau Eliza Wolf nach einigen Minuten mit brüchiger Stimme. „Er wollte m … mich töten.“

 

Der Geruch nach Speck und Spiegelei drang in Elizas hübsche Nase.

„Du musst doch mit deinem Cholesterin aufpassen“, hatte sie ihren Mann früher immer gescholten. „Und die ganzen Kalorien.“

Damit hatte sie selbstverständlich aufgehört, seit sie ihn tot sehen wollte. Natürlich hoffte sie, jeden Moment würde er an einem Herzinfarkt oder einem Blutgerinnsel sterben, aber anscheinend war Gott doch nicht so gütig. Der Schmerz, den sie immer empfand, wenn sie sich ins Gesicht fasste, sagte deutlich, dass sie endlich mal nachhelfen sollte. Eigentlich hatte ihr das auch schon der Schmerz zwischen ihren Beinen vor zwei Wochen erzählt. Aber dem hatte sie damals nicht nachgegeben. Doch nun ihr Gesicht … ihr wunderschönes Gesicht! Sie nahm die Pfanne vom Herd und manövrierte alles auf seinen Teller. Und überlegte dabei, ob sie es ihm mit dem heißen Metall heimzahlen sollte, aber das sah ihr Plan nicht vor.

„Der Toast kommt gleich, Schatz“, sagte sie breit lächeln, aber der Idiot grunzte nur und starrte ohne aufzusehen auf seine Zeitung.

Der Toaster gab ein metallisches Klicken von sich und sie legte den heißen, an den Ecken leicht angebrannten Toast auf einen zweiten Teller, den sie ihm ebenfalls auf den Tisch stellte.

„Hier Schatz.“ Nichts, nicht mal ein Grunzen. Aber das war gut, denn hätte er sich bedankt, wäre sie vielleicht wieder eingeknickt. Sie nahm den Toaster von der Theke und tat so, als würde sie ihn in den Schrank neben dem Küchentisch stellen wollen. Als sie ausholte. Das Plastik der Hülle knackte, als sie ihn ihm mit voller Wucht gegen seinen Kopf schlug. Der Mann, den sie vor fast siebzehn Jahren geheiratet hatte, der sie immer wieder geschlagen und misshandelt hatte, fiel wie ein Sack Mehl zu Boden.

 

„Und er hat wirklich versucht, Sie zu erwürgen, weil sie die Ecken seines Toasts verbrannt haben?“, fragt der Polizist mitleidig.

Die hübsche Blondine nickt heftig, wobei ihre Brust auf und ab wippt.

„So … so etwas hat er öfters getan“, flüstert sie und streicht vorsichtig über die Würgemale an ihrem Hals.

„Dazu werden wir noch einige Ihrer Bekannten befragen müssen“, mischt sich der kleine Polizist ein.

„Erzählen sie bitte weiter“, drängt seine Kollegin.

„Sobald sie bereit sind.“

 

Oh, wie gerne hätte sie gejubelt. Aber dazu war keine Zeit. Dieser Schlag auf den Kopf war wahrscheinlich nicht tödlich. Sie kniete sich auf den Rücken ihres bewusstlosen Opfers und begann das Kabel um seinen Hals zu schlingen. Mit aller Kraft, die sie in dieser Euphorie aufbringen konnte, zog sie es zusammen. Endlich.

Plötzlich bäumte sich der Fleischberg unter ihr auf und sie war so überrascht, dass sie von ihm herunterrutschte und mit der einen Hand das Kabel losließ. Scheiße.

„Du … Mist … stück“, krächzte ihr Mann im Umdrehen und stürzte sich auf sie.

Er fixierte ihre Arme mit den Ellbogen am Boden und drückte seine Daumen in ihre Kehle. Ein kleines Rinnsal Blut lief über sein rotes Gesicht und tropfte auf ihren Hals. Seine dunkelbraunen Augen glühten, während sein heißer, nach Speck riechender Atem ihr ins Gesicht wehte. Sie versuchte nach Luft zu schnappen, aber die Finger ließen es nicht zu. Mit jedem verpassten Atemzug wurde ihre Sicht trüber. Panisch wandte sie sich in seinem Griff. In dem sie sich einst so sicher gefühlt hatte, der sie früher manchmal sogar zärtlich gestreichelt hatte. Aber das war seit Jahren vorbei. Und die Position, in der er sie gerade festhielt, erinnerte sie mehr an all die Nächte, in denen sie nicht viel mitzureden gehabt hatte. So würde er nicht gewinnen – das hatte er schon zu oft. Und er sollte für jedes verdammte Mal bezahlen. Sie wurde ganz ruhig und ließ ihre Lider flattern. Nach einigen Stunden, so fühlte es sich zumindest an, merkte sie, dass seine Finger leichter zupackten und sich seine Arme lockerten. Sie krümmte sich zusammen und rammte ihm das Knie zwischen die Beine.

Das ist für all die Male im Bett, du dreimal verfluchtes Arschloch, dachte sie, als er sich mit einem Stöhnen zusammenkrümmte und von ihr abließ. Sie sprang auf und musste sich kurz am Tisch festhalten, um den Schwindel zu vertreiben.

 

„Dann … dann habe ich mir den Toaster aus dem Regal gegriffen und gegen seinen Kopf geschlagen“, wispert sie mit heiserer Stimme. Die Blaujacken nicken.

„Warum haben sie ihn dann noch erwürgt?“

„Das wollte ich gar nicht“, ruft die Frau und Tränen tropfen auf den weißen Tisch. Ihre Augen huschen angsterfüllt durch den Raum.

„Aber der Schlag war wohl nicht fest genug und bevor ich weglaufen konnte, da hat er sich wieder gerührt. Und … und …“

Ein Schluchzen dringt aus ihrer Kehle. Sie beginnt wieder zu zittern.

„Ich habe mich noch nie gewehrt. Und als er auf mich zukam, da dachte ich jetzt, jetzt wird er mich endgültig …“ Das Geräusch, das aus ihrer Kehle dringt, klingt wie das Heulen eines getretenen Hundes. „Ich hatte solche Angst.“

Der Schnauzer im Gesicht des Kleinen zuckt, als er eine fleischige Hand auf ihren Arm legt und sie beruhigend anlächelt.

„Ihnen kann nichts mehr passieren. Jetzt sind sie bei uns und er ist tot. Erzählen sie einfach weiter, was danach passiert ist.“

 

Sie legte das Kabel wieder um seinen Hals und zog es zu. Dabei schlang sie die Beine um seinen Bauch, damit er sie nicht mehr so leicht abschütteln konnte. Er wandte sich und zerrte an dem Kabel, konnte sich aber nicht befreien. Sein Kopf wurde rot und die Adern an seinen Schläfen und am Hals traten hervor. Gleich. Noch ein paar Sekunden. Als er endlich schlaff wurde, drückte sie noch eine ganze weitere Minute zu, damit sie wirklich sicher sein konnte, dass er tot war. So ein dummer Fehler, wie er ihn gemacht hatte, würde ihr nicht passieren.

Dann stieg sie von ihm herunter und er rollte genauso kraftlos auf die Seite, wie sie schon unzählige Male zuvor. Nur schwer konnte sie den Drang unterdrücken, ihm in die Seite zu treten. Die Rolle der reuevollen Ehefrau musste perfekt bleiben. Sie stand noch einige Sekunden über ihm und starrte in sein hässliches, totes Gesicht. Nie wieder würde sie es küssen müssen. Tränen strömten ihre Wangen hinunter, während sie lachte. Mit Schritten so leicht als würde sie fliegen ging sie zum Waschbecken und wusch sich mit einem Waschlappen das Blut vom Hals.

Als sie hinausging, nahm sie sich eines der beiden Stücke Toast vom Teller und drehte sich noch mal zu der Leiche um.

„Das hast du verdient. Viel Spaß in der Hölle mit all den anderen Bastarden. Und bete, dass meine Zeit noch lange nicht gekommen ist, denn sobald ich dich da unten finde, wirst du dir wünschen, niemals meine Bekanntschaft gemacht zu haben.“

Sie winkte mit der angebissenen Toastscheibe, lachte so laut wie sie es seit Jahren nicht mehr getan hatte und schnappte sich die Autoschlüssel. Vor dem Spiegel in der Garderobe riss sie sich noch die beiden oberen Knöpfe ihrer Bluse ab. Schadete nie. So hatte sie damals auch ihn herumgekriegt.

Nach einigen Minuten Fahrt stieg sie wieder aus und warf den blutigen Waschlappen in den nächsten Mülleimer. Der restliche Weg zur Polizeiwache war kurz und niemals hatte ihr eine Autofahrt so viel Spaß gemacht.

 

„Es war sehr mutig von Ihnen, sich selbst anzuzeigen.“ Die Fältchen um die Augen der Polizistin vertiefen sich, als sie ebenfalls beginnt beruhigend zu lächeln.

„Aber es war das Richtige. Ich akzeptiere jede Strafe, die mir auferlegt wird. Ich weiß, dass ich ihn getötet habe, aber das wollte ich nicht.“ Ihre Stimme ist monoton und ein wenig heiser.

Die Blaujacken wechseln Blicke.

„Ich eskortiere sie in ihre Zelle. Sie sind in Untersuchungshaft. Fürs erste.“

 

 

5 Jahre später:

Ihr Haar glänzt wie Blattgold in der Mittagssonne von Costa Rica. Kinder rennen über den nagelneuen Spielplatz, auf dem sich Wippen neben Schaukeln einreihen. Ihr kurzer Rock weht Eliza um die langen Beine, während sie sich ein Glas Sekt von einem Tablett nimmt.

Eine hübsche Costa-Ricanerin bedankt sich zum ungefähr tausendsten Mal für das Geld. Aber Eliza will diesen Dank nicht, ihr Mann hätte sich davon wahrscheinlich irgendeine Yacht gekauft. In eine Schule war besser investiert.

Eine weitere Spenderin mustert sie mit durchdringenden, grünen Augen. Ihr haselnussbraunes Haar klebt vom Schweiß in ihrem herzförmigen Gesicht.

„What did a women in a man‘s world do to earn so much money? Are you a physicist who won a Nobel Prize? Or a politician?“

Ihr Traum war eigentlich immer Kinder zu unterrichten. Vielleicht würde sie darum bitten hier Deutschunterricht zu geben. Oder in Mathematik. Mathematik hat ihr immer Spaß gemacht. Ihr Mann hat nie Kinder gewollt.

„My … my husband died.“ Sie fühlt wie ihre Augen zu brennen beginnen. Schauspielerisches Talent hat sie auch, damit könnte sie in naher Zukunft auch etwas anfangen. Aber die Grübchen auf den Wangen der Frau werden nur tiefer.

„A toast to the men who brought us here.“

Eliza hebt ihr Glas.

 

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