Von Miklos Muhi

Brigitte hatte alles vorbereitet und wartete geduldig. Nur wenn Franz, gleich nachdem er aufgestanden war, einen gedeckten Frühstückstisch vorfand, gab es vielleicht keine Schläge. Ob er auch frühstücken wollte, spielte keine Rolle.

 

Sie heiratete jung, weil es sich so gehörte und weil Gott das so wollte. Das schärfte ihr ihre Mutter, seit sie sich erinnern konnte, konsequent ein. Eine Frau hatte dem Mann zu gehorchen, alles zu ertragen, den Haushalt zu führen und Kinder zu bekommen. Brigitte war ein Einzelkind. Ihr Vater starb unerwartet nach ihrer Geburt. So wurde ihr Tag für Tag die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Mutter zuteil, bis auch sie kurz nach Brigittes Hochzeit das Zeitliche segnete.

 

Bald musste Brigitte immer neue Märchen über ihre blauen Flecken den Nachbarn erzählen. So schützte sie ihren Mann vor bösen Zungen. Das tat sie selbst, nachdem sie wegen der Schläge eine Fehlgeburt erlitten hatte und selbst nachdem Franz aufhörte zu arbeiten. Sie war bereit, seine Ausrede über »Kanaken«, die »den Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen«, zu akzeptieren.

 

Franz war Elektrotechniker und liebte seinen Beruf so sehr, dass er sich zwei Blitze auf den Oberarm tätowieren ließ. Die Zahl 88 daneben stand für die Anzahl erfolgreich beendete Arbeiten, so erzählte er damals.

 

Das Geld wurde knapp, wenn es nicht um Alkohol ging. Tagsüber werkelte Franz im Keller, wo sie keinen Zutritt hatte. Abends besuchte er mit seinen Kumpels, die er aus irgendeinem Grund Kameraden nannte, die Kneipe. Wann immer er nach Hause kam, musste Brigitte auf ihn warten.

 

Heute hatte sie frische Hämatome im Gesicht. Das rührte nicht daher, dass sie versäumt hätte, bis tief in die Nacht auf ihren Mann zu warten. Es lag an den Fragen, die sie stellte.

 

Als er nach Mitternacht zurückkam, stank Franz neben Alkohol nach Parfüm und hatte Lippenstiftflecken auf seinem Kragen. Brigitte benutzte so etwas nie. Als Antwort gab es eine Tracht richtig schlimmer Prügel. Brigitte weinte und bat Franz, wie immer vergeblich, damit aufzuhören.

 

Die ganze Nacht saß sie in der Küche und dachte nach. Sie war sich sicher: Franz hatte sie betrogen und machte sich damit über all die Entbehrungen lustig, die sie für den Bestand der Ehe auf sich genommen hatte.

 

Wenn sie blieb, würde Franz sie früher oder später totschlagen. Wenn sie ging, käme sie in die Hölle mit den anderen Sündern. Sie fing an zu beten und nach einer Stunde Murmeln war ihr klar, was sie tun musste.

 

Kurz nach Sonnenaufgang hörte sie die Schritte ihres Mannes. Franz taumelte in die Küche und setzte sich mit einem lauten Furz hin. Er würdigte Brigitte keines Blickes. Er streckte seine Hand nach dem Brotkorb aus. Unterwegs stieß er das Marmeladenglas vom Tisch und warf die Kaffeetasse um.

»Blöde Schlampe kann nicht einmal den Tisch ordentlich decken …«, sagte er.

Nachdem er eine Scheibe Brot auf seinen Teller gelegt hatte, knallte sein Kopf auf den Tisch und er fing an, laut zu schnarchen.

 

Brigitte zögerte keine Sekunde. Sie zog den Toaster aus der Steckdose und schnitt das Kabel mit einer großen Schere vom Gerät ab. Dann ging sie zu ihrem schlafenden Mann, wickelte die Leitung blitzschnell um seinen Hals und zog mit aller Kraft zu.

 

Sie hörte erst auf, als sie den Schmerz in ihren Händen spürte. Die Isolierung hatte sich gedehnt und war gerissen. Der Draht kam zum Vorschein und schnitt in ihre Handfläche. Sie blutete. Vom Todeskampf ihres Mannes, währenddessen er sich besudelt hatte, bekam sie nichts mit.

 

Sie ließ das Kabel los und trat einen Schritt zurück. Franz hatte eine ungesunde, bläuliche Gesichtsfarbe und atmete nicht mehr. Es war Zeit, sich dem himmlischen Richter zu stellen.

 

Sie ging Richtung Kellertür. Unterwegs machte sie beim Kleiderhaken Halt und holte den Schlüsselbund ihres Mannes aus seiner Manteltasche. Den Schlüssel für die Kellertür fand sie schnell. Brigitte knipste das Licht an, ging der Treppe hinunter, um die Dose mit dem Rattengift zu suchen. Sie wusste, dass sie dabei war, eine weitere schwere Sünde zu begehen, aber sie vertraute auf die Gnade Gottes.

 

Auf dem großen Werktisch lagen Drähte und Elektrozeug herum. Unter dem Tisch sah sie Handwaffen und einige Handgranaten. Anstatt der Giftdose fand sie Holzkisten mit der Aufschrift »Dynamit« und eine Menge ausgeschlachtete Wecker.

 

An den Wänden hingen Fahnen. Einige sahen amerikanisch aus, die meisten waren jedoch rot mit Hakenkreuz in der Mitte. Neben dem Werktisch stand eine weiße Tafel mit der krakeligen Handschrift ihres Mannes. Die Wörter darauf ließen sie, wie von Blitz getroffen, stehen bleiben:

 

Unternehmen Blitz und Donner

 

Sankt-Johannes-Kirche in der Kantstraße. Sonntag während der Ostermesse Bombe geht hoch um 10:30. Kollateralschaden: Nur religiöse Spinner, auch die Olle.

 

Um 12:00 auf die Straße. Parole: Wir beschützen die Christen vom islamischen Terror. Abrechnung mit Verrätern und Lügenpresse. Neues Leben im neuen Deutschland mit Jana.

 

Ihre Wut schlug in Übelkeit um und sie übergab sich. Dann rannte sie aus dem Keller direkt zum Wandtelefon in der Küche und wählte den Notruf.

 

 

Version 2