Von Martina Zimmermann

Es war ein warmer Sommertag. Den ganzen Tag schon fieberte ich dem  Feierabend entgegen.

Als es endlich soweit war, packte ich schnell meine Tasche und lief hinaus aus dem Gebäude, in dem ich mich überhaupt nicht wohl fühlte. Mir war nach Natur, nach Sonne auf der Haut und frischer Luft.

Mit leichten Schritten lief ich hinunter zum Flussufer. Hier hielt ich mich besonders gerne auf.

Ich liebte es auf einer Bank am Wasser zu sitzen und die Schiffe zu beobachten oder einfach nur vor mich hin zu träumen. Genau das wollte ich in diesem Moment. Schon von weitem sah ich, dass meine Lieblingsbank noch frei war.  Darüber freute ich mich, gerade bei diesem Wetter umso mehr. Ich beeilte mich meinen Platz einzunehmen. Als ich mich hingesetzt hatte, atmete ich erst einmal erleichtert auf.

 

Die Sonne schien mir ins Gesicht und ich schloss meine Augen. Zurückgelehnt genoss ich die Wärme und entspannte mich mit jeder Sekunde mehr. Ich wurde ruhiger und ruhiger und bald schon  trugen mich meine Gedanken fort. Durch die geschlossenen Lider sah ich Schattierungen. Mir gefielen diese Wellen, sie waren warm und mich durchfloss ein unsagbares Gefühl, als wenn ich von einer anderen Macht in ihren Bann gezogen wurde. Mir wurde noch wärmer und es fühlte sich an, als wenn ich in eine Decke gehüllt getragen wurde.

Ich schmunzelte und fühlte mich behütet, wie noch nie in meinem Leben.

 

Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Was war das? Zunächst geblendet und etwas verwirrt, schaute ich neben mir auf die Bank und erblickte eine alte Dame. Ich schaute sie überrascht an. Sie sah so nett und lieblich aus. Wie aus einer anderen Welt.

Ich zwinkerte mehrmals mit den Augen um mich zu vergewissern, dass ich nicht träumte. Wie war sie da hingekommen? Hatte ich geschlafen?

 

„Hallo, Sie haben wohl ein Nickerchen gemacht“, sagte die alte Dame zu mir und lächelte mich freundlich an.

„Oh, das  kann sein. Ich muss eingeschlafen sein, während ich mit geschlossenen Augen hier die Sonne genießen wollte.“ Die Dame nickte verständnisvoll.

So saßen wir einige Zeit nebeneinander und keiner sagte ein Wort.

„Machen Sie doch diese Ausbildung, die ihnen vorschwebt. Sie können es und es wird sich lohnen“, sagte sie plötzlich.

Ich schaute sie an und war überrascht. Hatte ich im Schlaf gesprochen?

„Woher wissen Sie?“, fragte ich. Die alte Damen lächelte.

„Wir wissen alles“, erklärte sie.

Wir? Ich dachte mir, diese Frau ist verwirrt. Dann beschloss ich einfach darüber weg zulächeln.

„Sie müssen die Gelegenheit beim Schopfe fassen“, sagte sie dann.

Ich schaute sie erneut verwundert an und wusste nicht so Recht, was ich sagen sollte.

„Welche Gelegenheit?“, fragte ich.

„Auf Sie wartet dieser neue Job, den Sie nur bekommen können, wenn Sie diese Ausbildung zusätzlich machen“, antwortete  sie.

Ich schaute erneut ungläubig in ihr Gesicht, welches immer noch lächelte.

„Woher wissen Sie? Doch sie lächelte ich nur an und sagte nichts mehr.

 

Was sollte ich von dieser alten Frau halten? Sie wusste Dinge, die sie nicht wissen konnte. Diese Person hatte ich zuvor noch nie gesehen. Es war mir  schleierhaft.

„Der junge Mann, wäre der richtige für Sie“, erklärte sie weiterhin.

„Er liebt sie und meint es ehrlich.“

„Welcher Mann?“, fragte ich und schaute sie fassungslos an.

„Dominik“, sagte sie.

„Dominik?“ Ich wusste nicht, woher sie diese Informationen hatte. Dominik war ein guter Freund und insgeheim hatte ich mich in ihn verliebt. Er war so ein toller Mann. Jede Frau war hinter ihm her und jede beneidete mich, wenn ich zusammen mit ihm ausging. Er war gutaussehend, charmant, ehrlich und man konnte mit ihm lachen und Pferde stehlen. Er war kurz gesagt ein Volltreffer. Aber ich war mir nicht sicher, ob er für mich die gleichen Gefühle hegte, wie ich für ihn. Eigentlich waren wir nur Freunde und dann plötzlich war da mehr von meiner Seite.  Wie es ihm ging, dass wusste ich nicht.

Aber woher wusste Sie davon?

„Woher soll ich wissen, ob er mich genauso liebt wie ich ihn?“, fragte ich die alte Frau.

„Das tut er“, erklärte sie und lächelte nach wie vor.

„Sie müssen sich nur trauen. Alles hängt von Ihnen ab. Finden Sie ihr Vertrauen und hören Sie auf die innere Stimme, dann gelingt Ihnen alles und Sie werden glücklich werden. Das weiß ich mein Kind.“

 

„Mein Kind?“, wieso sagt sie so etwas? Oder ist das nur eine Floskel, die alte Menschen benutzen?

Ich hatte die ganze Zeit auf den Fluss gestarrt und als ich mich zu ihr drehen wollte, war sie fort.

Ich konnte es nicht fassen. Wo war sie so schnell hin? Ich schaute mich um und meine Blicke suchten das Flussufer ab, aber nirgendwo war eine Spur von der alten Dame. Hatte ich wieder geträumt?

„Das gibt es doch nicht, das  kann doch nicht sein. Aber ich spinne doch nicht. Wo ist sie hin?“ Völlig konfus verließ ich die Bank und lief zu mir nach Hause.

 

Meine Gedanken kreisten und mir fielen die Dinge ein, die sie mir gesagte hatte.

„Vielleicht hat sie Recht“, sagte ich zu mir selber.

Ich sollte es wagen und mir endlich in den Hintern treten. Anfangen mein Leben selber in die Hand zu nehmen, um weiter zu kommen und um glücklich zu werden.

Auf meinen Bauch sollte ich hören. Ich glaube, es war ein guter Tipp.

„Ab jetzt werde ich damit beginnen.“ 

Von diesem Moment an spürte ich eine innere Energie. Als wenn eine unsichtbare Macht mir helfen würde und mich unterstützte in meinem Leben.

Ich machte diese Ausbildung und bekam danach den ersehnten Job. Von nun an war mein Beruf auch meine Berufung. Dominik und ich wurden ein Paar. Als ich ihm meine Liebe gestanden hatte, gestand er mir seine Liebe zu mir. Es war der schönste Moment in meinem Leben. Wir liebten uns innig und waren immer füreinander da.

Als ich seine Eltern kennenlernte, war ich verwirrt. Seine Mutter, erinnerte mich auf eine seltsame Weise an jemanden den ich kannte, aber wen? Während ich sie immer wieder anschaute, wusste ich es. Es war die alte Frau, der ich soviel zu verdanken hatte. Sie hatte mich bestärkt für meinen Job zu kämpfen und für die Liebe. Durch sie war ich zu dem Menschen geworden, der ich heute bin.

Ich hätte nie den Mut gehabt, wenn sie mich nicht bestärkt hätte.

Wie gerne würde ich ihr sagen, wie Recht sie doch hatte und dass ich ihr so dankbar bin.

Aber ich habe sie nie wieder gesehen.

 

Dominik durchbrach meine Gedanken.

„Schau einmal, hier ist ein altes Fotoalbum von mir, als ich noch klein war.“

„Au ja, das möchte ich gerne sehen. Du warst bestimmt ein süßes Kind“, lachte ich und schaute auf die Fotos.

Schon beim zweiten Foto überkam mich eine Gänsehaut am ganzen Körper. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Auf einem dieser Fotos befand sich die alte Frau vom Fluss.

Genau die Frau, die mich bestärkt hatte. Wie konnte das sein?

„Wer ist diese Frau?“, fragte ich verwundert und zeigte mit dem Finger auf die Person.

„Das ist meine Oma. Sie ist leider vor fünf Jahren verstorben. Ich habe sie sehr geliebt“, erklärte Dominik. Ich sah ihn ungläubig an.

„ Verstorben? Vor fünf Jahren?“, fragte ich fassungslos.

„Sie war meine Mutter und sie hat Dominik geliebt“, erklärte Dominiks Mutter.

„Kurz vor ihrem Tod hatte sie ihm versprochen, dass sie auf ihn aufpassen würde. Sie würde die passende Person an seiner Seite finden. Darauf könnte er sich verlassen.“

 

Ungläubig sah ich Dominik an. Er lächelte und nahm meine Hand. Dann schaute er mir tief in die Augen und sagte:

„Genau, das hat sie auch getan.“ 

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