Von Ingo Pietsch

 

Sein Name war Ringo Starr. Er war einer der besten, wenn nicht sogar der beste Kopfgeldjäger und Detektiv der Galaxis. Er spürte jeden und alles auf, wenn die Bezahlung stimmte.
Nicht jeder konnte ihn sich leisten und er nahm auch nicht jeden Auftrag an.
An seiner Seite war stets der humanoide Roboter LeNeN, der ihn bei seinen Missionen begleitete.
Mit seinem quietschgelben Raumschiff machten sie den Weltraum sicherer.
Als die Laderampe sich zischend gesenkt hatte, schritten die beiden nebeneinander herunter.

Starr strich sich den Staub von seiner Weste, prüfte, ob die beiden Pistolen richtig in den Holstern des Gürtels steckten und zog seinen Hut halb in sein Gesicht, damit er noch verwegener aussah.
LeNeN hingegen ging leger mit den Hüften wackelnd neben ihm her. Sein Äußeres war nur auf das notwendigste verkleidet, sodass er mehr als Maschine, denn als Mensch aussah.
Am Ende der Rampe blieben sie stehen.  Starr blickte nach oben in den rötlichen Himmel. Der Himmel war nicht wirklich Rot, denn ein Gasriese in Rostbraun dominierte das Firmament.
LeNeNs Kopf schwenkte hin und her, denn er sondierte die Lage.
„Du hörst dich beim Raumhafenmeister um und ich fahre zum Bahnhof rüber.“ Starr nickte in Richtung Stadt. Dazwischen lag ein Fluss mit einer ausgedehnten Brücke darüber.
LeNeN tippte an seine imaginäre Hutkrempe, denn er trug ja keine Kleidung und stapfte davon.
Starr ging Richtung Ufer.
Sie jagten Lucy. Sie war mit einem Frachter hier angekommen, um nicht gleich entdeckt zu werden. Lucy war eine berühmtberüchtigte Diebin und Betrügerin, die selbst vor den mächtigsten Gangsterbossen nicht Halt machte. Und dies würde ihr jetzt zum Verhängnis werden. Denn Starr schnappte sie alle.
Schon einmal hatten sich ihre Wege gekreuzt, aber dies war rein privat gewesen.
Das Problem war, dass Lucy von einem Volk angehörte, das der Suggestion mächtig war.
Und Starr war beim letzten Mal darauf hereingefallen. Ein kurzer Blick in ihre Kaleidoskopaugen genügte, um die unwahrscheinlichsten Dinge zu sehen.
Starr trug eine Spezialbrille, die alle psionische Energie filtern konnte. Damit wären ihre Kräfte gegen ihn wirkungslos.
Starr vermutete, dass sie in der Stadt untertauchen oder sich einen Weiterflug organisieren wollte.
Die Kristalle, die sie entwendet hatte, waren ein Vermögen wert. Allerdings war dieser Planet nur eine Zwischenstation, um ihr Diebesgut auf dem Schwarzmarkt zu verticken.
Starr beschloss, einen der Fährmänner zu fragen, ob er sie gesehen hätte.
Sie hätte auch einen Gleiter nehmen können, schließlich kannte sie hier niemand. Doch die Boote waren anonymer.
Am Ufer wuchsen riesige Bäume mit Orangen, die in der Sonne glänzten. Es roch nach Frühling und der warme Wind war angenehm.
„Hey Mister, wollen Sie in die Stadt?“, sprach ihn ein junger Mann mit großen Augen an.
Starr ging auf ihn zu und zeigte ihm ein Hologramm von Lucy. „Haben Sie diese Frau schon einmal gesehen?“
Der Mann kratzte sich am Kinn: „Kann schon sein. Setzten Sie sich doch. Mein Name ist Meck-Kart-Nee.“
Das Nee hallte in seinem Kopf immer wieder und im nächsten Moment saß er in einem der Boote. Unter Kopfschmerzen ploppten riesige gelbgrüne Blüten vor seinen Augen auf und ließen ihm schlecht werden, da er ihnen nicht ausweichen konnte.
Zeichentrickfiguren vollführten wilde Tänze.
Der Druck in seinem Kopf wurde stärker und ließ wieder nach. Jedes Mal, wenn er abebbte, dachte Starr, es wäre vorbei, doch es begann dann wieder nur umso stärker
Dann hörte er, wie Lucy seinen Namen rief und ihn wieder in Realität zurückholte.
Er stand immer noch am Ufer und hatte sich nicht einen Schritt bewegt.
Verdammt! Schoss es ihm durch den Kopf. Nicht nur ihr Blick hypnotisierte, sondern auch ihre Stimme!
Sie war der Kapitän des Schiffes gewesen und er hatte sie nicht erkannt.
Wieder hörte er seinen Namen.
Nahe der Brücke stand sie: Ihr dunkles Haar wehte im Wind und ihre Augen schienen zu glühen. Sie wirkte unwiderstehlich auf ihn.
Er versuchte sich ihr zu nähern, aber die Distanz verringerte sich einfach nicht.
Starr dämmerte es, dass er immer noch unter ihrem Bann stand.
Unter der Brücke wuchsen unheimlich hohe Blumen, zwischen denen Lucy verschwunden war.
Starr kämpfte sich hindurch, auf eine Lichtung, wo Einheimische, halb Mensch halb Pferd ein Picknick machten: Sie aßen Kuchen mit kleinen weißen Stücken darauf und tranken Bowle aus einer riesigen Tonne.
Pferdegesichter schaukelten Starr immer wieder entgegen und lachten ihn wirr an.
Starrs Kopf drohte zu platzen. Nicht einmal, als man ihn unter Drogen gesetzt hatte, um Informationen aus ihm herauszupressen, hatte er so phantastische Dinge gesehen.
Starr taumelte auf das Ufer zu, die Augen fest geschlossen, um dieser Scheinwelt zu entfliehen. Alles drehte sich um ihn herum. Er streckte seine Hände aus, um nach den Traumfiguren zu greifen, aber da war nichts. Seine ausgetreckten Hände bekamen einfach nichts zu fassen. Er taumelte im Zickzack
Ein Gleiter hielt neben ihm. Nachrichten liefen über die Oberfläche des Fahrzeuges, soviel konnte er gerade noch erkennen, bevor er endgültig in einem Meer aus Wolken ohnmächtig wurde.

 

Als Starr die Augen wieder aufschlug, hatte er mächtige Kopfschmerzen.
Er saß auf einer Bank am Bahnhof der Stadt.
Starr zuckt zusammen. Neben ihm saß LeNeN.
„Die Brille hat anscheinend nicht geholfen“, sagte er, als könne er Gedanken lesen.
„Brillant kombiniert.“ Kommentierte Starr ironisch. „Ihre Stimme ist genauso gefährlich wie ihr Blick.“
LeNeN reagiert nicht darauf. „Ich habe herausgefunden, dass sie hierher wollte. Und das ist noch gar nicht so lange her. Sie könnte also noch hier sein.“
Starr schüttelte den Kopf. „Der Bahnhof ist viel zu riesig. Wir werden sie nie finden.“
Zwei Polizisten führten Personenkontrollen bei einer Gruppe vermummter Gestalten in langen Roben durch. „Das sind nicht die Druiden, die wir suchen. Weitergehen!“
Unzählige Menschen und Nichtmenschen wuselten wie Ameisen hin und her.
Doch wie auf ein Kommando stand Lucy plötzlich vor einem Transportzug, der zu einem der Shuttles fuhr.
Sie winkte ihm zu, mit einem Koffer in der Hand.
„Sie verhöhnt uns!“, stieß Starr wütend aus.
„Nur dich, ich kann keine Emotionen empfinden.“
Der Kopfgeldjäger ignorierte die Bemerkung: „Die schnappen wir uns.“
In aller Ruhe betrat Lucy den Zug und tauchte in der Menge unter.
Starr und LeNeN drängelten hinterher.
Ein Kontroll-Roboter mit einem Display auf der Brust versperrte ihnen den Weg. Diverse Sprachen liefen über den Monitor: „Fahrkarten oder Scan-Codes bitte.“ Erfragte er mit menschlich modellierter Stimme.
„Oh, ein George-Modell! Wir stammen aus dem selben Werk! Haben Sie diese Frau gesehen?“ LeNeN hielt ein Hologramm hoch.
Die Augen des George verengten sich unmerklich. Dann zeigte er nach draußen.
An einem der Drehkreuze am Bahnsteig stand Lucy, strich sich durch ihre schwarzen Haare und lächelte ihnen zu. Sie hatte eine dunkle Brille auf der Nasenspitze sitzen und hielt wieder demonstrativ den Koffer mit dem Diebesgut hoch. Ihr Kaleidoskop-Blick verschwand hinter den Gläsern, als sie die Brille hoch schob und sich abwandte.
Bevor Starr und LeNeN reagieren konnten, schlossen sich die Zugtüren und sie fuhren los.
Starr hieb an einen Haltegriff und der George wiederholte: „Fahrkarten oder Scan-Codes bitte!“

 

Viel später erreichten Starr und LeNeN wieder den Frachtraumhafen, wo ihr Schiff geparkt stand.
Die Jagd war ein völliges Desaster gewesen.
Beim nächsten Mal würden sie sie sicher erwischen.
„LeNeN erinnere mich daran, dass ich Ohrstöpsel oder Kopfhörer mit einpacke. Bin ich froh, wenn wir von diesem Planeten wieder wegkommen. Das war einfach nur peinlich.“
„Das dürfte ein Problem  werden.“ LeNeN schaute nach oben.
„Das Erinnern? Wie das?“, Starr starrte seinen Begleiter an und dann ebenfalls nach oben. „Ist das unser Schiff, die „Submarine“?“
„Ich fürchte ja. Ihre Freundin scheint sie ausgeraubt zu haben, als sie unter ihrer Hypnose standen.“
Starr tastete seine Taschen nach der Schüsselkarte für das Raumschiff ab.
Das gelbe Schiff verschwand in den Wolken.
„Lucy, ich werde dich kriegen!“ Starr hob sinnfrei seine Faust.
„Ono.“ Sagte der Hafenmeister, der an ihnen vorbeischlenderte.
„He?“, fragte Starr verwirrt.
„Yoko Ono. Den Namen hat sie mir genannt. Und sie hatte so strahlend schöne Augen.

 

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