Von Maria Monte

Der Wettergott meint es seit Tagen wirklich gut. Es ist Anfang August, noch liegt die Wärme des Sommers über dem Wald- und Wassergelände der Sportgemeinschaft. Vom See her kommt eine leichte Brise mit herbstlicher Note. Ob es die Ebereschen sind, die erste Zeichen senden? Heute ist Samstag und ein Tanzabend unter dem Motto „Luftiges“ ist lange geplant. So herrscht schon am Vormittag in und um die Kultureinrichtung reges Treiben. Ein Trupp von Sportfreunden kümmert sich fröhlich um die Ausschmückung des Kulturraumes, dekoriert die langen Tafeln und versucht, Luft in die vielen bunten Luftballons zu bekommen. Diese werden dann zahlreich über die Tische und die Tanzfläche gehängt. Carsten hat sich zum Barkeeper für diesen Abend ernannt. Er mixt schon mal seine selbstkreierte Bowle und bietet allen Helfern nach getaner Arbeit ein Probeschlückchen an. Inzwischen baut auch DJ Klaus seine Anlage auf und platziert seine Diskokugel. Alles läuft reibungslos.

„Endlich können wir mal wieder unser Tanzbein schwingen“, hören wir die Sportfreunde von allen Seiten schwärmen. Wir, mein Mann und ich, gesellen uns zuerst zu den Gleichaltrigen und stoßen mit Wein auf diesen wunderschönen, lauen Abend an. Später ziehen wir weiter zu den Jüngeren, die in einer großen Runde bei Bier, Wein und Bowle bereits lautstark schwatzen und weitaus lustiger und lockerer ihren Bewegungsdrang in einer Art Hip Hop Stil auf die Tanzfläche bringen. „Ist es nicht ein riesiges Geschenk, dass wir diesen Abend so gesund und ausgelassen genießen können?“ fragen wir uns das eine und andere Mal nach einem Tänzchen. Klaus legt viele Titel der Stones auf und so rocken wir nach „Satisfaction“, „Honky Tonk Woman“ und all den verrückten Titeln der siebziger Jahre, bis die Dunkelheit den weiten Sternenhimmel preisgibt. Dabei vergessen wir Zeit und Raum, fühlen uns wieder jung und genießen die lockere Atmosphäre. In der klaren Luft liegt ein süßlicher Geruch, die Joints kreisen und die Stimmung wird immer ausgelassener und euphorischer. Klaus spürt, dass eine Pause allen gut tun würde. Er legt „Lucy in the Sky“ auf und schlägt ein Spiel vor. Jeder soll seine entstehenden Phantasien erzählen. Heidi torkelt bereits zwischen den Stühlen, sucht nach einem Ruheplatz. Schwer kommen die Worte über ihre Lippen: „Wollen wir uns dazu in den Sand legen?“ Marion, die sich inzwischen auch benebelt fühlt, ergänzt freudig: „Dann können wir die Sternschnuppen besser beobachten.“ Gesagt, getan. Bald liegen wir auf dem warmen Sand, lauschen den Nachtgeräuschen vom Wald und vom See und schauen gebannt in den nächtlichen Himmel. Marion stimmt irgendwann das Lied an: weißt du, wieviel Sternlein stehen und jeder singt mit. Plötzlich fallen uns die Textzeilen ein, kommen wie Purzelbäume aus dem Gedächtnis. Keiner lacht, alle singen andächtig, fast spirituell das alte Volkslied.

Freddy eröffnet die Phantasierunde. Er meint, er sehe in der Milchstraße Bäche von Milch fließen, die Schleier würden förmlich sprudeln und die Entfernungen zwischen den Sternen mit Bächen verbinden. Lucy badet sicher darin, so nach dem Motto, wo Milch und Honig fließen. Stille.

Klaus will uns unbedingt etwas von Lucy aus dem Hit erzählen. Sein Metier ist eben die Musik, da kann keiner von uns mithalten. Nun, durch jeden neuen Zug an der Cannabiskippe verspürt er unbändiges Mitteilungsbedürfnis. „Ich sehe ein Boot auf einem Fluss, könnte auch unser See sein. Mandarinenbäume ragen in den Marmeladenhimmel und ein Mädchen ruft. Ich weiß noch nicht, ob es Lucy ist.

Hey, gebt mir noch einen Zug vom Joint.

Ich sehe überall Blumen, gelbe und grüne und suche nach der Stimme. Vielleicht ist diese ja orange oder rot. Bei dem Brunnen gibt es eine Brücke, auf der sich viele Menschen auf Schaukelpferden fortbewegen. Jeder lacht und freut sich. Die Freude lässt alle und alles in den Himmel wachsen.“

Klaus lässt sich einen neuen Joint drehen.

„Jetzt sitze ich in einem Taxi, mein Kopf schaut schon in die Wolken. Könnt ihr mich noch sehen?“ „Na sicher, du liegst mitten unter uns, lieber Klaus,“ tönt Sandra. „Keine Angst, es gibt heute keine Wolken, es ist sternenklar.“ „Aber nun sitze ich in einem Zug. So komisch aussehende Dienstmänner mit Spiegelkrawatten gehen von Abteil zu Abteil, ich frage nach Lucy. Und plötzlich steht sie tatsächlich am Drehkreuz und winkt mir zu.“

Oh, jetzt brauche ich nur noch einen Zug von der Kippe, dann bin ich bei Lucy.“

Sandra erschrickt. „Hey Leute. Merkt ihr noch was? Drehkreuz, Himmel, Lucy ganz dicht zum Greifen nah, das ist doch unheimlich. Das ist keine träumerische Utopie mehr, das klingt nach Abheben, dem Koma nah. Ich habe ein mieses Gefühl. Tut er nur so oder hat der Alkohol seine Sinne durch das Kiffen verstärkt benebelt?“ Nun vermeldet Klaus ein Unwohlsein. „Mir liegt etwas quer vor meinem Magen, ich komme gleich wieder.“ Er bewegt sich von uns weg wie in Zeitlupe. Die Beine gehorchen ihm nicht mehr, sie rutschen wie Gummi weg. Auf allen vieren versucht er, das Gebüsch zu erreichen. Auf dem Weg dorthin hören wir sein unkontrolliertes Lachen und Keuchen. Vor Schreck erwachen wir aus unserer entspannten Trägheit. Ich hatte mich nicht in jeder Runde am Kiffen beteiligt. So kann ich mit relativ klarem Kopf entscheiden: „Wir sollten Klaus helfen!“

Ich hole eine Schubkarre und fahre damit vor. Die Männer bugsieren Klaus hinein und legen ihn auf seiner Terrasse in den Liegestuhl. Er wird wohl in dieser Nacht nicht nur Lucy, sondern auch alle Englein im Himmel singen hören.

 

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