von Monika Heil
Kommissar Wegener sieht Annette freundlich an.
»Nun berichten Sie mal der Reihe nach. Sie sind also Verkäuferin im Kaufhof und da haben Sie diesen Mann mehrfach bedient.«
»Naja, ist ja mein Job. Ich verkaufe Damenunterwäsche. Und da kommt doch dieser Typ, immer freitags übrigens, und will Bodys kaufen. Dürr, wie ´ne Bohnenstange. Fettige Haare, Wuschelbart, Jeans, mit irgendwelchen Sprüchen bedruckte T-Shirts wie zum Beispiel ´Ich denk´ ich spinne.` Ich bin ja ein höflicher Mensch. Aber so ´nen Typen, nee, Herr Kommissar. Heute Morgen habe ich mich krank gemeldet. Nur, um diesem Kerl nicht zu begegnen.« Sie schüttelt ihre blonden Locken und schaut angewidert auf die Schreibtischplatte vor ihr.
»Sie gingen in die Stadt?«
»Naja, war doch so schönes Wetter und ich musste für´s Wochenende einkaufen. Und wie ich da im Burger King einen Hamburger köpfe, kommt doch tatsächlich dieser Typ rein und setzt sich an meinen Tisch. Ich krieg´ die Panik. Wollte gleich raus. Aber das Tablett war doch noch so voll.« Und dann wiederholt sie den Dialog.
»Was essen Sie denn für´n Mist?«, fragte der Kerl.
»Ich kann mir nichts besseres leisten.«
Sie wendet sich wieder dem Kriminalbeamten zu.
»Ist doch wahr, Herr Kommissar. Wissen Sie, was eine Verkäuferin im Kaufhof verdient?«
»Zur Sache, Fräulein Hübsch.« Sie fährt in der Wiedergabe des morgendlichen Dialoges fort.
»Wissen Sie, dass ich Koch bin?«, fragte der Kerl. »Ich könnte Sie mal zum Essen einladen. Meine Kohlrouladen sind Spitze.«
»Ich vertrage keinen Kohl.«
»Dann zu Lachs und Kaviar und Sekt.«
Sie schaut den Beamten an.
»Herr Kommissar, ich habe noch nie Kaviar und Lachs gegessen. Na und so eklig sah der Kerl heute morgen bei Tageslicht gar nicht mehr aus. Ich weiß nicht, aber irgendwie stand mir der Kaviar immer vor Augen. Na ja, ich ging eben mit.«
»Sie folgten ihm also in seine Wohnung?«
»Wohnung? Pah, wissen Sie, wo der wohnt?«
»Ja, das weiß ich«, lächelt Kommissar Wegener süffisant. »Ich war ja vorhin am Tatort.«
»In dieser winzigen Bude im Hochhaus am Savignyplatz?«
Sie schüttelt erneut ihre blonde Haarpracht. »Eine Matratze auf dem Boden, ein kleiner Tisch und ein Stuhl. Die Klamotten an Haken an der Wand. Nee, Herr Kommissar, da sollte ich Kaviar essen und Sekt trinken?«
»Was geschah dann weiter?«
»Der Kerl schloss die Tür zu, zog den Schlüssel ab und meinte: ´Setz dich schon mal da hin. Ich hole den Sekt.` Dabei zeigte er auf die Matratze. Ich war so erschrocken! Also, ich fiel direkt vor Schreck auf dieses Lager. Da brachte der Kerl eine Flasche und zwei Gläser. Ich hatte die Tür erst gar nicht gesehen. Wohl die Küche, dachte ich. ´Sekt`, sagte er. Das war billiger Schaumwein. Haben wir auch in der Feinkostabteilung. Und dann son´ Teller mit so schwarzem Zeug drauf. Sah aus wie Mäusedreck in Marmelade. Igitt, Herr Kommissar, hab´ ich mich geekelt!«
»Und dann?«
» ´Ich muss auf´s Klo`, habe ich gesagt. Da schickte er mich in den Nebenraum. Von wegen Küche. Das war das Klo! Ich hatte mich gerade gesetzt, da habe ich gehört, wie es draußen geklopft hat. Der Kerl muss die Tür aufgemacht haben. Dann fielen die Schüsse und dann war Ruhe. Ich hab´ vielleicht gebibbert. Und irgendwie bin ich dann raus. Da lag er tot auf dem Boden. Den Kopf direkt im Kaviar. Um ihn herum all die Bodys, die er in den letzten Wochen gekauft hatte. Ich bin vielleicht gerannt, sage ich Ihnen. Unten auf der Straße habe ich Sie gleich angerufen und bin dann erst mal nach Hause. Ich war ja fix und fertig. Und dann bin ich gleich für das Protokoll hierher gekommen. Wie Sie das wollten.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Wen, den Mörder? Glauben Sie, ich gucke durch´s Schlüsselloch?«
»Könnte es sein, dass Sie …«
»Iiiich??? Wieso ich? Ich saß doch auf dem Klo als die Schüsse fielen. Ich hatte doch so schreckliche Blähungen wegen dem Krautsalat bei dem Hamburger.«
Kommissar Wegener lächelt.
»Sehen Sie, Fräulein Hübsch, was Sie mir da erzählen, ist fast alles richtig. Bis auf eine klitzekleine Kleinigkeit. Umgefallen ist der Mann tatsächlich. Passiert ihm öfter in Schrecksekunden, sagt er. Ist medizinisch belegt. Ich habe den Fachausdruck dafür vergessen. Wie dem auch sei. Offensichtlich hat er im Fallen den Karton mit den Bodys umgerissen, die dann herausfielen.«
»Und was hat ihn erschreckt?« Stirnrunzelnd schaut sie den grinsenden Beamten an und setzt dann hinzu. »Heißt das, der ist gar nicht tot?«
»Richtig, Fräulein Hübsch. Ich sagte ja schon, es stimmt alles, bis auf eine klitzekleine Kleinigkeit. Es gibt keine Tatwaffe und es gab keine Schüsse. Das waren Ihre donnernden Fürze«, sagt er. »Und das bedeutet, der Sachverhalt ist geklärt. Ein Protokoll erübrigt sich. Der Mann heißt übrigens Bodo Pampers und braucht die Bodys für seine Travestie-Shows im Kleinkunst-Theater erklärte er.«
Version 2