Von Talita Schönberg

Mit grimmigem Gesicht sah er sich das bunte Treiben der Menschen an. Sein Blick wanderte zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten und wütend, als wolle er jeden einzelnen der 50 Sterne darauf zerpflücken, riss er die Fahne vom Mast.

Noch vor gar nicht langer Zeit hatte er selbst hier sein Unwesen getrieben. Hatte die wankelmütigen Menschen mit Fastfood und allerlei Anderem verführt, bis sie sich als dicke, träge Sünder entpuppten. Das Konzept ging auf, bis plötzlich dieser größenwahnsinnige, orange haarige Greis auf der Bildfläche erschien und skandalös schnell zum neuen Herrscher dieses Sündenpfuhls emporstieg. Seine Augen verengten sich und erzürnt sah er dabei zu, wie ein weiterer Schuldiger sein Ende auf dem Gnadenstuhl fand. Früher einmal war dies seine Aufgabe gewesen. Nachdem sein Vater ihn verbannt hatte, war es in seine Hand gelegt worden, Sünder in ewiger Verdammnis ganz nach seinem Ermessen zu bestrafen. Jene die das Fegefeuer als Sündenbock enttarnte, wurden von ihm und seinen Untertanen jeden Tag aufs Neue gepeinigt und bestraft, bis sie alle um Gnade winselten. Doch diese Zeiten waren anscheinend vorbei. 

Voller Zorn schleuderte er laut polternd den Dreizack in die Ecke. Von dem Lärm angelockt, erschien seine rechte Hand und Lieblingsgespielin. Fragend schaute sie sich um und verstaute eine blutverschmierte Peitsche in ihrem Gürtel. Sie hob das teuflische Zepter vom Boden auf und betrachtete ihren wütenden Anführer eingehend. Grinsend stieg die Dämonin die schwarzen Stufen zum Thron empor und sprach: „Du hast heut noch schlechtere Laune als sonst mein Herr, welcher Sünder hat diesmal deinen Zorn auf sich gezogen?“ 

Der Gehörnte schnaubte verächtlich und sprach: „Sünder? Es ist die ganze Erde, die aus den Fugen gerät!“ 

Er richtete den Dreizack auf die verkohlte Höllenwand und wie durch Zauberhand erschienen dort mehrere bewegte Bilder.

„Sieh selbst! Im Namen meines Vaters werden Kriege geführt, Menschen erschießen sich auf offener Straße. Schau ins Land der Mythen und Götter, dort sieht es nach dem Brand im Reich der Vertriebenen schlimmer aus als die Höllenlandschaft hier unten. Sie produzieren Unmengen Müll und Gift, bis selbst der letzte Flecken Erde krank ist. Nicht mehr lange und dort oben herrschen die gleichen Temperaturen wie bei uns in der Hölle. Ja, schon bald wird die Erde selbst ein lebensfeindlicher Ort sein. Und schon jetzt versetzt die herrschende Pandemie mehr in Angst und Panik, als das Wissen um die Qualen der Hölle je könnte.“ 

Nachdenklich zog die Dämonin ihre Peitsche aus dem Gürtel und schwang sie laut knallend durch die Luft. „Oh Meister, wir könnten sie doch noch härter bestrafen!“

Ein unmotiviertes Lachen ertönte aus der Kehle des Gehörnten und mit einer Bewegung des Zepters erschien das Bild einer mit Ledermöbeln eingerichteten Kammer. Die Aufnahme zeigte eine leicht bekleidete Dame, die allerhand Folterwerkzeug an ihrem Gespielen verwendete, der sich wiederum deutlich sichtbar daran ergötzte.

„Sie empfinden mittlerweile Lust daran. Diese irdischen Qualen bereiten ihnen Freude und keine Angst. Wo ich auch hinsehe, nur noch gequälte Seelen, die sich apathisch ihr eigenes Grab schaufeln. Jeder übt sich in Selbstjustiz und richtet über die Lebenden und die Toten. Die Hölle hat ausgedient. Wir werden zukünftig nicht mehr von Nutzen sein und die Letzten hier unten, wenn das Fegefeuer erlischt. Und wo wollen wir dann hin, wir und all die Verbannten der Unterwelt?“

 

Eine Stille breitete sich aus, die nicht einmal durch die lauten Schmerzensschreie und Gnadenrufe der Sünder aus dem Höllenfeuer übertönt werden konnte. 

Mit starrer Miene zischte die Dämonin: „Eher friert die Hölle zu, als das ich meine Berufung aufgebe und mich feige winselnd verkrieche!“ 

Tobend ließ sie die Peitsche knallen. 

„Denk nach Luzifer, du als gefallener Engel müsstest es doch besser wissen. Stand nicht schon in der Bibel geschrieben: Die Letzten werden die Ersten sein?“

Mit vor Wut rot glühenden Augen und stechendem Blick, bei dem jeder Normalsterbliche zu einem Haufen Asche zerfallen wär, sah er sie an. Und plötzlich breitete sich ein teuflisches Grinsen in seinem Gesicht aus.

„Was bist du nur für ein gerissener Satansbraten! Diese armseligen Kreaturen Gottes bereiten sich selbst die Hölle auf Erden.“ 

Hämisch grinsend feuerte die Dämonin ihn an: „ Sie ebnen dir den Weg und schaffen die richtige Atmosphäre für dich mein Herr. So steige empor durchs Portal und gebe ihnen den Meister, nachdem sie unbewusst suchen!“ 

Ein lautes, grollendes Lachen brach aus der Kehle des Gehörnten und siegessicher erhob er den Dreizack. Die Wände bebten und Flammen schossen aus dem Boden, bis sich das Gestein verflüssigte.

Auf Erden war unterdessen von dieser Verschwörung fast nichts zu bemerken, bis auf ein kleines, unscheinbares Beben und Aschewolken am Ätna.

 

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