Von Harald Hachenburg

Da war es wieder, das lähmende Gefühl, nichts auf die Reihe zu bekommen! Kaum steht eine unerwartete Aufgabe vor dir – Panik! Panik, und im ersten Reflex alles hinwerfen! 

So geht das schon das ganze Leben, und das obwohl sie dir schon neidvoll zugestanden haben, 

„du hast alles richtig gemacht!“ 

Dabei hast du dem Lutz damals noch über Tage und Wochen gut zugeredet, hast versucht, ihn zu überzeugen, das günstig erworbene Grundstück nicht vorschnell wieder zu verkaufen. Aber Lutz, der wußte ja alles besser – wie immer! Und dann brachte ihm seine Ungeduld nichts ein als weitere Ausgaben … und der erhoffte Gewinn war futsch!

Dann dieser total chaotische Vogel, der sich ungefragt in unsere Gruppe gedrängt hatte. Lutz nannte ihn gleich liebevoll den „Therapeuten“, dabei war der es, der hätte therapiert werden müssen! „Lulle“, hab‘ nicht nur ich gesagt, „merkst du noch was, der Typ ist doch nicht ganz dicht!“ Aber nein, Lutz, blind wie ein frisch Verliebter, nimmt die schräge Gestalt tatsächlich als Partner in seine Werkstatt – und wird zu böser Letzt aus dem eigenen Betrieb gefeuert … und jetzt muß ausgerechnet der Lutz mir in seiner zynischen Art vorhalten, „hast du alles richtig gemacht“ – schöne Freunde, das!

„Hmm, den letzten beißen die Hunde    Wuffuff,     oder wie nannten die die verfluchte Aufgabe?“ Da 

freust du dich    Kläff    Lumpi, gelle, wenn du Hund hörst, ja, ich weiß, wenn du Hund    Wau    hörst, dann weißt du, daß von dir die Rede ist    hechel hechel    feiner Hund    Wauau   , sieht danach aus, als müßtest du mal    Wau Wau, Wauauwau    na, dann los, gehen wir     Kläff.

Beim Gassieren (meine Kreation für Gassigehen) fällt mir Soni ein. Der hatte vor unendlich vielen Jahren an meinem Verstand gezweifelt, nachdem ich das Angebot ausgeschlagen hatte, in seinem Betrieb anzufangen. 

„Bei mir verdienste richtich Kohle … “, stellte er mir in Aussicht,

„haste ja recht Soni, aba, det janze Leben son Knochenjob … draußn, bei jem Wetter, det janze Jahr?

„Dafür haste aber ooch keen Chef, der dir ewig rumkommandiert … “, 

„und du, Soni, du bist doch denn meen Chef, oda wie?“ 

„Hmmjaa, aber det is doch wat janz anders .“ –

„Nee nee Soni, ick seh det in de Firma meiner Eltern, die Möbelträja, wie die alle mit ihrn Rückenschmerzen zu kämpfen ham, die ham bestimmt wenich Spaß anner Rente – irjendwann bin ick ooch alt, und denn möchtick lieber wenijer Jeld verdient ham, hab‘ dafür aba heile Knochen!“ 

„Überlech dir det nochmal, mit die Kohle kannste nachher die Puppen tanzen lassen “, 

„nee Soni, da sitz‘ ick lieba in meen warm Kabuff, jerade, wenn’t draußen eisekalt is oder rechnet – denn hab‘ ick eben wenija Jeld – und soo wenich is et ja nu ooch wieda nich!“

Nun haben sich die Bürotüren bereits vor acht Jahren hinter mir geschlossen, ja, nu mach‘ mal, Lumpi, jetzt geht’s langsam wieder Heeme, ins Körbchen – und was macht der Soni heut‘, außer, daß der auch noch ein Jahr älter ist, als ich? Der muß noch immer schuften, bei jedem Wetter … 

„Warum“, fragen Sie? 

Naja, der hat fast sein gesamtes Kapital vor der 2000er Börsenblase in die Luftnummer „New Economy“ gesteckt – die Folgen dürften wohl noch in Erinnerung sein? Und dann mußte er mit fast 50 unbedingt noch zwei Kinder machen – da hat er jetzt den Kopf voll, seine Rente ist zwar gut, aber ein Ende der Ausgaben fürs Studieren der beiden Töchter ist noch nicht auszumachen.

„Moment, „ausmachen“, das ist das Schlüsselwort! – Wie lautete die Aufgabe doch gleich, der ich mich stellen soll? Und, wie sagt man das überhaupt korrekt, „stellen wir uns diese Aufgabe“oder „stellen wir uns dieser Aufgabe?“ Ganz egal und wie auch immer, mit deiner Entscheidung, sich ihr zu stellen, hast du auf jeden Fall die Arschkarte gezogen! – 

Oder? Wieso eigentlich? niemand weiß doch was von den Zweifeln, die dich plagen. Du kannst doch einfach behaupten, „es tut mir sehr leid, aber sie wissen ja, die Dinge nehmen ihre Zeit in Anspruch … und überhaupt, ich hab‘ ja nur einen Kopf und zwei Hände … .“ 

Aber aber, du immer mit deinem dämlichen aber, die dümmsten Sätze beginnen immer mit „du hast ja recht, aber … “, 

„und wie lautete die Aufgabe“, meldet sich dein Gewissen sowieso gleich wieder? denn neben dem Kopf und den beiden Händen hast du ja auch noch deinen Arsch, und auf den setzt du dich jetzt und fängst erstmal an!

Arsch Arsch – wie ging dieser alberne Spruch, „keen Arsch inner Hose, aba inner Kirche La Paloma pfeifen!“

Na, das ist ja wieder mal der typisch schnurgerade Zick-Zack-Kurs, in dem du dein Ziel ansteuerst, oder? 

Na und, ist immer noch besser, als gar nichts tun – also, was war noch zu erledigen? – Ach so, jetzt ist‘s mir eingefallen, es ging um das Licht am Ende des Tunnels! 

Na dann paß mal gut auf, daß das kein Mündungsfeuer ist … 

ha ha ha, sehr witzig, hilft mir aber auch nicht weiter, ich konzentrier‘ mich jetzt lieber auf die Aufgabe. 

Irgendein Letzter macht was – aber was? – Mußte der letzte für das, was zu tun war, nun deshalb besonders schlau sein, oder wie? so wie Ralf, auf den ich mit Engelszungen eingeredet hatte, auf keinen Fall aus der Gesetzlichen auszusteigen und in die Private zu wechseln!

„Wieso Harry, so spar‘ ich jede Menge Kohle … “

„Ralli, die ködern Dich mit der Kohle nur solange, bis Du nicht mehr in die Gesetzliche zurückkehren kannst, ich hab’s gesehen, wenn Du dann auf Rente gegangen bist, ziehen die Dich richtig ab – dann, wenn’s zu spät ist für Dich … 

Da war’s doch schon wieder, „spät“, was hatte ich mir da bloß aufgeladen? 

Es heißt doch „der frühe Vogel fängt den Wurm“, und nicht der späte … 

Oder täusche ich mich, und es ging gar nicht um spät? – 

„Wer zu spät kommt, den straft das Leben“ – wer hatte das doch gleich gesagt? Komm ich jetzt auch nicht drauf – ist außerdem Quatsch, strafen tun einen immer nur Menschen! 

Aber, bei der Aufgabe ging es, glaube ich, überhaupt nicht um Strafe, oder sowas – es ging doch – jetzt hab ich’s, es ging um den letzten … Mohikaner?? Nee, da kam kein Indianer drin vor, da war eher die Rede vom letzten Mann! oder war’s der Dritte Mann? Vielleicht in der Art, wie der Käpitän auf der Titanic, aufrecht stehend, die Hand an der Kapitänsmütze und das Schicksal mit dem todgeweihten Dampfer teilend, wie sich das nach so einer ausgemachten Dummheit ja wohl auch gehört, – wobei, wo und wie soll der da noch aufrecht gestanden haben … ?

Der Letzte, der Letzte- da gibt’s ja wieder unendlich viele Möglichkeiten! Der letzte Tropfen, der im Glas verbleibt? Goethes armer Tropf vielleicht, von allen Guten Geistern verlassen? Oder der, von dem die Leute sagen, „da hilft kein Schütteln, da hilft kein Klopfen – der geht immer in die Hose, der letzte Tropfen?“ Hihi, 

war nur ein Spaß. Nein! Es hieß so wie machen, etwas machen – vielleicht Gelände gutmachen? Aber welchen Sinn hätte das?

„Auf, laßt uns brechen – und auf den Weg machen“, das würde nach dem berühmten Tropfen, der das Glas zum Überlaufen bringt, d e m einen Tropfen zuviel, ja, das würde da noch eher hineinpassen!

Aber, so richtig sicher bin ich mir noch immer nicht, wie die Aufgabe lautet … 

„Schatzi, kommst Du jetzt ins Bett, Lumpi schnarcht schon, ich bin auch hundemüde … und vergiß nicht, das Licht auszumachen.“

Unter solchem Zeitdruck kann doch kein vernünftiger Mann arbeiten, geschweige denn, sich seiner wichtigen Aufgabe entsinnen, Gäähhn, okay, aber dann nehme ich gleich nach dem Aufstehen noch mal Anlauf, kann doch wohl nicht so schwer sein … 

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