Von Andreas Schröter

Zu Beginn meiner Zeit als Erwachsener hatte ich nicht besonders viel Glück mit den Frauen. Meine ersten drei Freundinnen hatten alle zumindest eine kleine Lockerung im Oberstübchen, um es aus heutiger Sicht mal so zu formulieren. Das hört sich jetzt etwas herablassend und negativ an. Soll es nicht. Ich habe all diese Frauen heiß und innig geliebt. Aber heute denke ich: Warum konnte ich mich nicht einfach in ein nettes Mädchen mit hübschen Rundungen und einem kleinen Helfer-Komplex verlieben? Letzterer hätte vielleicht dazu geführt, dass mir abends ein fertig gebratenes Rumpsteak mit Pfefferrand oder auch ein schönes Jägerschnitzel mit Pommes serviert wird.

Meine erste Freundin beispielsweise hatte einen ausgemachten Star-Wars-Fimmel. Sie wollte unbedingt so aussehen wie Prinzessin Leia und verbrachte morgens Stunden vor dem Spiegel, um ihr Ziel zu erreichen.

„Sehe ich aus wie Prinzessin Leia?“

„Ja.“

„Sehe ich aus wie Prinzessin Leia?“

„Ja.“

„Sah ich heute oder gestern eher aus wie Prinzessin Leia?“

„Ja.“

Es war blöd, nicht richtig zuzuhören, denn in solchen Fällen gab’s üble Schläge mit dem (Plastik-)Laser-Schwert, was überraschend wehtun konnte.

Unter uns: Sie sah nie auch nur annähernd aus wie die Schönheit aus Star Wars.

Warum ich überhaupt mit ihr zusammen war? Das wird mir jetzt zu privat.

 

Meine nächste Freundin stand auf Wunderbäume. Kennen Sie Wunderbäume? Ricinus communis – wächst wie Teufel, daher das „Wunder“ im Namen. Es soll Exemplare geben, die zehn Meter hoch werden. Blöderweise gab’s bei uns im Aldi eine gewisse Zeit lang eine Aktion mit dieser Pflanze: Jeder, der mindestens für 50 Mark einkaufte, bekam als Dank ein Tütchen mit Wunderbaum-Samen. Es war gar nicht so einfach, im Aldi alle zwei Tage für 50 Mark einzukaufen, aber meine Freundin schaffte es. Und sie schaffte es auch, dass sich ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung schon nach wenigen Tagen in eine Eineinhalb-Zimmer-Wohnung verwandelt hatte, weil ein Zimmer komplett mit Wunderbaum-Töpfen vollstand.

„Irgendwann erwischen wir einen, der zehn Meter hoch wird“, sagte sie.

Was schlecht gewesen wäre, denn die Raumhöhe in ihrer Wohnung betrug lediglich 2,50 Meter.

Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass der Wunderbaum 2018 zur Giftpflanze des Jahres gekürt worden ist. Das glaube ich gerne. Bei meiner Freundin hat er zu nicht unerheblichen Veränderungen im Gehirn geführt.

Warum ich mit ihr zusammen war? Ihr Opa hatte Unmengen von Geld. Außerdem hatte er lediglich ein einziges Hobby: seine Enkelin. Was dazu führte, dass er ihr die Geldscheine gleich als eingerolltes Bündel überreichte. Mehrmals im Monat. Was wiederum dazu führte, dass ich in dieser Zeit seltener einen Döner-Pita für zwei Mark im Harput-Grill zu mir nahm, dafür aber öfter confierten Seesaibling mit Rahmkohlrabi und Erdäpfelblini im Steigenberger-Maxx-Hotel. Was ich durchaus angenehm fand.

 

Der Spleen meiner dritten Freundin offenbarte sich leider erst nach zwei Jahren, als ich mal abends vor dem Fernseher bei den Wirtschaftsnachrichten, die mich immer schon gelangweilt hatten, beiläufig bemerkte, wir könnten aus steuerlichen Gründen doch eigentlich auch heiraten.

Sie sah mich entsetzt an und schaltete den Fernseher prompt aus – was mich ärgerte, weil danach die „Heute-Show“ gekommen wäre, die ich so gerne sah. Dann setzte sie mir haarklein auseinander, wie ein förmlicher Heiratsantrag auszusehen habe. Ich sollte ihn ihr per Flaschenpost zukommen lassen. Und zwar in dem kleinen Bächlein/Flüsschen, das vor unserem Haus floss (ja, wir lebten damals schon zusammen). Aber aus „romantischen Gründen“, wie sie sich ausdrückte, müsse ich die Flasche von der Brücke etwa einen Kilometer weiter ins Wasser werfen, an der auch unser Liebesschloss hing. Sie wolle auch die nächsten 14 Tage täglich nachsehen, ob sie die Flaschenpost finde, und mir dann auf dieselbe Weise antworten.

Nun war ich es, der täglich in den Aldi rannte und Unmengen Flaschen vom billigsten Wein mit Korken kaufte, den ich finden konnte. Den Wein selbst schüttete ich meist in den Ausguss. Ich glaube, es waren an die 50 Flaschen, die ich mit entsprechender Botschaft auf den Weg brachte. Schließlich konnte auf einem Kilometer Bachlauf jede Menge passieren. Keine Ahnung, was es da für Untiefen, Strudel, Abzweigungen und was weiß ich nicht alles gab, an denen eine solche Flasche hängenbleiben konnte.

Eine Antwort erhielt ich nie, obwohl ich jeden Tag zum Bach lief, um zu schauen, ob ich das Ersehnte erspähen konnte.

Als die 14 Tage um waren, begann meine Freundin seltsam zu werden. Sie fand immer häufiger Gründe, warum sie den Abend nicht mit mir verbringen konnte. Einmal sagte sie, sie besuche ihre beste Freundin. Als ich die jedoch am nächsten Tag zufällig in der Post traf und fragte, wie der Mädels-Abend so gewesen sei, wusste sie von nichts. Seltsam. Wo war meine Freundin gewesen?

Zwei Monate später zog sie aus. Sie müsse etwas Abstand haben. Einen weiteren Monat später waren wir kein Paar mehr. In der Folgezeit hörte ich immer seltener und schließlich gar nicht mehr von ihr.

Das Ganze ist jetzt zehn Jahre her. Vor Kurzem hat mir ein Bekannter aus der Zeit von damals erzählt, meine Ex-Freundin sei etwa zwei Jahre später nach Amerika ausgewandert, habe dort geheiratet und Zwillinge bekommen.

Ich habe das Haus, in dem wir damals gemeinsam gelebt hatten, später gekauft und bin dort wohnen geblieben. Zu dem Grundstück gehörte auch das Stück Bachlauf, in dem ich damals so verzweifelt nach einer Antwort von ihr gesucht hatte. Ich habe neulich eine Fachfirma beauftragt, den Bach zu entschlammen. Er war in keinem guten Zustand mehr und breitete sich allzu flächig aus. Das Bachbett musste ausgebaggert und vertieft werden. Ehrlich gesagt hatte ich nach der Hochwasser-Katastrophe im Ahr-Tal etwas Angst vor einer ähnlichen Flut vor meiner Haustür. Irgendwann kam einer der Arbeiter zu mir und übereichte mir eine zwar stark verwitterte, aber verkorkte Champagner-Flasche, in der augenscheinlich ein Blatt steckte.

Ich öffnete die Flasche und zog mit einer Pinzette das Stück Papier hervor. Die Schrift darauf war noch gut lesbar:

 

Lieber Peter,

ja, ich will!

Aber ich brauche dafür nicht

50 Flaschen wie Du, sondern nur

eine einzige: diese. Ich habe

den Inhalt in eine Deiner Billigflaschen

umgefüllt. Den trinken wir,

sobald Du dies gefunden hast.

Zu unserer Verlobung, wenn

Du so willst. Ich freu mich drauf.

Melde Dich!

Ich liebe Dich!

Deine Isabella

 

Nein, ich habe nicht versucht, Isabella in den USA ausfindig zu machen. Ich bin aus romantischen und nostalgischen Gründen noch nicht mal zu unserem Liebesschloss auf der Brücke gepilgert. Ich habe generell das Interesse an Frauen verloren. Ich lebe jetzt mit Frank zusammen. Wir wollen vielleicht heiraten und ein Kind adoptieren.

Übrigens habe ich mir ein neues Hobby zugelegt, falls es Sie interessiert. Ich sammle Kronenkorken, bohre in ihre Mitte ein kleines Loch, stecke einen Zahnstocher hinein und hänge einen Papierschnipsel daran. So entsteht ein kleines Segelboot. 350 Stück davon habe ich schon. Die Segel der ersten zehn bestanden aus Isabellas Botschaft. Sonntags lasse ich einige davon auf dem Bach vor unserem Haus schwimmen. Frank findet das, glaube ich, etwas seltsam.

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