Von Renate Oberrisser

Spätsommer …

 

Alte Bäume und trockenes Geäst versperrten Jorina’s Weg. War es klug gewesen sich so weit von den anderen zu entfernen und auf eigene Faust die Gegend zu erkunden?

 

Wie schon in den vergangenen Jahren waren nicht nur die Kassen der Freunde unterschiedlich gefüllt, sondern auch die verfügbare Zeit für gemeinsame Urlaubsreisen knapp gesät. Umso mehr genossen alle eines dieser seltenen Wochenenden. Es war Samuels Idee gewesen. Ein Wochenende voller Abenteuer und ein wenig Verruchtheit. Wild Campen und Würste grillen am offenen Feuer. Dieser versteckte Abschnitt mit wunderbar feinem Sandstrand am Seitenarm des Flusses war ein Geheimtipp und sollte es natürlich auch bleiben.

Die Jungs waren damit beschäftigt, die drei Zweimannzelte fachgerecht aufzubauen. Die Mädchen damit, sich wiederholt über die Vollständigkeit und Sinnhaftigkeit der Kühltascheninhalte zu unterhalten. Und so hatte Jorina, bewegungshungrig nach der langen Autofahrt, die Aufgabe übernommen sich um Feuerholz zu kümmern.

 

Einige trockene Äste und Zweige lagen schon ein Stück hinter ihr am sandigen Uferstreifen. Sie musste sie auf dem Rückweg nur mehr einsammeln. Dies sollte der letzte Vorstoß ins Gehölz sein um genügend Vorräte zu ergattern. Vereinzelt drangen Sonnenstrahlen durch das Geäst und Lichtreflexe verwandelten den Abschnitt in ein mystisches Märchenland. Zwischen den Wurzeln reflektierte etwas das Licht und blendete Jorina. Sie bückte sich neugierig und griff vorsichtig danach. Es fühlte sich nach Glas an. Sie zog daran und mit einem leisen Plop löste es sich wie von selbst aus dem trockenen Flussschlamm. Augenblicklich fuhr ihr ein penetranter Gestank in die Nase. Jorina schrak hoch, registrierte noch die Glasflasche in ihrer Hand und spürte einen heftigen Schlag am Hinterkopf …

 

 

SEI WACHSAM

PRÄG‘ DIR DIE WORTE EIN!

 

„Jeder wird jemanden kennen, der an ES verstorben ist …“ 

„Koste ES was ES wolle …“

„Du machst ES nicht für dich … du machst ES zum Schutz der anderen!“


SEI WACHSAM

UND FALL‘ NICHT AUF SIE REIN!

 

„Ich würde gerne eine Alternative anbieten, aber es gibt keine Alternative …“

„ES darf niemals in Frage gestellt werden!“

„Es gibt viele seriöse Informationen – leider kursieren auch viele Falschinformationen“

„Propaganda vs. Verschwörungstheorie“

„Leugnung – Hetze – Diffamierung – Zensur – Denunzierung – Spaltung“

„Remonstration – Hausdurchsuchung – Suspendierung“

„Werde misstrauisch, wenn du zu einer Entscheidung gedrängt wirst, dir Angst gemacht wird oder letztendlich nur eine einzige Möglichkeit übrig bleibt.“

 

PASS AUF, DASS DU DEINE FREIHEIT NUTZT

DIE FREIHEIT NUTZT SICH AB, WENN DU SIE NICHT NUTZT!

 

„Geht es nach dem Entwurf, soll in Zukunft nicht nur das Betreten von ‚bestimmten Orten‘, sondern ’noch viel mehr‘ per Verordnung eingeschränkt werden können.“

„Einige werden durch ES bald ihre Freiheit zurück bekommen … ggg“

„ES wird schon richtig sein, weil ES doch so viele andere auch machen …“

„Wenn ich ES nicht mache, dann muss ich mit Konsequenzen rechnen und das möchte ich nicht.“

„Ich mache alles, nur damit ES endlich wieder normal wird …“

 

SEI WACHSAM

MERK DIR DIE GESICHTER GUT!

 

„Wir sind noch lange nicht über dem Berg, vor allem wenn ES nicht alle zweimal, dreimal, viel-mal machen lassen.“

„Ich sehe für ES ab 12-Jährige, aber auch für 3-12-Jährige kein Problem.“

„Baby, lass ES uns tun … Ich und du … Du kannst mir vertrauen …“

„Wenn wir ES hinter uns lassen wollen, müssen wir ES machen.“ 

„ES hat gar nicht weh getan … zeig allen deine Hand.“

 

SEI WACHSAM

BEWAHR DIR DEINEN MUT

 

„ … #gesichtzeigen… – #dichtmachen… – #nichtmein… – „#zusammenstehen …“

„Gemeinschaft – Solidarität – Zusammenhalt“

„Auf die Straße gehen!“ – „Gemeinsam sind wir stark!“

 

SEI WACHSAM

UND SEI AUF DER HUT!

 

„Das größte globale Experiment in der Geschichte der Menschheit!“

„So lange alle mitmachen, wird ES nicht enden!“

„Wie hatte ES nur soweit kommen können?“

„Und, was hast DU in dieser Zeit gemacht …?“

 

„Aua. Wo bin ich.“ Jorina öffnete mühsam die Augen. Sie setzte sich auf und ihre Finger tasteten langsam über ihren Kopf. Benommen vernahm sie rufende Stimmen.

„Jojo, Jojo. Wo bist du?“ „Hallo, Jorina.“ „Wo kann sie nur stecken?“ „Jorina, Jojo, hallo.“ Aufgeregt liefen die Freunde heran.

 Jorina fuhr sich abermals mit der rechten Hand über die dicke Beule am Hinterkopf. Erleichtert stellte sie fest, das sie nicht blutete.

„Was machst du den hier? So weit weg vom Lager? Geht es dir gut? Was ist passiert?“ Samuel kniete sich besorgt neben seine Freundin. Jorina deutete auf den Ast über ihr.

„Ich nehme an, dass ist der Übeltäter. Kommt helft mir auf. Ich glaube, ich brauch erst Mal einen Schnaps.“ Unter freudigem Gejohle versuchten zehn Hände Jorina in die Höhe zu hieven, um sie ins Lager zurückzutragen. Lachend wehrte sie sich und rutschte dabei fast auf etwas Glattem aus.

„Die Flasche! Passt auf, zerbrecht mir die Flasche nicht.“

 

„Was hat es den nun mit dieser Flasche auf sich?“ Gesättigt und gestärkt konnte Jorina ihren Freunden die wirren Visionen ihrer Ohnmacht nicht mehr vorenthalten.

Alle betrachteten die dickbäuchige, grüne Glasflasche eingehend. Im langen, leicht konischen Flaschenhals steckte ein abgebrochener Korken. In Richtung Hals war ein rotes Siegel vorhanden. Auf dem vergilbten Etikett stand in schwarzer Schriftfarbe: Korbinianer anno 1721.

„Ob die Flasche wirklich so alt ist?“, überlegte Katie.

„Na toll. Eine Flaschenpost aus dem Jahr 1721. Sie scheint zwar nichts zu enthalten. Aber sie überbrachte mir verstörende Mitteilungen. Brr … gruselig, wenn ich nur daran denke.“ Jorina versuchte möglichst viele Details und Bilder wiederzugeben.

„Völlig verrückt. So etwas könnte doch niemals geschehen. Nie im Leben.“ Nicht alle schlossen sich Katie’s Überzeugung bedenkenlos an.

 

 

Darauffolgendes Frühjahr bis irgendwann …

 

Zum wiederholten Male schrak Jorina aus ihrem Alptraum hoch. Wie viele von ihren wirren Visionen des vergangenen Spätsommers waren inzwischen eingetroffen?

 

Auf ihrem Nachttischchen stand die grüne Flasche mit der Aufschrift Korbinianer anno 1721. Kaum sichtbar flackerte darin ein winziges Licht auf und ab und auf und ab und auf und ab …

 

Erschöpft schloss Jorina wieder die Augen und hoffte auf ein baldiges Ende dieses globalen Irrsinns.

 

 

MENSCHENKIND WACH AUF!

WISSEN IST MACHT!

HÖR AUCH AUF DAS, WAS SIE VOR DIR VERBERGEN WOLLEN!

DENN NICHTWISSEN IST DER UNTERGANG

DER DIR BEKANNTEN WELT!

 

MENSCHENKIND, SCHAU HIN!

HAT DIE VERGANGENHEIT DICH DEN NICHTS GELEHRT?

MACHT UND GELD REGIERT

DIE WELT,

UM DEIN WOHL IST ES NIE BESTELLT.

 

MENSCHENKIND. ICH BETE FÜR DICH.

 

Ich sehe was, was du nicht siehst … Die Wahrheit ist oft leider ziemlich fies.

 

 

 

Ein surreales Märchen mit offenem Ausgang …

Eine Geschichte um unterschiedliche Sichtweisen?

Oder Verschwörungstheorie?

 

Sei wachsam, glaube nicht alles sondern hinterfrage, denn niemand kann mit Recht behaupten, im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein?

 

Woran du glaubst und welchen Weg du beschreitest, ist immer deine Entscheidung.

 

Fortsetzung folgt …