Von Franck Sezelli

»Bist du’s, Hasi?«, rief Max aus der Küche, als Sabrina, geschafft vom Arbeitstag, den Flur betrat. »Einen Moment, ich komme gleich!«

Noch während sie die Schuhe abstreifte, war ihr Mann da. Er gab ihr ein Begrüßungsküsschen und sagte: »Setz dich schon mal, ich bin gleich fertig.« Wirklich, Maximilian hatte sich wieder einmal übertroffen. Der Tisch war gedeckt, Wein funkelte in den Gläsern und er hatte Gulasch gekocht. Wie von Zauberhand fiel die Anspannung von der jungen Frau ab.

Seit ein paar Jahren arbeitete sie als Kassiererin bei einem Discounter, um den Kredit für ihr kleines Häuschen gemeinsam schneller abzahlen zu können. Das lief alles ganz gut bis vor einem halben Jahr, als die Firma, in der Maximilian eine gutbezahlte Stelle hatte, in die Insolvenz gehen musste. Trotz intensiver Bemühungen war es dem Ehemann bisher nicht gelungen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. So kümmerte er sich um den Haushalt.

»Du warst heute aber wieder sehr fleißig, mein Schatz«, meinte Sabrina nach dem Essen, als sie auf der Couch kuschelten. »Ich habe gesehen, dass überall Staub gewischt ist, auch das Bad ist blitzeblank.« Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die etwas kratzige Wange. 

»Ich habe vormittags auch die Fenster auf der Westseite geputzt, das kannst du jetzt im Dunkeln nicht sehen. Morgen sind am Nachmittag die auf der Ostseite dran, heute früh schien die Sonne voll drauf, da konnte ich das nicht.«

»Du machst das wirklich toll! Ich freue mich darüber.«

»Kann schon sein, aber mir fällt trotzdem die Decke auf den Kopf. Außerdem mache ich mir Sorgen, wie wir künftig unsere Raten weiter zahlen können. Es müsste wieder mehr Geld ins Haus kommen …«

»Ich befürchte, dass du so schnell keine passende Stelle findest. Aber ich habe eine Idee.« Sabrina machte eine kleine Pause, ehe sie weitersprach: »Sei mir bitte nicht böse, wenn ich dir das vorschlage. Du kümmerst dich so gut um unseren Haushalt, bist unübertroffen gründlich beim Putzen …«

Maximilian fiel seiner Frau ins Wort. »Du meinst, ich soll meine Dienste anderen anbieten? Eine männliche Putzfee?«

»Na ja, man könnte es ja mal versuchen. Für manche ist dies vielleicht ein besonders attraktives Angebot.«

Nach kurzem Überlegen meinte Max: »Okay, ich bin mir dafür ja nicht zu schade. Wenn ich etwas dazuverdienen kann. Aber nur, bis ich wieder eine ordentliche Stelle gefunden habe.«

 

Auf die Anzeige meldeten sich viele Interessenten. Max putzte stundenweise bei gutsituierten Ehepaaren, in Arztwohnungen, bei Rechtsanwälten, auch bei manch alleinstehender Geschäftsfrau. Unter seinen Kunden sprach sich sein Fleiß, seine Gründlichkeit, sein offensichtliches Putztalent sehr schnell herum und er konnte sich vor Anfragen kaum retten. Zudem wurde er nicht schlecht bezahlt. Es hätte ewig so weitergehen können, zumal ihm immer noch Zeit blieb, den eigenen kleinen Haushalt in Schuss zu halten und seine Frau ab und zu mit seinen Kochkünsten zu verwöhnen.

Bis er eines Tages bei Frau Dr. Kerstin Beyer, einer verwitweten Studienrätin, die Wohnung putzte. Als er gerade mit Staubwischen und Staubsaugen im Wohnzimmer fertig war, lud sie Maximilian zu einer Tasse Kaffee ein. Die attraktive Fünfzigerin meinte zu ihm: »Sie machen Ihre Arbeit sehr gut, ich freue mich, wieder einmal einen Mann im Hause zu haben und sehe Ihnen gern zu. Wenn ich ehrlich bin, muss ich aber sagen, dass es mir noch mehr Vergnügen bereiten würde, wenn ich Sie bei Ihrer Reinigungstätigkeit gewissermaßen in Reinkultur erleben dürfte.«

Der Putzmann verstand nicht recht, oder er glaubte das nicht, was er verstanden zu haben meinte. »Frau Doktor, ich verstehe nicht …«

»Ich glaube schon, dass Sie mich verstanden haben. Es würde mir ein großes Vergnügen bereiten, Sie im Adamskostüm arbeiten zu sehen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ich möchte Sie nur ansehen, nicht anfassen oder gar Weiteres. Anderes interessiert mich nicht. Ich würde Ihnen auch den dreifachen Stundensatz zahlen.«

Max war verblüfft, aber nach kurzer Überlegung erklärte er sich einverstanden. Warum auch nicht? Dieselbe Arbeit bei dreifacher Bezahlung … Er ging regelmäßig an den FKK-Strand, mit Sabrina, aber seit er arbeitslos war, auch mal allein. Also, was soll’s? Wenn die sympathische Studienrätin ihren Spaß daran hat.

Es stellte sich heraus, dass ihm das Nacktputzen gefiel, sich frei und ungezwungen, durch nichts eingeschränkt, zu bewegen, eben so, wie Gott ihn erschaffen hat. So kam es, dass er drei bis vier Mal in der Woche mit großem Vergnügen in die Stadtvilla der Frau Dr. Beyer kam und andere Anfragen ablehnte.

Nachdem das einen halben Monat so ging, erzählte er dieses Abenteuer endlich seiner Frau, als sie abends gemütlich auf der Couch zusammensaßen – und Sabrina hätte sich vor Lachen beinahe verschluckt. Sie hatte zwar ungläubig einige Male nachfragen müssen, aber dann begriff sie. Von Eifersucht, wie er befürchtet hatte, keine Spur. Eher im Gegenteil – ihr Geschäftssinn erwachte. 

Nach gemeinsamer Beratung gründete Maximilian eine Ein-Mann-Firma, die ihre Dienste unter dem Motto „Adam putzt in Reinkultur“ anbot. In einschlägigen Annoncen wurden höchste Sauberkeit und Hygiene sowie Diskretion versprochen und „keine sexuellen Interessen“ betont, Vergütung nach Vereinbarung. Nach zwei Wochen war das Auftragsbuch voll, weiterer Anzeigen bedurfte es nicht.

 

Der Nacktputzer Adam erfreute sich höchster Beliebtheit. Wie schon zuvor sprachen sich sein Fleiß und sein Putztalent herum, aber vielleicht auch andere Vorzüge des Mannes. Jedenfalls wurde er sehr viel von alleinstehenden Frauen gebucht, selten von Paaren. Anfragen von Männern gab es auch, diese lehnte er aus „terminlichen Gründen“ ab.

Die Frauen, die er aufsuchte, verhielten sich sehr unterschiedlich. Manche zeigten ihm, was sie gereinigt haben wollten und zogen sich dann zurück, schauten nur ab und zu fast schüchtern nach dem nackten Mann. Sehr oft bemerkte Maximilian, dass die Frauen offenbar vorher gründlich saubergemacht und aufgeräumt hatten, sodass für ihn eigentlich nichts zu tun übrig blieb. Sie wollten sich wohl nicht mit einer unordentlichen Wohnung blamieren, aber auf die Anwesenheit und den Anblick des jungen Mannes nicht verzichten. So putzte Max eben unter ihren Augen zum Schein. Insgesamt fühlte er sich sehr wohl und von den Kundinnen geschätzt.

Einmal empfing ihn eine attraktive Mittdreißigerin im Negligé, das sie sogleich auch noch auszog. »Sie haben doch nichts dagegen?«, meinte sie keck. »Ich möchte, dass wir uns quasi auf gleicher Augenhöhe begegnen.«

»Aber nicht doch! Sie können sich in Ihrer Wohnung frei bewegen. Ich bin aber nur für das Putzen da.« Max wollte Missverständnissen vorbeugen.  

Es gab auch Situationen, in denen Max nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. So konnte er gewisse körperliche Reaktionen nicht verhindern, wenn sich die Hausfrau lasziv in ihren Sofakissen rekelte. Er versuchte, sich dann völlig auf seine Reinigungsarbeit zu konzentrieren. Dabei war klar, dass manche Frau ihn bewusst provozieren wollte. So bemerkte eine Auftraggeberin bei der Bezahlung: »Wissen Sie, ich habe mich über die sichtbare Neugier Ihres Mäxchens ganz besonders gefreut.« Sie legte noch einen großen Schein auf die vereinbarte Summe.

In der Folge versuchte Maximilian manchmal, sich erregende Bilder im Kopfkino auszumalen, um etwas mehr von sich zu zeigen. Häufig mit dem Erfolg eines erhöhten Trinkgeldes.

 

Nach Feierabend saßen Sabrina und ihre Freundin Isabell, die stellvertretende Filialleiterin des Marktes war, in dem beide arbeiteten, im Bistro. »Lass uns noch ein bisschen länger schwatzen, Sabrina. Ich lade dich zu einem Glas Sekt ein.« Isabell hatte noch keine Lust, nach Hause zu gehen. Dort wartete niemand auf sie. »Prost, auf unsere Freundschaft!« Sie stießen miteinander an und nippten dann an ihren Gläsern. Isabell schaute Sabrina an und meinte: »In letzter Zeit wirkst du nicht mehr so gedrückt wie noch bis vor Kurzem. Es freut mich, dass du wieder lockerer und fröhlicher bist. Geht es dir und deinem Mann wieder besser? Ich weiß, dass dich seine Arbeitslosigkeit belastet hat.«

Da erzählte Sabrina der Freundin voller Vertrauen von der neuen, gut honorierten Tätigkeit von Max und verschwieg auch nicht das dabei Besondere. 

»Das scheint mir ja eine recht delikate Sache zu sein. Aber wenn es genug einbringt, warum nicht? Ihr geht ja auch nackt baden, wie du schon mal erwähnt hast. Erlebt er da aber nicht manchmal gewisse Angebote einsamer Damen?«

»Nein, nein! Max erzählt mir alles. Es gibt schon Frauen, die mehr wollen, aber er hat ja mich. Und liebt mich! Ein Hinweis auf die Regeln genügt in solchen Fällen: Ansehen ja, mehr nicht!«

 

Bald gehörte Isabell auch zum Kundinnenkreis von Adam putzt. Max kannte sie vorher nicht. Er fand sie attraktiv und sympathisch. Gleich beim ersten Mal zog sie sich auch aus und sagte: »Du sollst dich bei mir wohl fühlen. Mir selbst wäre es unangenehm, nackt mit Angezogenen zusammen. Deshalb stelle ich Gleichheit her.«

Sie flirtete frei und offen mit ihm, aber hielt die körperlichen Grenzen ein: Berührung war tabu. Dafür bestellte sie ihn immer häufiger zu sich und gab ihm anstrengende Reinigungsaufgaben wie den Kampf gegen die hartnäckige Verkalkung der Duschkabine oder beim nächsten Mal die Säuberung der fettigen Dunstabzugshaube. Als er sich dazu auf einen kleinen Tritt stellen musste, kam sie ihm doch recht nah …

Ein anderes Mal kam Maximilian beim Schrubben der in das Ceranfeld eingebrannten Flecken ins Schwitzen, sodass er anschließend duschen musste. – Und da passierte es. Auf einmal stand Isabell vor ihm unter der Dusche, sie glitt an seinem Körper herunter und wurde aktiv …

 

Bereits am selben Abend gestand Max alles seiner Frau. Am nächsten Tag stellte sie ihre angebliche Freundin zur Rede. Diese lachte ihr aber nur ins Gesicht. »Was hast du denn gedacht? Sollte ich einen Mann, der so gut putzen kann und das auch noch gern macht, einfach so laufen lassen?«

 

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