Von Isa Bellini
„Nimm Dein Glück selbst in die Hand. 38 % Erfolgsquote,
5 Millionen Partnersuchende in Deutschland.
Ausgewogenes Geschlechterverhältnis.
Hohes Bildungsniveau, hohes Einkommen.
Versende Dein Lächeln.“
Das war die Lösung. 29 € Monatsabo bei myDARLING
und es wird geliefert.
Seit Wochen lächeln sie nun schon zurück, die Hoffnungsträger,
jeden Tag Neue.
35 Männer strahlen ihr heute aus dem Display entgegen.
Genaugenommen 34 Prinzen und ein Frosch.
Ein Frosch, den sie vermutlich noch so oft küssen könnte,
ohne, dass er attraktivere, männlichere Züge annehmen würde:
Zu klein, zu dick, zu wenig Haare und die Wenigen, – zu grau.
Sie schaltet den Rechner aus, klappt ihn zu und legt die erhitzte
Stirn auf den Metalldeckel, „es reicht.“
Sie schüttet den Rest Rotwein in sich hinein, sieht den Einen vor
sich, ihn, diesen Erich.
Nichts hat er von alledem, was sie anzieht und offensichtlich doch
mehr als alle Anderen von einer Sache,
die SIE mehr als alles andere nötig hatte: Geld, …viel Geld.
Ihr innerer Blick gleitet über den smarten Lars, den sportlichen
Tom, Cedo, den schwarzlockigen mit dem sinnlichen
Blick und gleichzeitig tauchen hinter den makellosen Gesichtern,
den Sixpack-Oberkörpern, ihre ungeöffneten Werkstattrechnungen
auf, die Wohnungskündigung, die Zahlungsaufforderungen mit
fettem Aussenaufdruck.
Und wieder drängt sich Erich in den Vordergrund, sein Doppelkinn,
die Stirnglatze, die kleinen, kalten Augen, aufspringende Knöpfe.
Unter seinem Portrait leuchten vielversprechende Zutaten in
schwarz-weiss:
„Dr. Dr., …Finanzexperte, ….Schweiz,“
und in roter Schrift, noch weiter unten, …wohlige Wörter,
„Verwöhnen, …die Welt zu Füssen legen, …Prinzessin.“
Ja, das war sie, aber niemand hatte das bisher erkannt, nicht ihre
Lehrer, nicht ihre diversen Chefs und schon gar nicht Jeff, der
verflossene Macker, der ihr den Rest gegeben hatte, dieser
Schmarotzer. Sie fährt den Computer wieder hoch, klickt auf
Mediathek. Hunderte eigener Selfies tun sich auf, mit mehr
oder weniger Haut, verführerischem Lächeln, lustvollen
Verrenkungen. Dann holt ihr Zeigefinger wieder die Prinzen hervor.
Es törnt sie an, ihr heissestes Foto quer über all die stiernackigen,
smartkinnigen, volllippigen Gesichter der Heiratswilligen zu ziehen.
Sie meint eine lustvolle Reaktion in deren Blicken auszumachen,
um das Bild dann, mit einem Seufzer, in Erichs Antwortfläche zu
klicken, mit kürzest möglichem Text: „JA.“
Prompte Rückantwort mit Datum, Zeitpunkt, Ort.
„Herzklopfen. Ich erwarte Dich, meine Königin.“
Die Königin kennt ihren Part.
Stunden der Vorbereitung für das erste Date.
Erneute Schulden, Friseur, Make Up, Dessous. Bahnfahrt.
Trambahnticket zur vielversprechenden Adresse:
Hannover: Paradiesstrasse.
Es musste klappen, die Investition muss sich lohnen, sonst
wäre alles aus. Jetzt oder nie.
Die Strassenbahn ruckelt, die High-Heels geraten in Schieflage.
Sie umklammert die Metallstange als letztem Halt, bis die Knöchel
schmerzen.
Die schlechte Strassenbeleuchtung gibt die Realität nur langsam preis, –
dann doch. Keine gute Gegend, viel Graffiti, Abfall auf den Strassen,
wankende Gestalten.
Sie fröstelt, zieht ihre Stola über die Schultern.
„Zur Oase“, eine heruntergekommene Clubadresse.
Hätte sie doch einen Prinzen gewählt.
Eine graue, feuchte Filzdecke als Eingangstür. Rauchschwaden,
Hopfendunst schlagen ihr entgegen, vernebeltes Schummerlicht
und mittendrin, die Kröte.
Zigarre, schäbiger Anzug, dunkles Bier: „Na Kleine, haste her gefunden,
gibst Du einen aus?“
©isa bellini