Von Juliane Soain
Meine Flügel breit ich aus, werd erfasst von sanftem Wind.
Bis ich mit Mühe greife, den Hut von einem Kind.
Seine Augen ganz entzückt, als es mich darauf erblickt.
Soll auf seinen Finger hüpfen, ihn mit meinen Füßen kitzeln.
Nimmt seine Hand, so hoch er kann, spreiz meine Flügelchen und dann,
Bringt mich der nächste Windstoß weg, hinfort zu ‘nem anderen Fleck.
Meine Reise fängt grad erst richtig an, ich flieg, soweit der Wind mich tragen kann.
Doch soweit komme ich noch nicht, ein Tier da vorne ist in Sicht.
Bei der Katz krall ich mich schnell, in ihr kuschelweiches Fell.
‘Ne Maus wollte fangen das Getier, doch stattdessen hänge ich an ihr.
Ihre Chance hat sie gewittert, sich klammheimlich und still verkrümelt.
Das Getier ist angefressen, würde gern etwas zerbeißen, irgendwas in Stücke reißen.
Nur meine furchterregendste Fratze, bewahrt mich vor ihrer flinken Tatze.
Sie dann in meine Augen starrt, die Furcht sich in ihr langsam staut.
Nun hat sie es realisiert, dass sie diesen Kampf verliert.
Ihr weiches Fell steht ab elektrisiert, ein Impuls mich hoch katapultiert.
Ein Spatz, der kommt mir wie gelegen, an die Beinchen kann ich mich hängen.
Ich sie ganz fest umklammer, bis mich erblickt eine Ammer.
Oh weh, gleich ist es vorbei, von ihr kommt ein fieser Schrei.
Doch mit ‘nem kräftigen Flügelschlag, ich ihr eine schnelle Finte schlag.
Die Ammer völlig überrascht, in den Fuß vom Spatz reinhackt.
Dieser ist nicht angetan, fängt die Ammern an zu jag‘n.
Auf einmal ich erinnre mich, fliegen kann ich ja noch gar nicht.
Meine Flügelchen, blitzschnell sie versagen, bereitet mir die Schwerkraft Unbehagen.
Zieht mich an meinem Körper, immer schneller, vor meinen Augen wird es immer greller.
Doch plötzlich falle ich ganz sanft, in einen Korb gefüllt mit Samt.
Doch muss ich schnell hier raus, sonst frisst mich Mamamaus.
Die hat sich hier ein Nest gebaut, doch ich bin ihr wohl viel zu laut.
Da entfleucht es meinen Lippen: „Ich bin doch kein Leckerbissen!“
Ein Flügelschlag hebt mich hoch in die Luft hinaus, bis ich lande in ‘nem Baumhaus.
Das kommt mir wie gerufen, denn ich muss kurz verschnaufen.
Nur lang ruhen kann ich hier nicht, bekomm ‘ne Rute ins Gesicht.
Voller Freude mich die Alte, mit dem Feger ‘nausbegleite.
Heute ist wohl nicht mein Tag, denn der Aufschlag, der ist hart.
Traurig hüpfe ich über Blätter, bis ich treff‘ ‘nen kleinen Kater.
Der ist so was von verschmust, reibt den Kopf an meiner Brust.
Das ist für mich ziemlich ungewohnt, doch mit Schnurren werde ich belohnt.
Nas an Nas stehen wir im Gras.
Keck rufe ich ihm zu: „Muss leider noch mal weg!“
Als ob sie mich verstehen würde, ich plötzlich einen Drang verspüre.
Meine Flügel öffnen sich.
Schlag um Schlag ich sie bewege, von der Erde mich erhebe.
Wie ‘ne Blume, trägt mich der Wind, wippt mich von links nach rechts geschwind.
Treibt mich höher, immer weiter, bis ich erblick eine Leiter.
Stuf für Stuf steig ich aufs Dach, immer leiser wird der Krach.
Wie schön ist der bunte Regenbogen? Meine Sorgen sich sogleich verzogen.
Ich atme mehrmals kräftig aus und mehrmals kräftig ein.
Plötzlich denk ich an ein Schwein, ach komm Hirn, lasst das doch sein.
Ich muss mich wieder konzentrieren, den Flügelschlag perfektionieren.
Die Flügelchen bewegen und mich vom Dach erheben.
Ich glaub, ich hab den Bogen raus, immer weiter entfernt sich, unter mir, das Haus.
Dieses Gefühl ist unbeschreiblich, mit nichts bisherigem vergleichlich.
Ich genieß den Augenblick, brech durch die Wolkendecke, komme der heißen Sonne immer dichter, Stück für Stück.
Plötzlich sink ich immer tiefer, wieder auf die Menschheit nieder.
Lang habe ich der Schwerkraft widerstanden, doch nun sind die Flügelchen eingeschlafen.
Bin doch noch zu unerfahren, Erschöpft lande ich auf Sparren, bis mich Sperlinge umgarnen.
„Ihr habt wohl einen Vogel!“, rufe ich total entsetzt. Da habt ihr euch aber verschätzt! „Ein Sperling mit ‘ner Fee, oh ne!“ Das kann doch niemals wirklich funktionieren, das werden wir erst gar nicht ausprobieren.
Ich stell mich an die Kante, mach ‘ne Parabel, belass die Sperling-Fee-Sache bei ‘ner Fabel.
Während ich durch die Straßen gleit, sie viel zu schnell vergeht, die Zeit.
Doch an Erfahrung mangelts mir, so klatsch ich gegen eine Tür.
Während mein Hirn laut fluchend „Aua“ schreit, ich langsam an der Scheib hinuntergleit.
Rücklings knall ich auf Matte auf, man habe ich heut einen Lauf.
Gerne würde ich länger trauern, doch die Zeit drängt, die Anderen haben mich bestimmt schon abgehängt.
Meine Flügel sind soweit, mache mich zum Start bereit.
Ich sie ganz kräftig schlag, heb schnell vom Boden ab.
Tragen mich endlich ganz weit, in der Fern ein Habicht schreit.
Über Stock und über Stein, in den Wald hinein.
Erfreut ich durch die Hecke brech, mich an stachligen Dornen stech.
Doch was ist denn nuh? Bin ich richtig hier?
Niemand hier, nur Getier.
Drehe mich herum, erkenne nichts, erneut erkling der Ruf des Habichts.
Ich warte auf den nächsten Schrei. Dann flieg ich los, fühl mich ganz frei.
Ein krummes Haus steht auf der Lichtung, Neugier treibt mich in diese Richtung.
Vorsichtig ich durchs Fenster schau, erstarr und euch das Gesehene erspar.
Ich wend mich ab, sollte eilen, sonst wird es knapp.
Entitäten kann ich nun spüren, andere Feen, wie sie fliegen.
Meine Flügel sollen mich tragen, vielleicht kann ich sie ja noch schlagen.
Immer schneller werden auch die Kontrahenten, doch gegen mich wirken sie wie lahme Enten.
Denn eins wisst ihr ja noch nicht: „Wer als erster dort erscheint, wird zur Königin geweiht.“
Ich kann schon die ersten sehen, wie sie in die Mitte streben.
Endlich schaff ich es sie abzuhängen, durchbrech alle magischen Barrieren.
Meine kleinen Muskeln langsam höllisch brennen, die Anderen zwischen den Barrieren hängen.
Sie wollen sich befreien, doch wer will sowas denn teilen?
Seh die wunderschöne Lichtung, Mondschein sie in weißes Licht tunkt.
Langsam scheinen sie, es zu realisieren. Ob sie mich als Königin akzeptieren?
Nun beginnt die Zeremonie, durchströmt mich starke Energie, versetzt mit mächtiger Magie.
Bringt mich zur Ektase, ich es geschehen lasse.
Mich umkreisen alte Geister, machen mich zum Zaubermeister.
Das befähigt mich zu lernen, besser als der Rest zu werden.
Sollte man sie nicht überragen, werden sie am Thronbein nagen.
Gleich ist die Zeremonie vollführt, ich zur Königin gekürt.
Mit einem Fingerschnipp, die Barrieren abgebaut, werde von den anderen Feen umkreist, bestaunt.
Die Nachricht spricht sich schnell herum, Trolle ihre Sachen packen, Pferde vor die Karren spannen.
Sie haben reichlich Speck und Fässer im Gepäck.
Schon wird ein Fass angestochen und sich hemmungslos besoffen.
Die Stimmung ist so ausgelassen, ich kann mich richtig fallen lassen.
Plötzlich werden Trolle zu Getier, Feen zu ’nem fliegenden Klavier.
Was ist denn bloß los hier, hatte ich zu viel Bier?
Ab hier erinnere ich mich an nichts, ein Karussell in meinem Kopf dreht sich.
Schweißgebadet erwach ich am Lattenzaun, war meine Zeremonie etwa nur ein Traum?
Traum? 2