Von Anne Zeisig

Hannos Frau spült das Geschirr ab, sie fasst sich kurz mit den nassen Händen an den Haardutt. Die beiden Kinder liegen längst im Bett.

Er fährt sich durchs dichte Haar, starrt auf sein Handy und stöhnt laut.

 

„Was ist?“, sie dreht sich zu ihm herum.

 

Ihr Mann zuckt mit den Schultern: „Ich muss in die Firma.“

 

„Um diese Zeit?“ Es ist neunzehn Uhr. „Ich möchte wirklich mal wieder einen Freitagabend erleben, wo wir auf dem Sofa kuscheln und einen schönen Film anschauen.“

 

Hanno eilt zur Garderobe und wirft sich die Jacke über. „Der Neue erwartet halt den vollen Einsatz.“

 

Sie umarmt ihren Mann. „Armer Hanno“, säuselt sie ihm ins Ohr und spürt, wie er sich aus ihrem Griff befreit.

 

„Wird nicht lange dauern, Schatz“, und schon springt die Tür des Reihenhäuschens ins Schloss. Sie hört, wie er den Wagen startet, kräuselt ihre Stirn.

Der neue Chef verlangt viel von den Mitarbeitern.

 

‘Wirklich der neue Boss?’, hört sie ihr Bauchgefühl sagen.

 

Nachdenklich geht Hannos Gattin die Treppe zum Schlafzimmer hinauf.

 

* * *

 

Fred trommelt nervös mit den Fingern auf dem Esstisch herum.

 

„Schmeckt es dir nicht?“ Seine Frau blickt ihn aus dunklen Augen an.

 

Er druckst herum.

 

„Was ist denn?“, fragt sie und räumt die Teller in die Spülmaschine.

 

„Mir ist der Appetit wirklich vergangen“, sagt er ärgerlich, steht auf, geht in den Flur und zieht seine Jacke an. „Aber ich muss nochmal weg.“

 

Sie lehnt im Türrahmen. „Jeden Freitag geht das so!“

 

Fred wendet sich ihr zu und ergreift ihre Hände. „Der Neue trommelt mal wieder alle zusammen.“

 

Sie befreit sich. „So kann das aber nicht weitergehen! Hat der Mann keinen Sinn fürs Wochenende?“

 

Ihr Mann hat bereits den Türknauf der Doppelhaushälfte in der Hand: „Wird nicht lange dauern, Schatz.“

Die Tür schnappt ins Schloss, der Automotor wird gestartet.

 

* * *

 

Hannos Frau beginnt im Obergeschoss des Reihenhauses alle Taschen der Mäntel, Jacken und Sakkos ihres Mannes zu durchsuchen.

Was sucht sie?

Irgendeine Hotelrechnung? Oder die eines erstklassigen Restaurantes? Warum nur hat sie sein Handy heute Abend nicht durchforstet, als er unter der Dusche stand …

‘Weil ich ihm vertraue’, denkt sie und schließt leise die Tür zum Kinderzimmer, blickt vorher noch in die rosigen Gesichter der schlafenden Kleinen.

 

„Ja“, flüstert sie und sinkt aufs Bett. „Bevor wir Kinder hatten, war der Sex aufregender.“

‘Jetzt benimmst du dich wie eine klischeebehaftete Ehefrau, die ihrem Mann hinterher spioniert und die alles hinterfragt’, sagt ihr Bauchgefühl, denn sie war fündig geworden und greift zum Telefon.

 

„Mama? Du musst herkommen wegen der Kinder, weil ich noch weg muss.“

 

„Wohin denn?“

 

„Meine Ehe retten!“

 

Sanft, damit die Kids nicht wach werden, startet sie ihre Familienlimousine und rollt auf die Straße hinaus.

 

* * *

 

„Madre mio! Du Schuft!“ Freds Frau wischt eilig den Tisch ab und zieht aus ihrer Hosentasche den Zettel mit dieser Adresse hervor, den sie in einer seiner Anzughosen gefunden hat, weil sie zur Reinigung gegeben werden sollten.

Sie setzt sich in den Sessel.

Dieses Stück Papier brennt heiß in ihrer Handinnenfläche.

Hastig zündet sie sich eine Zigarette an und bläst den Rauch an die Wand, wo das Hochzeitsfoto hängt: „Ich habe mich in Reizwäsche vor dir geräkelt, damit unser Intimleben lebendig bleibt!“

 

Sie stürzt aus dem Haus und in ihren kleinen City-Flitzer hinein.

 

‘Nun fahre ich ihm hinterher wie eine Ehefrau, die sich mies betrogen fühlt.’

Gesehen in zig Film-Dramen.

„Das ist ja sowas von billig!“, übertönt sie das Motorengeräusch ihres Kleinwagens.

‘GERDAS MÄNNERWELT’, steht in roten Lettern auf dieser Visitenkarte, dessen Adresse sie ins Navi eingespeichert hat.

Die Reifen quietschen, als sie Gas gibt.

 

Ihr Wagen ist zu schnell auf der Bundesstraße Richtung Süden unterwegs: „So einfach kommst du mir mit deiner Bettgeschichte nicht weg! Ich werde Gerda, dieser Schlampenhure die Augen auskratzen!“

 

* * *

 

Hannos Frau sitzt heulend auf dem Beifahrersitz ihres Familienautos und nestelt nach einem Taschentuch.

 

„Die Kinder! Den Haushalt! Alles habe ich allein erledigt! Habe meinen Beruf aufgegeben für diesen Mann, um ihm den Rücken für seine Karriere freizuhalten!“ Die Tränen verschleiern ihren Blick auf die Schnellstraße. „Und er vergnügt sich freitäglich in Gerdas Puff!“

 

* * *

 

„Ich habe immer mein eigenes Geld verdient!“, zetert Freds Ehefrau derweil und zieht ihren Wagen auf die rechte Spur hinüber. „Habe dafür sogar auf Kinder verzichtet!“

Inzwischen peitscht der Regen gegen die Windschutzscheibe.

 

* * *

 

Gerda stellt zwei Bier auf den Tisch. Dabei beugt sie sich derart hinunter, dass ihr Busen fast aus ihrem Ausschnitt springt und auf dem Tisch landet.

 

Hannos Gesicht läuft rosa an, eilig schüttet er das Getränk hinunter, die Daumen paralysiert auf den Joystick in Position gehalten.

 

„Grand-Theft-Auto for ever!“, jubelt Fred, überholt Hanno mit seinem Flitzer im PC-Game, streift dabei ein Gebäude und stürzt in den Abgrund des Hafenbeckens von ‘San Andreas’.

Er wischt sich die Haare aus der Stirn, greift nach seinem Bier und nickt Hanno zu. „Wohlsein!“

 

Die Männer reichen sich kameradschaftlich die Hände.

 

„Es war wieder mal geil, mit dir in GTA unterwegs zu sein!“ Fred nestelt nach Geld, um die Rechnung zu bezahlen. „Diese Abende haben Suchtcharakter.“

 

Hanno stellt sein leeres Glas ab. „Irgendwann müssen wir unseren Frauen aber die Wahrheit sagen.“

 

Fred nickt. „Aber meine hätte wirklich kein Verständnis für meine Vorliebe. Ihr sind die Kuschelabende am Freitag so wichtig. Dabei ist es doch einerlei, ob mich ihre Reizwäsche am Freitag oder am Samstag wuschig macht.“

 

Hanno stöhnt. „Seit wir Kinder haben, ist bei uns irgendwie die Luft raus.“

 

„Jungs!“, mahnt Gerda. „Feierabend!“

 

„Warum hast du eigentlich am Samstag Ruhetag?“, fragt Fred.

 

Gerda zwinkert ihm zu. „Weil ich Mann und Kinder habe.“

 

Von Ferne hört man die Sirenen zweier Krankenwagen Richtung Bundesstraße.

 

 

ENDversion