Von Christiane Labusga

Als die drei über den Parkplatz zum Supermarkt gehen, hören sie ein Trillern.

„Das ist ein Kanaillenvogel“, sagt Svennie.

Manfred nimmt den Ball auf: „‘Kanarienvogel‘ heißt das.“

„Nee, nee“, sagt Svennie, „ich bin die Konifere in Orthodoxie von uns beiden. Zum Glück bin ich nicht algerisch gegen Vögel!“

„Idiot!“, sagt Manfred. „Savant!“, sagt Svennie. Und lacht sein jaulendes Lachen, so dass einige der anderen Leute auf dem Parkplatz besorgt zu ihnen herüber blicken. Wenn sie sehen, was mit Svennie los ist, dann sind sie wieder beruhigt, manche lächeln sogar.

Svennie ist wirklich ein Savant was Fremdwörter angeht. Er hat schon als Kleinkind immer nachgefragt, wenn er auf ein kompliziertes Wort stieß. Kaum hatte er schreiben gelernt, hatte er in seiner unbeholfenen Schrift eine Tabelle angelegt mit drei Spalten: Eine für das Fremdwort, eine für die Erklärung und eine für ein ähnlich klingendes Alternativwort, mit dem er dann seine Witze machte.

Inzwischen kennt Svennie so viele Fremdwörter so gut, dass er seine Tabelle nicht mehr braucht, sondern frei experimentiert. „Orthodoxie“ statt „Ornithologie“ ist gerade so ein Experiment gewesen, und Svennie ist stolz, dass es geklappt hat.

Weil weder Svennie noch Sanne gut mit Geld umgehen können – Svennie verschenkt alles, was er flüssig hat, Sanne kauft planlos was sie gerade sieht, bis nichts mehr da ist – geht Manfred zweimal in der Woche mit ihnen einkaufen und hilft ihnen, das Geld zu verwalten.

Denn als Svennie 18 wurde, ist er mit Sanne in eine kleine WG gezogen. Sanne ist zwei Jahre älter und hat schon in einer anderen WG gewohnt, aber da wurde sie nur gemobbt, weil sie manchmal direkt vergisst, was sie eine Minute vorher noch machen wollte. Weil sie keine Ordnung halten kann. Und keine Termine.

Sanne hat FAS und Svennie ist die ideale Ergänzung, denn Svenni ist sehr gewissenhaft in allem und hält gründlich Ordnung. Und weil Svennie so geduldig ist, macht es ihm auch nichts aus, Sanne dreimal zum Abwasch zurück zu holen, wenn sie durch ein Lied im Radio oder durch einen Blick auf ihr Handy abgelenkt wird.

Svennie und Sanne kommen gut miteinander zurecht. Außer an den Tagen, an denen Sanne einen ihrer Lover mit in die WG bringt. Da kann es schon mal passieren, dass der fragt, warum Sanne mit einem Mongo zusammen lebt. Svennie ist dann immer sehr traurig und sogar böse auf Sanne, die ihn nie verteidigt, sondern immer lacht und sagt: „Ja, einer muss ja auf den Blödi aufpassen!“

Svennies Laune schlägt abrupt um, als er vor dem Laden einen von Sannes Lovern herumlungern sieht.

„Ey, Sanne“, kommt es auch schon, „führst du den Mongo mal an die frische Luft?“

Svennie weiß nicht, wohin er blicken soll. Am liebsten würde er auf den Typen losgehen, aber Sanne kommt ihm zuvor:

„Du Blödmann bist doch selber ein Mongo! Svennie ist mein bester Freund, das wirst du nie werden!“

Was? Svennie kann seinen Ohren kaum glauben: Sanne, seine Sanne. Endlich. Und das vor allen Leuten auf dem Parkplatz!

Ganz stolz blickt er im Vorbeigehen in das Gesicht des verdutzten Ex-Lovers, als Sanne ihn mit sich zieht, um Manfred zu folgen, der gerade mit dem Einkaufswagen im Markt verschwindet.

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