Von Alice Auciello

es ist alles irgendwie anstrengend, denke ich vor mich hin, während ich vor mich hin gehe. es ist irgendwie anstrengend, dinge zu tun, so viele dinge, und manchmal gleichzeitig. es ist anstrengend, irgendwo hin zu gehen, von einem ort zum anderen zu kommen. die wege sind immer weiter als man denkt, und ein auto hat man nicht, selbst wenn die anderen eins bekommen haben, zum geburtstag, schon letztes Jahr. ich bin verwirrt, denke ich, aber vielleicht stimmt das gar nicht, weil ich vielleicht einfach nur betrunken bin. das vorglühen vorglühen, wodka pur, ohne dabei das gesicht zu verziehen, das habe ich gelernt, weil die anderen das cool finden, wenn man so was kann, und weil ich es gewohnt bin, mein gesicht nicht zu verziehen, wenn ich etwas eklig finde oder mir etwas im Hals brennt. mir ist kalt unter meinem fleecepulli, die haut sitzt schrecklich eng und scheuert, die Haut oder das glitzernde netzoberteil, das ich von meiner schwester geklaut habe, als sie nicht hingeschaut hat, oder nicht da war, keine ahnung, sie hat oft nicht hingeschaut und war auch oft nicht da, in letzter zeit. nicht da sein ist mittlerweile cool, deswegen bin ich jetzt auch nicht da, weder auf der party, noch bei meinen Eltern zuhause, und beim vorglühen bin ich auch nicht, weil ich erst beim vorglühen sein möchte, wenn die anderen schon betrunken genug sind, es cool zu finden, dass ich zu spät bin. nicht da sein ist eigentlich ganz angenehm, weil dann niemand was von einem erwartet, wenn man nicht da ist, hat man andere dinge zu tun, viele davon und die sind spannend und so. genau fragen tut eh niemand, alle stellen immer nur vermutungen an, alle vermuten das schlimmste, meine freunde mit einem grinsen und meine eltern mit in die hüften gestemmten händen und simultanem kopfschütteln, meine eltern sind zu einer person geworden, die nur noch den kopf schüttelt, mit in die hüften gestemmten händen. es ist jedenfalls kalt, wenn man nicht da ist, und weil fleecepullis jetzt wieder in sind, fleecepullis ohne was drüber, dabei hat man sich vor ein paar jahren noch gesträubt, fleecepullis anzuziehen, weil das scheiße aussah, in diesen komischen farben, weil es fleecepullis nur in komischen farben gibt, in grün und lila und so, ganz komisch jedenfalls. Alle tragen jetzt grün und lila und so, niemand hat mehr jeansjacken an oder lederjacken, das sowieso gar nicht, schon wegen der tiere und allem, und weil die bröseln, wenn sie billig waren, und sie sind alle billig, wir haben kein geld für teure sachen, wir geben unser geld für alkohol aus, weil wir wodka wollen und keinen wein, wein schmeckt eh nicht, wodka kann man mischen mit cola und so, wenn man mag. zucker hilft auch, einfach zucker reinlöffeln und gar nicht wirklich umrühren, dann geht das runter wie nichts, da braucht man sich gar keine sorgen mehr zu machen, dass man das gesicht verzieht oder blöd aussieht, weil niemand blöd aussieht, der zucker trinkt, mit wodka und mit strohhalm. wir haben jedenfalls kein geld für richtiges leder, wäre ja auch blöd wegen der tiere, die sterben müssen und der umwelt und allem, deswegen bröseln die lederjacken, man bröselt einfach schwarz überall hin, was peinlich aussieht, wenn man lange irgendwo gesessen hat, und wir sitzen oft lange irgendwo, draußen im Sommer und im Herbst, wenn es nicht regnet, das sieht dann aus, als hätte man schwarze brötchen gegessen, weil das so bröselt und wir wollen nicht aussehen, als essen wir draußen brötchen. deswegen fleecejacken, die bröseln nicht, und wenn dann in grün und lila, das sieht dann eigentlich ganz cool aus, wie bunte schafe, die wolle lassen irgendwo. aber das ist ja auch wieder schwierig, wegen der tiere, also der schafe in dem fall. ich glaube, dass ich eigentlich angst davor habe, anzukommen, weil die anderen alle da sind und wissen, wo es hingeht, sie wissen, wo die party stattfindet und ich nicht, weil ich eigentlich auch gar nicht finde, dass man wissen muss, wo die party stattfindet, aber wenn man zu spät kommt, muss man das doch wissen, weil man sonst gar nicht auf die party kommt. das ist schwierig, partys sind auf einmal ganz anders als früher, da hat man sich gleich in die ecke gesetzt und irgendwo hin gebröselt, einfach so vor sich hin, mit leuten aus der schule und so, aber jetzt wollen alle immer diskutieren, über tierrechte und umwelt und so, und darüber, dass man eigentlich keine lederjacken kaufen darf, die bröseln und eigentlich auch keine, die nicht bröseln, weil die ja aus echtem leder sind dann. alle reden, und meistens sogar gleichzeitig, über tierwohl, umwelt und feminismus und warum man die cdu blöd finden muss und warum man lederjacken eigentlich schon immer blöd fand und fleece viel besser, obwohl alle fleecejacken vor paar jahren noch peinlich fanden, weil sie auch peinlich waren. zum wandern ging das, aber jetzt gehen alle damit auf partys und diskutieren und dann spielen sie karten, was früher auch peinlich war und langweilig, wenn die eltern das dann ausgepackt haben, am sonntagabend oder beim zelten, da haben alle immer nur gemurrt und jetzt freuen sich alle und trinken ingwerschnaps dazu, den jemand selber gemacht hat, obwohl man es früher scheiße fand, sachen selber zu machen, vor allem ingwerschnaps. alle sind auch ein bisschen verliebt ineinander, man ist immer verliebt in irgendwen, aber nicht so früher, nicht wirklich, wenn man jetzt sagt, dass man verliebt ist, dann heißt das bloß, dass man jemanden besser findet, als sich selbst, dann ist man direkt verliebt und das bedeutet, dass man andauernd verliebt sein muss, beim kartenspielen und ingwerschnaps trinken, und das ist alles wirklich anstrengend, wenn man dabei friert in seinem fleecepulli und man eigentlich gar nicht da ist, weil man sich vielleicht ein kleines bisschen verlaufen hat, in der kälte.

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