Von Winfried Dittrich

Sehr geehrtes Publikum des Schreibfrust-Verlages!

Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass der Verlag den Betrieb mit sofortiger Wirkung einstellt. Die Gründe dafür sind gleichzeitig schockierend wie faszinierend. Aber wir wollen ehrlich mit Ihnen sein!

Das gesamte Konstrukt aus unserer Webseite, dem Online-Forum, den zahlreichen in zwei Jahrzehnten erschienenen Zeitschriften und Büchern sowie das Rezensionsprojekt Schreibfrust-Lesefrust, sind Teil eines Forschungsprojektes im Feld der Konfliktforschung gewesen, das die Privatuniversität Bodenwerder am Institut für Psychologie, Philosophie und Webprogrammierung vor 24 Jahren startete. Unter der Leitung des damaligen Institutsleiters Prof. Dr. Dr. Friedrich Hieronymus sollte untersucht werden, wie sich die Streitkultur in sich damals formenden sozialen Gruppen des in der breiten Masse aufkommenden Internets entwickelte. 

Die Besonderheit des Projektes, in Abgrenzung zu anderen, vergleichbaren forscherischen Ansätzen, war dabei die Auswahl einer altersmäßig fortgeschrittenen Zielgruppe, nämlich die der über 40-jährigen. 

Zum Projektstart wurde die Kunstfigur des „Achim Schröder“ geschaffen, die als Gründer, Inhaber, Lenker und zeitweise Prügelknabe des Projektes dienen sollte. Während der Laufzeit des Projektes wurde der Webauftritt dieser Person jeweils durch Doktoranden unserer psychologischen Fakultät betreut. Für persönliche Auftritte engagierten wir den Absolventen der Bochumer Schauspielschule Till Achim Spiegelkauz.

In den ersten beiden Jahren des Projektes gelang es, mehrere Menschen als Forschungsobjekte zu rekrutieren. Um das Forum belebt erscheinen zu lassen, wurden zudem Geschichten und Forumsbeiträge von Praktikanten, studentischen Hilfskräften oder Studierenden als Hausarbeiten verfasst.

Einzelne Forschungsobjekte wurden im Laufe der Zeit in die Umstände unseres Forschungsprojektes eingeweiht und stellten sich für weitergehende medizinische Untersuchungen zur Verfügung. So wurden zeitweise auch körperliche Reaktionen auf Geschichten und Forumsbeiträge wissenschaftlich beobachtet. Dazu zählten das Filmen der Mimik und Gestik, kontinuierliche Blutdruckmessungen, EKG- und EEG-Messungen, Messungen des Halsumfangs und des Anstellwinkels der Nackenbehaarung, Veränderungen der Gesichtsfarbe, Bestimmung der Sauerstoffsättigung des Blutes sowie Aufenthalte in einem Schlaflabor in den drei auf die Bekanntgabe des Monatsergebnisses folgenden Nächten. Zeitweise wurden den Proband*innen auch die Reaktionen auf ihre eigenen Geschichten vorgelesen, während ihre körperlichen Reaktionen live per MRT untersucht wurden.

Die hierbei erzielten Daten und Erkenntnisse flossen in bisher drei Masterarbeiten und zwei Dissertationen ein. Eine Forschungskooperation mit einem namhaften Pharmaunternehmen unterstützte außerdem klinische Studien für ein neuartiges Beruhigungsmittel.

Leider steht seit Kurzem der Widerruf dieser Arbeiten und Titel im Raum, da die kürzlich aufgedeckten Unregelmäßigkeiten den wissenschaftlichen Wert der Erkenntnisse bezweifeln lassen.

Da immer wieder der Vorwurf ungerechter Punktevergabe und damit inkonsistenter Kommentierungspraxis aufkam, schaltete unser Institut den unabhängigen Ermittler Winfried „Sherlock“ Dittrich ein, der den Fall undercover, als Verlagsmitarbeiter getarnt, untersuchen sollte.

Nach mehrjähriger Ermittlungstätigkeit deckte er auf, dass sämtliche Geschichten und Forumsbeiträge der vergangenen zehn Jahre, bis auf die von drei unbeteiligten Personen, auf die beiden Promotionsabsolventen zurückgehen, deren Forschungsarbeiten in weiten Teilen auf dem basieren, was seither im Schreibfrust-Verlag stattgefunden hat. 

Die Ermittlungen ergaben weiterhin, dass die beiden dies unabhängig voneinander, ohne das Wissen des Anderen taten. So gab es in den vergangenen zehn Jahren etwa fünfzig Monate, in denen ausschließlich Geschichten und Kommentare der beiden Doktoranden auf die Webseite hochgeladen und in unserem Forum diskutiert wurden, da es an der Beteiligung freiwilliger Testpersonen mangelte. Dabei gingen sie jeweils davon aus, dass sie die bis zu zwanzig anderen Personen, deren Geschichten jeweils nicht aus der eigenen Feder stammten, mit abwechselnd wohlwollenden und ketzerischen Kommentaren zu Streitigkeiten provozieren konnten, was von Zeit zu Zeit auch funktionierte.

Da dies keinerlei wissenschaftlichen Wert mehr hat, hat sich die Privatuniversität dazu entschlossen, den Schreibfrust-Verlag einzustellen, zur Untersuchung des Verhaltens dieser beiden Autoren aber ein neues Forschungsprojekt im Bereich der Entwicklung neuartiger Lügendetektoren aufzusetzen. 

Es besteht die Möglichkeit, im Rahmen dieses Projektes Bachelor- und Masterarbeiten zu schreiben. Außerdem besteht eine anschließende Promotionsmöglichkeit. Die beiden Beteiligten stehen dabei für die Dauer von sieben Jahren für regelmäßige mündliche und schriftliche Interviews zur Verfügung und haben ich Ehrenwort gegeben, stets ehrliche und aufrichtige Auskünfte abzugeben.

Bewerbungen hierfür nimmt das Institut unter der E-Mail-Adresse ehrlich-jetzt-fragezeichen@schreib-frust.de entgegen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Prof. Achim Schröder 😉

 

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