Von Susanne Rzymbowski

Eva saß am reich gedeckten Frühstückstisch und blätterte wie gewohnt durch die Tageszeitung. Politik und Wirtschaft legte sie dabei ungelesen beiseite und widmete sich dem Sportteil, wobei ihr die Überschrift: „Verloren auf Asche“ förmlich ins Auge stach.

Wissbegierig verschlang sie die kurze Meldung des letzten Tennis-Match von Patricia Weber. Sie hatte nach fulminantem Einstieg auf  dem Aschenplatz gegen ihre Konkurrentin verloren – was für sie das endgültige Aus für eine Teilnahme an den olympischen Sommerspielen bedeutete. 

Wie grausam konnte doch ein Rückschlagspiel sein! dachte Eva.

Patricia war doch der Favorit gewesen und hatte sich in den letzten Jahren von Null auf Hundert gespielt – aber Ja, Aschenplätze lagen ihr schon immer nicht. Der Ball war einfach zu schnell. Nun hatte sie also verloren und somit verloren auch den Auftritt in die höchsten Kreise.

Eva legte die Zeitung beiseite – ihr Blick fiel dabei auf den noch ungeöffneten Brief des Anwalts. Wie immer zögerte sie, diesen zu öffnen, also schlug sie ihrem Ei erst einmal den Kopf ab und kratzte das Weiß aus der Schale, das sie kräftig würzte, bevor sie es runter schlang.

Nun denn, sie griff zum Brieföffner: Letzte Aufforderung zur Räumungsklage!

Bis zum Ende des Monats musste sie das Haus geräumt haben – ihr Zuhause!

Es war die Höhe, was sich ihr Mann alles einfallen ließ. Er wollte sie fertig machen, mit allen Mitteln – da war sich Eva ganz sicher. Dieses Schwein!

Mit einer einzigen Handbewegung fegte sie das Geschreibsel beiseite, so dass der Brief zu Boden fiel.

Eva griff erst einmal nach einem weiteren Croissant, was sie mit Kaviar belegte und biss mit Nachdruck hinein in diese schwarzen Kugeln.

Während sie kaute und die kleinen Eier des Störs mit ihren Zähnen knackte, schmiedete sie die ersten Pläne: Nein, das ließ sie sich nicht gefallen! Hatte sie ihm doch die besten Jahre ihres Lebens geschenkt! So nicht mir IHR – sie kam schließlich aus gutem Hause! Da konnte er sich auf den Kopf stellen. Sie würde noch weitere Jahre durchhalten, auch wenn er ihr mittlerweile den Zugang auf das Konto und ihre EC-Karten gesperrt hatte.

Sie hatte ja noch den Haustresor – und gute 20.000 waren da noch drin!

Und seinen Versuchen noch einmal ins Haus zu kommen hatte sie eisern Stand gehalten und direkt am ersten Tag alle Schlösser ausgetauscht.

Ja, sie wusste sich zu helfen!

Der sollte sich mal ruhig alles neue Sachen kaufen. Wer hatte denn hier wen verlassen und vor allem, wer hatte denn alles eingekauft?

So eine bodenlose Unverschämtheit! Sich mit einem jungen Ding einzulassen – und jetzt hat er noch einen Hund, wo er die doch früher nie gemocht hat!

Eva würde IHREM Anwalt schon die passenden Antworten liefern, egal was das kosten sollte – sie konnte all das eh nicht bezahlen, ihre Mitgift war schon längst verbraucht.

Ja und was sollte sie auch machen? Sie hatte nach der Hochzeit nie gearbeitet, schließlich war sie Ganz und Gar damit beschäftigt gewesen, es IHM in allen Punkten schön zu machen, ihn bei seinem Studium zu unterstützen. Auf dem Papier war sie all die Jahre bei ihm als Sprechstundenhilfe angestellt gewesen, zur Sicherheit wie er mal meinte. Aber sie hatte doch keinerlei Berufserfahrung! Wie stellte er sich das jetzt alles eigentlich vor? Sie war schließlich 47, was sollte sie denn jetzt noch machen?

Diese Sau, diese elendige!

Und bis zum Schluss hatten sie doch noch Sex gehabt. War das alles nur gespielt? Wie er sich immer in ihren Busen vergraben hatte und sie immer für ihn bereit war! Und jetzt sagt er IHR, dass er sie NIE geliebt hat. Das kann doch nicht wahr sein! Ihre ganze Ehe eine einzige Lüge? All die Jahre?

Gut, sie hatten sich mit Allem übernommen, das Haus nicht abbezahlt und bei Verkauf würde man höchstens noch die Hälfte bekommen, wenn überhaupt. Das tilgte noch nicht einmal die Zinsen. Und jetzt will er sich auch noch berufsunfähig schreiben lassen – weil er angeblich irgendeine Krankheit hat. Das ist doch schlicht gelogen! Er sieht doch aus wie das blühende Leben, kleidet sich jetzt auch ganz sportlich – so zumindest ihr Eindruck nach Ihren Kontrollfahrten zur Praxis. Sie hatte ihn im Auge!

Und das kann er schlichtweg nicht machen. Er MUSS für seine Familie aufkommen – wer denn sonst?

Die Kinder hatten sich seitdem auch von ihm zurück gezogen – dafür hatte sie schon direkt zu Anfang gesorgt.  Die mussten schließlich wissen, auf welcher Seite sie standen.

Gut, der Jüngste machte ihr momentan Sorgen – er kam nicht mehr in der Schule mit und igelte sich immer mehr ein, sprach kaum noch ein Wort und schon gar nicht mit ihr. Sie musste dringend mit ihm in die schulische Sprechstunde – und das alles nur wegen IHM!

Die Ältere ist kurz darauf aus dem Haus, studiert jetzt, und Eva hört kaum noch etwas von ihr.

Genau wie all die Freunde, die ihr mittlerweile aus dem Weg gingen. Und dabei hatte sie immer so schöne Feste arrangiert! Und das war jetzt die Dankbarkeit.

Eva konnte kaum noch jemanden anrufen, um ihren Unmut Kund zu tun und selbst die Verkäuferinnen in den Boutiquen und Lebensmittelabteilungen begannen die Gespräche abzukürzen.

Die hatten ja alle gut reden! Die sind ja nicht verlassen worden!

Und bestimmt lag das alles daran, dass ER Arzt war und von daher eine größere Akzeptanz bei denen hatte.

Sind denn alle blind geworden?

Sie hatte gut daran getan direkt einen Psychiater aufzusuchen, SIE war schließlich in einer schlechten Verfassung. Auch die verschriebene Kur hatte sich bewährt. Eifrig hatte sie Bilder gemalt, gebastelt und Ausflüge unternommen. Es war fast wie ein Urlaub, wenn man von der spartanischen Einrichtung einmal absah. Da war sie nun Weißgott anderes gewohnt. Sie hatte aber vorgesorgt und ihre Koffer mit Deko-Utensilien gefüllt und sich ihr Zimmer schön gemacht, so wie sie immer alles schön gemacht hat, egal was es gekostet hat. Das was ihr noch fehlte, hatte sie kurzerhand gekauft – da funktionierte die Karte noch.

Und unter den übrigen Patienten fand sie genügend Zuhörer, so dass sie sagen konnte, ganz auf Ihre Kosten gekommen zu sein.

Gegen Ende hatte sie allerdings das Gefühl doch alleine zu sein, denn immer häufiger blieben die Türen verschlossen, an denen sie zu späterer Stunde noch anklopfte.

Nun war sie also wieder Daheim – in IHREM Zuhause und DAS wollte sie sich nicht nehmen lassen. DER würde sie noch kennenlernen! Nein, eine EVA lässt sich nicht einfach so ablegen! DER soll bluten! Von IHR würde er schon noch die nötige Asche auf sein Haupt bekommen!