Von Klaus-Dieter Oettrich

Susanne, 35 Jahre, lange blonde Haare, nicht superschlank, mit einer großen Oberweite war Redakteurin bei einer Fernsehanstalt in Stuttgart. Sie studierte Journalismus und Germanistik. Michael, 40 Jahre, leicht beleibt, braune Haare bis zur Schulter, war freier Kameramann und arbeitete für verschiedene Sender. 

Man lernte sich in der Kneipe „Zacke“ in Stuttgart-Degerloch kennen.

Schon am ersten Abend vertiefte man sich in ein Gespräch bis 2 Uhr morgens. Am nächsten Abend trafen sie sich wieder und freuten sich danach schon auf den nächsten Abend. Die Schmetterlinge hatten in den Bäuchen viel zu tun. Immer wieder trafen sich die verliebten Blicke und Michael streichelte sanft ihre Hände. 

Dann ging alles Schlag auf Schlag. Beide meinten, die große Liebe gefunden zu haben. „Wir passen zusammen wie ein Druckknopf,“ sagte Michael.

Immer am  Abend wurden in der „Zacke“ interessante und verliebte Gespräche geführt. Manchmal ging es vorab zur „Kochenbas“ zum Essen. Oft war danach die Kneipe wegen Überfüllung schon geschlossen. Aber Michael hatte mit der Wirtin Hilde ein Klopfzeichen vereinbart, damit die Türe geöffnet wurde. 

 

Dann zog Susanne in die Wohnung von Michael. Nach kurzer Zeit wurde ein älteres „Häusle“ bei der alten Weinsteige gekauft. 

Susanne sagte: „Eine Finanzierung brauchen wir nicht, ich habe geerbt.“ Michael fragte nicht weiter nach und dachte: Wenn das mal so ist, na dann bitte schön. Er war ein sehr gutmütiger und  vertrauensvoller Mensch. Sein Sternzeichen: Waage.

Die Immobilie wurde auf beider Namen im Grundbuch eingetragen.

 

Michael fuhr einen Rang Rover, damit er gut die Stative, Beleuchtungskörper, Kameras transportieren konnte. Susanne war ein Sportwagen-Fan und fuhr einen 911er Porsche. Michael fragte sie schon am ersten Abend, wie sich eine Redakteurin so einen Wagen leisten könne. Susanne sagte nur: „Meine Tante hat ihn mir geschenkt.“

 

Trotz des schönen alten Hauses, mit herrlicher Sicht über Stuttgart, ging es abends immer noch in die Zacke. Die Entfernung war nicht weit, so daß eine Fahrt mit dem Auto nicht nötig war. Der Schlaftrunk wurde dann auf der Terrasse des Hauses eingenommen.

In dem übergroßen Bett ließ es sich dann gut erholen, sowie andere Betätigungen praktizieren.

Susanne sagte: „Michael Du hast recht, wir passen zusammen wie ein Druckknopf.“

 

Michael war ein lustiger Typ und fand zu seinen Mitmenschen immer gleich einen guten Kontakt. Auch suchte er immer eine Gelegenheit sie spaßeshalber herein zu legen. Dies gefiel besonders Susanne. Außer dem Schnarchen war sie mit ihm rundherum zufrieden.

Michael fragte Susanne: „Stört Dich mein Schnarchen nicht?“

„Meist nicht, ich habe einen guten Schlaf“, antwortete sie.

„Ich wache jede Nacht zwei- bis dreimal auf.“

„Wahrscheinlich von dem Geräusch Deines eigenen Schnarchens.“

Michael musste auf diese Antwort herzlich lachen.

 

Sie waren ein Paar, das sehr gut zusammenpasste und glücklich war. Die Gesprächsthemen gingen nie aus, da auch im Beruf sie fast die gleichen Themen hatten. Kinder wollten beide nicht. Susanne meinte, sie wäre zu alt und Michael war auch der Ansicht, da er oft wochenlang außerhalb von Stuttgart drehen musste und er Susanne mit dem Kind nicht alleine lassen wollte. Auch heiraten wollten sie nicht. Susanne meinte: Moderne Paare heiraten nicht mehr. Das wäre spießig. Sie hatte wohl recht, denn in der Kneipe kamen Paare die seit zehn, zwanzig oder dreißig Jahre zusammen lebten, aber nicht verheiratet waren. Einen Verlobungsring wurde aber doch gekauft. Aber keiner trug ihn. 

 

Wie immer stand Michael am Morgen gut gelaunt auf. Erzählte sich meist selber einen Witz und mußte darüber lachen. Susanne war schon jeden Arbeitstag vor ihm außer Haus.

Michael hatte heute um 11 Uhr eine Besprechung beim Sender. Da wird er dann sie im Büro besuchen.

Als er geduscht hatte, fühlte er sich putzmunter. Aber was sah er denn da auf dem Kopfkissen im Bett von Susanne liegen? Einen Zettel auf dem geschrieben stand: „I`m sorry“ und daneben lag der Verlobungsring.

Zuerst war Michael verdutzt. Dann aber kam ein Lächeln ins Gesicht und er sagte: „Da habt ihr Typen von „Verstehst Du Spaß“ mich ganz schön reingelegt.“ 

Und dachte, gleich werden die Scheinwerfer angehen und Susanne, Guido und seine Kollegen würden ihn begrüßen.

Aber nichts geschah.

„Hallo meine Freunde, kommt aus euren Verstecken hervor. Der Spaß ist Euch gelungen. Ich bin voll darauf hereingefallen.“

Aber nichts geschah.

Michael durchsuchte das Schlafzimmer und die anliegenden Wohnräume. Aber er fand nichts.

Jetzt hört aber der Spaß auf, dachte Michael und versuchte Susanne telefonisch zu erreichen.

Eine Kollegin von ihr meldete sich und teilte mit, daß sie heute noch nicht im Büro war.

Michael war nun der Meinung, jetzt treiben es die Spaßmacher mit der Geschichte aber doch zu weit. Wahrscheinlich begrüßen sie mich vor meiner Besprechung beim Sender.

Kurz vor 11 Uhr war Michael schon dort und ging direkt zum Büro von Susanne.

Kein Begrüßungskomitee erwartete ihn.

„Wo ist Susanne“? fragte Michael.

„Wir haben sie heute noch nicht gesehen“, wurde ihm mitgeteilt.

„Ich denke der Spaß reicht jetzt, er geht mir so langsam auf den Wecker.“

„Wir können doch nichts dafür und können Susanne nicht herzaubern.“

„Ja, ist schon gut, sie wird schon wieder auftauchen.“

„Ganz bestimmt“, pflichteten die Kolleginnen bei.

 

Um 11 Uhr war Michael pünktlich bei der Besprechung. Er wurde als erster Kameramann engagiert für eine neue Fernsehserie.

Nach der zweistündigen Konferenz ging er ganz zufrieden nochmals zum Arbeitsplatz von Susanne.

„Wir haben sie noch nicht gesehen“, teilten die Kolleginnen mit.

Vielleicht ist Susanne auch bei einer Recherche, überlegte sich Michael. Aber der Porsche-Schlüssel lag auf seinem Platz in der Schublade des Schreibtisches. Obwohl ihr ein Firmenwagen zur Verfügung stand, fuhr sie immer mit dem Porsche zu den Terminen.

Susanne erzählte ihm einmal: Auf der linken Seite des Schreibtisches befinden sich immer die unerledigten Unterlagen.

Heute lag nur ein Briefumschlag dort mit seinem Namen. Michael öffnete den Umschlag sofort und las das Schreiben.

 

Lieber Michael,

wenn Du diese Zeilen liest, sitze ich im Flugzeug oder befinde mich schon in der Dominikanischen Republik.

Ich danke Dir für die schöne Zeit, die Du mit mir verbrachtest. Dieses eine Jahr werde ich nie vergessen.

Aber nun muß ich wieder zurück zu meinem Ehemann. Die Zeit ist abgelaufen. Mein Mann ist 71 Jahre. Vor fünf Jahren hatte er einen Schlaganfall und hat nun Gehbeschwerden und keinen Sexualtrieb mehr. Auch auf Alkohol muss er verzichten.  Er gab mir die Möglichkeit ohne ihn in Deutschland eine längere Zeit zu verbringen und dann wieder zu ihm zurückzukehren. Das war sehr edel von ihm. 

Bin bei meiner Mutter aufgewachsen, die Alkoholikerin war.  Ich hatte keine schöne Jugend.   

 

Mein Ehemann ist sehr, sehr reich – ein mehrfacher Milliardär.

Wie Du weisst bin ich ohne Vater aufgewachsen.  Er ist mehr Vater als ein Liebhaber für mich. Ich verdanke ihm sehr viel. Auch das schöne Leben mit Dir.

Gerne wäre ich bei Dir geblieben. Aber ein Versprechen ist ein Versprechen.

Du wirst vielleicht für einige Zeit unglücklich sein. Aber Dein Humor wird Dir darüber hinweg helfen. Mein Mann war ein Jahr nun sehr traurig. Jetzt wird für ihn wieder ein neues Leben beginnen.

Lieber Michael, es hat keinen Zweck nach mir zu suchen. Ich habe jetzt einen anderen Namen.  

Habe gestern mein Bankkonto aufgelöst und den Restbetrag von 95.000€ auf Dein Bankkonto überwiesen.

Ich weiß wohl, mit Geld lassen sich keine seelischen Sorgen lösen. Vielleicht aber mildern.

Doch ich will mein Versprechen einlösen und die letzten Jahre die er noch zu leben hat, an seiner Seite verbringen. Du kannst dies wohl schwerlich verstehen. 

Verzeih mir bitte, soweit es möglich ist. Ich liebe Dich noch immer.

Ich habe Dich nicht ausgenützt, aber Dein Vertrauen verletzt. Dafür gibt es keine Ausrede.

Daher war ich in letzter Zeit manchmal auch depressiv, da ich wußte, dass ich Dir bald sehr weh tun werde. 

Ich war feige, dass ich Dir alles nicht persönlich sagen konnte. Dafür fehlte mir einfach die Kraft und das Selbstvertrauen. 

 

Aber wie sagt man doch: Im Leben sieht man sich immer zweimal. Das soll aber nicht heißen, daß du in einer Ecke sitzen sollst um auf mich zu warten. Lebe fröhlich und humorvoll so wie Du es bisher auch getan hast.

Ich werde dafür büßen, was ich Dir angetan habe.

Lebe wohl und ich werde Dich immer lieben.

Susanne

N.S. Den Arbeitsvertrag mit dem Sender habe ich vor 3 Monaten gekündigt, mit der Bitte um Verschwiegenheit. (Auch ein Personalchef braucht Geld).

Bitte gebe meine Kleider etc. einer gemeinnützigen Gesellschaft.

Der Notar hat veranlaßt, daß meine Anteile an der Immobilie etc. auf Dich überschrieben werden. Er wird diesbezüglich in den nächsten Tagen anrufen auch im Bezug auf die Umschreibung des Wagens.

 

Als er aus Susannes Büro kam, fragten die Kolleginnen: „Hat sie eine Nachricht an Dich hinterlassen? Wann kommt Susanne heute?“

„Sie kommt nicht heute, nicht morgen, nie wieder.“

„Aber was ist mit ihr los?“

Michael setzte sich leichenblass auf einen Stuhl und sagte: „Ich kann es einfach nicht glauben.“

„Möchtest Du ein Glas Whisky?“

„Ja, das kann nicht schaden.“

 

Michael ging in die Tiefgarage, öffnete das Dach von dem Porsche und fuhr ziellos durch Stuttgart. Immer wieder rief er: „Scheiße, Scheiße, Scheiße.“

So eine Geschichte kann doch nicht wahr sein, dachte er. Nicht mal der verrückteste Autor würde auf so etwas kommen. 

Nun ja, also werde ich selbst meine Story schreiben und dem Sender senden. Die Redakteure und Lektoren sind ja bekannt dafür, daß sie außergewöhnliche Storys wollen. Außerdem habe ich noch den Vorteil die zuständigen Personen persönlich zu kennen.

 

Nach einem Jahr drehte er als Kameramann seine eigene Geschichte.

Der Film wurde ein riesiger Erfolg.

Als er abends nach der Ausstrahlung des Films in die Kneipe kam wurde er mit großem Beifall empfangen. 

Er war nun ein sehr bekannter Autor und Kameramann geworden.

Aber all dies wog den Verlust von Susanne nicht auf.