Von Helga Rougui

Der Liebe Gott saß an seinem Schreibtisch und schaute zufrieden auf den vor ihm liegenden Aktenordner. Zwischen zwei himmelblauen Deckeln befand sich der „Bauplan der Erde und ihrer Welten“. Dieser Titel fand sich auch in akkurater, winziger Schrift auf der Rückseite des Ordners.

Sieben Trennblätter trennten die einzelnen Abteilungen voneinander. Sieben mal siebentausend Jahre hatte die Planungsphase gedauert, für jede Abteilung ein Jahrtausend. Gott lächelte still – „Gottes Mühlen mahlen langsam“ hier mal in einer unbeschwerten, witzigen Variante.

Morgen würde eine Crew von sieben mal sieben Milliarden Engeln unter der Leitung der sieben Erzengel an die Umsetzung der Pläne gehen, und wie er die Effektivität seiner Truppe kannte, würden sie in den vorgesehenen sieben Tagen fertig werden, wobei am siebenten Tage sich alle ausruhen könnten und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, sozusagen.

Nun aber freute sich der Liebe Gott erst einmal  auf den wohlverdienten Feierabend und einen steifen Gin Tonic – was die Queen können wird, kann ich schon lange – erhob sich von seinem Sessel, ging zur Tür, knipste das Licht aus und verließ das Göttliche Büro.

Und schloß damit den dunklen Schatten ein, der in einer Zimmerecke saß, halb verborgen unter dem Wandbehang. Der Schatten seufzte erleichtert auf, hatte er doch bis zum letzten Moment befürchtet, entdeckt zu werden. Gott in seiner Allwissenheit hätte doch eigentlich spüren müssen, daß er da sei – aber er war wohl etwas erschöpft von der harten Arbeit und hatte ihn nicht bemerkt und das war sein Glück und Gottes Pech.

Der Schatten erhob sich und stand einen Moment später am Schreibtisch. Er entpuppte sich als des Lieben Gottes Dunkler Bruder, wie er sich gerne selber nannte – diesen Titel fand er netter als die Namen, die man ihm sonst landläufig gab. Er entfaltete ein weißes, eng beschriebenes Blatt, das wie aus dem Nichts gekommen zu sein schien, öffnete den Aktenordner, suchte einen Moment und heftete das Blatt hinein. Das dahinterliegende entnahm er, hauchte kurz darauf, so daß es in hell lodernden Flammen aufging und verbrannte.

Dann verblaßte der Schatten zu einem grauen Schemen und sickerte durch den Fußboden in sein Reich zurück.

 

***

In den nächsten Tagen schritt der Aufbau der Erde und ihrer Welten munter und zügig voran, und das Projekt wurde rechtzeitig fertiggestellt.

Gottt schaute auf sein Werk und sah, daß es gut war.

In der Folge wunderte er sich zuweilen, daß das Wesen Mensch, das er edel, hilfreich und gut konzipiert hatte, so häufig ehrlos, selbstsüchtig und böse dachte und handelte. Er grübelte und grübelte, aber er konnte sich diesen Konstruktionsfehler einfach nicht erklären.

Unter ihm, in der Hölle, lächelte still der Teufel.