Von Klaus Freise

Aus der Staubwolke schälten sich die Umrisse eines chromblitzenden Kühlergrills. Durch die flimmernde Luft sah ich den weißen Land Cruiser heran rauschen. Ein gepanzertes Wüstenschiff mit Klimaanlage und Mini-Bar.

Meine Regierungs- Limo war schwarz, die Klimaanlage kurz vor dem Kollaps und die Cola-Flasche im Handschuhfach schon lange lauwarm und ohne Kohlensäure.

Das Treffen mit Scheich Ben al Nasir fand mitten in der Wüste statt. Ich hätte ja ein klimatisiertes Hotelzimmer vorgezogen, aber es war sein Land, sein Spielplatz. Also nur er, ich und unsere Fahrer.

Edward wollte die Tür öffnen, als der Geländewagen neben uns hielt. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Langsam, Edward. Warten wir bis der Staub sich gelegt hat, schon wegen der Satellitenfotos.“

„Ja, Sir, verstehe.“

Gut zwei Minuten starrten wir auf die getönten Scheiben neben uns, dann war die Luft wieder klar.

„Okay, lassen wir das Ritual beginnen.“ Ich setzte die Sonnenbrille auf, zog meine Krawatte glatt.

Edward stieg aus, öffnete meine Tür und die Hitze erschlug mich. Aber schließlich würde der Scheich nie als erster aussteigen. Wüstensöhne lieben diese Spielchen.

Während mir die ersten Schweißtropfen über meinen Rücken Richtung Unterhose liefen, sprang der Fahrer des Scheich aus dem Wagen. Ein bulliger Typ mit kurz rasierten Haaren, in einem schwarzen Anzug, der deutlich zu klein für ihn war. Und natürlich mit verspiegelter Brille. Der Stiernacken riss die hintere Tür auf. Daraus schwenkten in weißen Kaftan gehüllt im Zeitlupentempo die Gebeine des Scheich. Er streckte die Hand aus, die Stiernacken sofort ergriff. Dann schwebte Scheich Ben al Nasir wie eine verkokste Hollywood-Diva aus der Land-Cruiser.

Sein erster Blick galt dem Himmel, als er nasal sprach:

„Ah, ideales Wetter für die Falkenjagd. Allah lässt sein Antlitz über uns leuchten.“ Er schob seine Sonnenbrille mit dem Zeigefinger höher auf die Adlernase. Aus seinem Umhang zauberte er eine Papiertüte mit Datteln oder Feigen.

„Oder sind es die Drohnen der Ungläubigen? Ihr Name war Sykes? Lennard Sykes?“

Neben mir stieß Edward den Atem aus. Ich musste auch erst ein Mal Luft holen.

Dann deute ich eine Verbeugung an.

„Eure Hoheit, es ist mir eine große Ehre …“

Er warf sich eine Frucht in den Mund und nuschelte:

„Pappe la papp, nur weil wir nicht in allen Landesteilen fließend Wasser haben, bedeutet dies nicht, ich wäre ein Narr.“

„Verzeihung Scheich Nasir, aber ich wollte Sie nicht …“

„Pah, einen Hund schickt man in die Wüste. In meinem Palast empfange ich Freunde.“

Er spuckte mir den Fruchtkern vor die Füße.

„ Am Telefon haben Sie unverschämte, imperialistische Forderungen gestellt, Mr. Sykes. Denken Sie wirklich, ich würde darauf eingehen?“

„Nun, eure Hoheit, deshalb reden wir ja jetzt persönlich miteinander.“

Ich streckte die Hand aus, und Edward zog unter den wachsamen Blick von Stiernacken ein Satellitentelefon hervor.

„Scheich Nasir, ihr Sohn studiert, soweit ich weiß, an der Berkeley University? Jura, glaube ich.“

Jetzt straffte sich der Körper von Nasir. Wie eine Schlange zischte er:

„Was wollen Sie von meinem Sohn?“

Ich hob die Hände.

„Oh, nichts. Gar nichts. Aber vielleicht sollten wir seine Meinung zu unserer Meinungsverschiedenheit einholen.“

Edward drückte eine Kurzwahltaste und gab Stiernacken das Telefon. Der wechselte ein paar arabische Worte mit Nasir. Dann hielt der Scheich den Apparat selbst ans Ohr.

Ich konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde. Aber es war laut und hektisch.

Aufgebracht warf er das Telefon Edward zu, der es gerade noch auffing.Speicheltropfen flogen  Nasir von den Lippen in den Wüstensand, als er schrie:

„Was haben Sie mit ihm gemacht? Wo ist er? Wagen Sie es ja nicht, ihm auch nur ein Haar zu krümmen.“

„Langsam Scheich, ganz ruhig. Es geht ihm gut, niemand tut ihm etwas. Natürlich werde ich meinen Kollegen sagen, dass Waterbording Ihrem Jungen nicht gut tut.“

Ich nahm meine Brille betont langsam ab, zupfte ein Taschentuch hervor und begann zu putzen.

„Sehen Sie mich an, Mr. Nasir.“

Der Scheich riss sich die Brille herunter und aus seinen Augen schossen kleine Dolche.

Ohne ihn anzusehen sagte ich:

„Nun, der Punkt ist folgender, Mr. Nasir. Unser Land hat kein Interesse daran, das der Ölpreis unter dreißig Dollar pro Barrel sinkt.“

Ich stellte das Putzen der Brille ein.

„Sie werden Ihren Einfluss in der OPEC entsprechend geltend machen.“

Nasir bebte vor Zorn und wollte etwas sagen, aber ich sprach einfach weiter:

„Natürlich werde ich mit den Deutschen reden, damit es mit der Lieferung der siebzig Leopardpanzer keine Probleme gibt. Vermutlich werden unsere PATRIOT-Waffen bis Ende des Jahres bei Ihnen eintreffen.“

Ich setzte meine Brille wieder auf. Sollte er doch das letzte Wort haben. Natürlich waren unsere militärischen  Zugeständnisse recht dünn und dieser Deutsche, Gunther Gabriel oder wie der hieß, würde die Panzer ohnehin liefern.

Nasir schnaupte:

„Dieses Gespräch ist beendet und hat nie stattgefunden.“

Bevor er in seinem Geländewagen verschwand,  deutete ich mit dem Finger in die Luft und sagte:

„Ach, und noch etwas Scheich Nasir, Gott und Amerika sehen alles. Schönen Tag noch.“

Dann knallte er die Tür zu und der Wagen jagte in einer Staubwolke davon.

 

Es war fast zehn Uhr abends, einen Tag später, als ich völlig erledigt meine Haustür in Boston aufschloss. Schon der Duft im Flur ließ mich Böses ahnen. Ich war zu spät.

Gerade, als ich leise die Tür schloss, knallte mir jemand von hinten den Fuß zwischen meine Beine.

An der Art, wie meine Nüsse sich in der Hose verteilten, spürte ich sofort, dass meine Geliebte Highheels trug.

Stöhnend, mit Funken vor den Augen, fiel ich auf die Knie.

„Lennard, du verdammte Penner. Denkst du eigentlich, ich warte hier auf dich, bis ich alt und schrumpelig bin?“ Sie stöckelte um mich herum, ging vor meinem schmerzverzerrtem Gesicht in die Hocke.

Zwei Smaragde umrahmt von einer roten Mähne. Sie trug das kleine Schwarze. Eine Perlenkette, deren Ausläufer zwischen ihren Brüsten verschwand.

Dann packte sie meine Krawatte und zerrte mich über die Fliesen ins Esszimmer.

„Siehst du das, Lennard?“

Vage nahmen meine tränenden Augen den gedeckten Esstisch wahr.

Ein Gedeck für zwei. Kerzen, eine Bratenplatte, Gemüse und Wein in zwei Gläsern.

Mühsam brachte ich hervor:

„Warte, Schatz, ich kann das erklären …“

„Ach ja, Lennard. Musstest du wieder die scheiß Welt retten? Weiß du eigentlich, wie lange ich vor diesem scheiß Hightech Herd gestanden und in der Bedienungsanleitung gelesen habe, bis ich diesen Braten perfekt hatte.“

Sie nahm von der Platte ein Stück und klatschte die kalte Scheibe in mein Gesicht.

KLATSCH

„Fast drei Stunden.“

KLATSCH

„Rosa und saftig.“

KLATSCH

„Wie meine Süße, Lennard. Die du so gern magst.“

KLATSCH

Dann nahm sie ein Glas Wein und schüttete mir den Inhalt ins Gesicht.

„Chianti, Lennard. Die Flasche für achtundsiebzig Dollar.“

Sie zerrte wieder an meiner Krawatte.

„Sieh mich an, Lennard.“

Ich blinzelte.

„Der Chianti sollte atmen, Lennard. Nicht hyperventilieren, du Idiot.“

„Tut mir Leid, Schatz …“

„So, du konntest nicht mal anrufen, während du mit deinen Windelträgern verhandelt hast?“

„Ich kenn mich doch mit diesen Handies nicht aus, Schatz.“

Während sie mir ihr Handy vor mein Gesicht hielt, fauchte sie:

„Aber ich, Lennard. Sieh her, Schwachkopf.“ Sie deutete mit ihrem burgunderfarbenen Fingernagel auf das Watts app Symbol.

„Wenn ich da drauf drücke, kommen meine Freunde, Lennard. Menschen denen ich etwas bedeute. Das habe ich vor eine halben Stunde schon gemacht. Meine Mädels und ich werden uns jetzt amüsieren.“

Auf der Auffahrt hielt ein Wagen und hupte.

„Na, das nenne ich Timing, Lennard.“

Sie nahm ihre Handtasche von der Anrichte und ging zur Haustür, dort drehte sie sich nochmal um.

„Ach und noch etwas. Sieh mich gefälligst an, Lennard.“

Ich blinzelte vage in ihre Richtung.

„Wenn ich zurück komme, erwarte ich den Fick meines Lebens. Nicht wieder diesen Ich-glaub-ich-komm-gleich-Scheiß. Ist das klar, Lennard?“

„Ja, Schatz, natürlich, Schatz.“

Dann knallte sie die Tür zu und rauschte vom Hof.

 

 

 

Version 2