Von Christiane Labusga

Schon der Name war Scheiße: „Fabian“ – wer heißt denn so? Das war der Name eines Muttersöhnchens, allen war das klar. Und wem nicht, dem erklärte ich das.

 

Fabian und ich – oder heißt es ich und Fabian? – kamen zusammen in die 8. Klasse. Er von auswärts, ich war sitzen geblieben, wie man so sagt. Ich sag‘ dazu nur, dass ich zu weit vorne war, mir meine Klasse nichts mehr gebracht hat, aber anstatt nach oben versetzt zu werden, wird man nach unten versetzt, wenn man nicht passt. Scheiß-System!

 

Das machte es nicht besser, ich langweilte mich noch mehr. Und Fabian kam gerade recht: Nichts an dem war normal: Die Lehrer stellten ihn als Überflieger vor, schwärmten von seinen bisherigen Noten.

 

Gute Noten hätte ich in den Softeis-Schulen, die Fabian bisher besucht hatte, sicher auch haben können. Ich war ja nicht dumm, nur faul – jedenfalls hat das meine Grundschullehrerin immer gesagt.

 

Während der Fabian zwar gute Noten hatte, aber trotzdem so dumm war wie ein Muttersöhnchen.

 

Einmal habe ich‘s ihm mal so richtig gezeigt: Hab mir einen Kakao gezogen, schön heiß, und hab Fabian dann angerempelt – schwupps, war seine Jeans nass und braun am Hintern. „Brauchst wohl noch eine Windel, du Baby!“, hab‘ ich so laut gerufen, dass gleich ein paar angerannt kamen und ihn ausgelacht haben. Er stand dann noch ewig so im Flur herum, bis die Kunstlehrerin vorbei kam und ihn mit ins Lehrerzimmer genommen hat. Was für ein Depp!

 

Die Kunstlehrerin hat mich danach mal beiseite gezogen und „ein ernstes Wort“ mit mir geredet. Ich habe ihr aber klar gemacht, dass Fabian selbst Schuld war. Warum war er nur so blöd. Die Kunstlehrerin hat dann gesagt, dass ihr das alles so leid täte, und dass sie sehr traurig sei, wegen mir.

 

Mir war das egal. Das Ganze hat sich ja dann auch aufgeklärt, als ich noch einmal sitzen blieb und den Fabian nicht mehr ständig vor der Nase hatte.

 

Die Kunstlehrerin kam dann sogar ein paar Mal zu uns nach Hause, und meine Eltern haben mich schließlich vom Gymnasium auf die Gesamtschule geschickt, obwohl sie ja wollten, dass ich Abitur mache. Das war cool, denn da waren keine Weicheier. Der Unterricht hat mir sogar Spaß gemacht, so dass ich dann wieder in den gymnasialen Zweig kam und sogar mein Abitur geschafft habe. Gerade mal so, aber Abi ist Abi!

 

Ach ja, warum ich das alles erzähle: Den Fabian habe ich kürzlich wieder getroffen.

 

Der ist immer noch so ein Hemd und einen Kopf kleiner als ich, aber er fährt einen coolen SUV und da waren auch zwei Kinder hinten drin. Das konnte ich durch das Schaufenster sehen. Fabian kommt rein und bestellt dreimal Pizza Calzone, zweimal scharf für Erwachsene und einmal doppelt für Kinder (dafür gibt es immer einen Pizza-Schlumpf). Fabian freut sich, dann fragt er, was er tun muss, um einen zweiten Schlumpf zu bekommen.

 

Ich sage: „Fabian, für dich gibt‘s den heute mal frei Haus.“ Fabian schaut mich an, lange, dann dämmert es ihm, wer ich bin: „Markus, das ist ja eine Überraschung! Danke dir. Und, ja, was ich dir schon seit Jahren sagen möchte: Bitte entschuldige, dass ich dir so ein pain in the ass war früher!“

 

Englisch war nie mein Lieblingsfach, aber das habe ich verstanden. „Null problemo“, sage ich.

Und als Fabian mit den drei Pizzas und den zwei Schlümpfen in seinem SUV verschwindet, wird mir ganz anders und ich muss auf einmal ganz tief Luft holen.

 

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