Von Anne Zeisig

„Sei ruhig! Wir legen uns nicht mit dieser Mutter an!“, zischte Hanro seinem Ehemann Endo zu und drückte seinen weinenden Adoptiv-Sohn an sich. „Ist ja gut“, beruhigte er den kleinen Litarie und setzte ihn wieder in den Sandkasten zu seinem Eimerchen und den Förmchen.

Noch schluchzend begann das Kind mit der Schaufel zu graben, blickte scheu hinüber zu dem Bösewicht Robby.

 

Hanro setzte sich auf die Bank zurück: „Hast du was anderes von so einer erwartet? Und gegen Homo-Eltern hat sie bestimmt auch Vorurteile. Ganz zu Schweigen davon, dass sie offensichtlich Kinder aus ‘Fleisch und Blut’ verabscheut.“ 

 

Endo lächelte bitter. „Ich würde der Alten zu gerne das Genick umdrehen! Die ist doch überhaupt nicht in der Lage, ihren Robby altersgerecht zu programmieren. Es kann nicht sein, dass der sich hier auf dem Playground immer wieder unsozial verhält.“ 

 

Hanro ergriff seine Hand und drückte sie fest. „Die Heteros wollen halt keine Human-Kids mehr.“ Er lächelte seinen Partner an. „Wir lassen uns unser Elternglück nicht vermiesen.“ 

 

Beide schauten entzückt zum Söhnchen, wie er nun mit entspannten Gesichtszügen Sandkuchen ‘buk’. Ihnen ging das Herz auf.

Menschenkinder wie Litarie waren inzwischen eindeutig in der Minderheit, weil deren Werdegänge und Entwicklungen zu risikoreich verlaufen würden und zu unvorhersehbar waren.

Robbys hingegen waren pflegeleicht programmierbar. Und zwar so, wie es sich deren ‘Halter’ wünschten.

 

Endo schlang seine Arme um Hanro und küsste ihn sanft auf die Wange.

„Versprich mir, dass wir uns das Menschliche erhalten.“

 

Hanro nickte und wischte sich Tränen aus den Augen: „Versprochen.“

 

Die Frühjahrssonne blinzelte vorwitzig hinter den Baumwipfeln hervor.

 

„Papi! Papa! Schaut! Sonne!“

 

* * *

 

„Robby! Robbylein-Darling! Willste dem Hosenscheißer von deene beeden Süßen mit seenem Sandkuchen mal uff die Schnelle erklären, wie dette so is im Weltall und dem janzen Astro-Zeugs? Wat da so rumschwirrt inne Atmosphäre? Außer nur Sonne?“

 

„Was will die nun schon wieder?“, jaulte Endo zischend.

 

„Uns zeigen, was ihr herz- und gefühlloser Darling so alles kann. Im Gegensatz zu Litarie.“

 

Inzwischen hatte der Kleine eine Sandburg mit Türmchen gebaut und blickte stolz zu seinen Adoptivvätern.

 

„Super!“, rief Hanro, „das hast du gut gemacht!“ Er klatschte in die Hände und legte seine Arme um Endos Schulter.

 

„Wir ignorieren sie einfach“, flüsterte Endo seinem Mann ins Ohr.

 

„Pah!“, rief die Robby-Mom ihnen zu, „meener hat Sandjebilde jebaut, da war er jerade sechse Wochen bei mich! Und icke muss ihm nix beibringen. Dette schafft er von Natur aus. Eenfach ‘n Knopp drücken, fertich! Is allet aufm Chip gespeichert.“

 

Die Männer reagierten nicht darauf und prosteten sich jeweils mit einem Glas Prosecco zu: „Prösterchen!“

„Stößerchen!“

Die Gläser klirrten sanft aneinander, wurden in einem Zug geleert und just im großen Picknickkorb versenkt.

„Litarie! Hast du Hunger?“

Verheißungsvoll hielt Hanro eine Möhre hoch, aber der Sohn nahm keine Notiz.

Er sei halt satt, meinte Endo, und auch zu sehr ins Spiel vertieft.

 

„Mohrüben!“, kreischte Robbys Mutter, „sowatte braucht meener nich! Nur ‘n vollen Akku“, und sie wandte sich abermals an ihren Zögling: „Nun mach hinne! Zeig, wasse druff hast mit diese Astrophysiksternenkometen-Wissenschaft!“

 

„Ekelhaft“, säuselte Hanro Endo ins Ohr, „wie der fette Busen aus ihrem Ausschnitt quillt. Früher hat man sowas hier in Kreuzberg nicht angetroffen.“ 

 

„Richtig Berlinern kann sie auch nicht. Bestimmt eine Zugezogene aus der Ruhr-Metropole“, meinte Endo.

 

Robbys übergroße Kulleraugen verfinsterten sich. Sein weißer Plastikkorpus setzte sich ruckartig in Bewegung, stampfte die Sandburg von Litarie in Grund und Boden, dann brach er mit seinen Greifarmen das Spielzeug des Kleinen entzwei.

Aus einer länglichen Öffnung, die am übergroßen Haupt angebracht war, gurgelte es metallisch: „MENSCHEN-KINDER-DRECK! Der muss weg! Der muss weg!“

 

Litarie sprang auf und lief zu seinen Eltern: „Hab Angst!“ Zitternd kauerte er sich zwischen seine Väter.

 

„Den Schaden, den dein Monsterbaby angerichtet hat, wirst du uns ersetzen!“, rief Endo hinüber.

 

Robbys Programmierungsberechtigte lachte laut: „Zeig dem Pack, watte druff has, Robbylein-Darling.“

 

„R-a-ch-e EI-NS o-d-e-r ZW-EI?“, fragte der langsam mit seiner blechern-monotonen Elektronikstimme und blickte zu seiner Rob-Mother. 

Wenn er seine Lider auf und ab bewegte, klackten sie laut.

 

Seine Mutter zeigte auf Hanro, Endo und deren Sohn.

„Human-Fuck-Parents! Homo-Außenseiter! Minderheiten! Nicht lebenswert! Keene Ahnung, welche Rache da passt!“ Ihre Augen flackerten unruhig.

 

„EI-NS  i-st  e-f-f-e-k-t-i-v.“

 

„Eff-ekt, hm, was?“, stotterte sie.

 

„GRÜND-LICH!!!! Gründ-lich!! Gründlich!“, hallte es ohrenbetäubend. „KO-ME-TEN-ABSTURZ-GRÜND-LICH!“  

 

Die Mutter hielt sich die Ohren zu: „Biste verrückt? Bin nich schwerhörig!“

 

Hanro packte flugs alle Sachen zusammen und Endo setzte Litarie eilig in den Buggy. Eilig steuerten sie auf den Ausgang zu.

 

„Glaubst du, dass der Robbohirni großen Schaden anrichten könnte?“, fragte Hanro atemlos seinen Mann, als sie sich im Laufschritt vom Spielplatz entfernten.

 

„Das hat sein Programm besimmt nicht vorgesehen. Jedenfalls sind mir noch keine Fälle bekannt, ausser den üblichen Diskrimminierungen, Beleidigungen und kleinere Zerstörungen.“

 

* * * 

 

Robby warf das defekte Sandspielzeug von Litarie kilometerweit hoch, er packte sich das Spielgerüst, die Schaukelanlage, hob beides mit Leichtigkeit aus den Beton-Fundamenten und schleuderte alles kraftvoll hinterher.

 

„Stark is er! Oh! So stark is mein Robbylein-Darling!“, rief die Roboter-Kid-Mother lachend. „Die Feiglinge haben sich aus dem Staub gemacht! Gründlicher ist bestimmt ‘Rache Zwei’! Lass endlich Kometen auf das Pack niederprasseln!“

 

„Moo-oo-om! Moo-oo-om!“ Robbys Haupt drehte sich mit irrer Geschwindigkeit um die eigene Achse. Sein Monitor, der mittig auf dem Oberkorpus angebracht war, zeigte flackernd ‘RACHE ZWEI ERROR! ERROR! RACHE ZWEI ERROR!’ an.

„Moo-oo-om! Lau-f! Spiel-Gerät! Schau-Kel! Be-ton-Fun-da-Mente!“ Seine Greifarme streckte er zum Himmel.

 

„Watte sachste da?“ Sie blickte hoch und sah mit Entsetzen, was da rasend schnell auf sie niederstürzte.

 

 

anne z. ENDversion